Die Kraft seiner Auferstehung kennen

Ein klares Verständnis von Philipper 3,7–11

Artikel von Timothy Keller
21. April 2025 — 12 Min Lesedauer
„Aber was mir Gewinn war, das habe ich um des Christus willen für Schaden geachtet; ja, wahrlich, ich achte alles für Schaden gegenüber der alles übertreffenden Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe; und ich achte es für Dreck, damit ich Christus gewinne und in ihm erfunden werde, indem ich nicht meine eigene Gerechtigkeit habe, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus, die Gerechtigkeit aus Gott aufgrund des Glaubens, um Ihn zu erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, indem ich seinem Tod gleichförmig werde, damit ich zur Auferstehung aus den Toten gelange.“ (Phil 3,7–11)

Religion ohne Kraft

Kürzlich habe ich auf PBS eine Dokumentation gesehen, in der ein Geistlicher gefragt wurde: „Glauben Sie, dass Jesus aus den Toten auferstanden ist?“ Seine Antwort lautete: „Die Bestimmung, die Persönlichkeit und die Kraft, die in Jesus waren, bestehen fort; er ist also auch heute noch eine auferweckte und lebendige Präsenz, der wir begegnen können.“ Was wollte er damit sagen? Er wollte sagen, dass die Bestimmung Jesu weiterlebt, er selbst aber physisch immer noch tot ist.

Wenn jedoch lediglich das Beispiel Jesu weiterlebt, er selbst hingegen tot ist (und bleibt), kann man ihn auch nur als Beispiel oder Vorbild kennen. Du kannst nicht zu ihm sprechen und er kann dir nicht antworten. Wenn Jesus nicht wirklich lebt, ist er keine lebendige Kraft, die in dein Leben eingreifen kann. Wenn du nicht glaubst, dass Jesus aus den Toten auferstanden ist, kannst du zwar auf eine bestimmte Weise religiös sein, aber deiner Religiosität fehlt es an Kraft.

Es ist aber auch möglich, der rechtmäßigen Lehre entsprechend die Auferstehung Jesu zu bejahen, ohne diese Auferstehung selbst tiefgreifend erfahren zu haben – ohne selbst geistlich auferweckt worden zu sein. Auch in diesem Fall bist du zwar irgendwie religiös, aber deiner Religiosität fehlt es wiederum an Kraft.

Einerseits ist die Auferstehung eine Tatsache, an die man glauben muss. Andererseits ist sie eine Erfahrung, die man machen und auf die man sich einlassen muss. Das eine ohne das andere – ein Glaube an die historische Tatsache der Auferstehung, ohne sie persönlich erfahren zu haben; oder die Auffassung, bei der Auferstehung handele es sich um eine spirituelle Erfahrung, nicht aber um eine historische Tatsache – resultiert in einer kraftlosen Religiosität.

Ich frage dich: Kennst du beides? Glaubst du an die Auferstehung als historisches Ereignis? Und hast du auch die tiefe persönliche Erfahrung gemacht, dass du selbst geistlich auferweckt wurdest? Das Christentum lässt sich nicht auf eine dieser beiden Kategorien beschränken. Es geht weder ausschließlich um Rationalität noch ausschließlich um spirituelle Erfahrung. Es braucht beides. Einerseits geht es im Christentum um Überzeugungen, Propositionen und Ethik. Aber das ist nicht genug. Man muss Jesus Christus erfahren, um ihn zu kennen. Es muss eine echte Verbindung geben. Andererseits ist das Christentum nicht nur eine mystische Religion. Es unterscheidet sich von den östlichen Religionen, die keinen rationalen Inhalt haben.

Das Christentum kennt harte Kanten. Es sagt: „Dieses ist wahr, jenes ist falsch. Dieses wird dich retten, jenes bringt dich in die Verdammnis. Und das hier ist tatsächlich passiert.“ Der christliche Glaube besteht darauf, dass man die Wahrheit glauben muss, wenn man Gott erfahren will. Du musst glauben, dass Jesus wirklich gelebt hat und wirklich gestorben und auferstanden ist. Und wenn du diese Wahrheit siehst und an sie glaubst, führt das zu einer Erfahrung, die dich die Wahrheit besser verstehen lässt, was dir wiederum eine intensivere Erfahrung beschert.

Eine Leidenschaft

Diese Woche sah ich einen Hund (einen großen Hund), der etwas zu fressen haben wollte. Der Hund war an einer Leine, die an einem Würgehalsband angebracht war. Dieses schloss sich um seinen Hals, um ihn davon abzuhalten, an der Leine zu ziehen. Der Hund zerrte dennoch daran, weil er Futter sah, das er haben wollte. Das Verlangen nach dem Futter war stärker als das Verlangen, Schmerzen zu vermeiden. Er hatte nur ein Ziel: das Fleisch zu bekommen. Der Schmerz war zweitrangig. Also zerrte er an der Leine und ließ es zu, dass sie ihn würgte.

Wir haben es hier mit der Art von Leidenschaft und Zielstrebigkeit zu tun, die Paulus in Philipper 3 beschreibt, wenn er sagt, dass er alles für Dreck erachtet, um Christus zu gewinnen. Obwohl er all diese Dinge geliebt hat, erklärt Paulus, ist da ein noch größeres Ziel: Er will Christus und die Kraft seiner Auferstehung erkennen.

Christsein bedeutet nicht nur, eine Reihe von Glaubenslehrsätzen zu bejahen. Das gehört zum Glauben dazu, aber es geht um so viel mehr. Christsein bedeutet, zu sagen: „Im Vergleich zu meinem größten und wichtigsten Ziel – das darin besteht, Christus und die Kraft seiner Auferstehung sowie die Gemeinschaft seiner Leiden zu erkennen – erachte ich alles andere als Verlust oder Dreck.“ Paulus sagt, dass man, wenn man die Lehre von der Auferstehung versteht, nicht nur eine bestimmte Sache glaubt, sondern eine Leidenschaft hat.

Wenn ich davon spreche, eine Leidenschaft für Christus zu haben, hast du vielleicht die Sorge, ich würde meinen, du müsstest zu einem Fanatiker werden. Vielleicht denkst du: „Ich hatte auch so eine Tante. Alles, was sie tat, war, über Religion und die Bibel zu reden und damit allen gehörig auf die Nerven zu gehen.“ Darum geht es nicht, wenn wir von einer Leidenschaft für Christus sprechen.

Es ist wie mit meiner Brille. Ich verbringe nicht meine ganze Zeit damit, meine Brille anzuschauen und über sie zu reden. Aber ich verbringe sehr wohl meine ganze Zeit damit, alles durch meine Brille zu sehen. Und wenn die Beziehung zwischen meiner Brille und mir gestört ist – wenn sie zu weit unten auf meiner Nase sitzt oder zu schmutzig ist –, beeinflusst das meine Wahrnehmung von allem.

Ebenso spricht eine Person mit einer Leidenschaft für Christus nicht unbedingt immer nur über Christus und sonst nichts – aber sie sieht alles durch Christus.

Wie gehst du, wenn du eine Leidenschaft für Christus hast, mit deinen Sorgen um? Du gehst damit zu Jesus. Du betrachtest deine Sorgen aus der Perspektive Christi. Wie gehst du mit Bitterkeit um? Du schaust dir an, wie Christus dir vergeben hat. Wie gehst du mit Angst um? Du bringst sie zu Jesus. Wie entscheidest du dich, wie viel Geld du in einem Jahr für welche Dinge ausgeben willst? Du gehst zu Jesus. Du schaust dir seine Lehren an. Du durchdenkst diese Dinge anhand seiner Werteskala.

Für einen Menschen mit einer Leidenschaft für Christus ist Christus wie eine Brille. Er sieht nicht unbedingt immer nur Christus, aber er sieht alles durch ihn.

Bemühst du dich mit aller Kraft darum, die Dinge so zu sehen, wie Christus sie sieht? Bemühst du dich, ihm in allem zu gefallen? Bemühst du dich, alles durch ihn zu verstehen? Hast du diese Leidenschaft? Oder glaubst du nur an bestimmte Lehrsätze?

Christus kennen oder Christus ähneln?

Ich habe die Tage von einem Mann gelesen, der vor 100 Jahren lebte und einem Freund schrieb:

„In letzter Zeit erlebe ich intensive Gebetszeiten, während denen sich (gewöhnlich einmal in der Woche, manchmal einmal am Tag) ein Druck seiner großen Liebe auf mein Herz legt, und zwar in einem solchen Ausmaß, dass mein ganzes Wesen unter diesem Druck der Freude aufseufzt. Er hat jedes Gemach meines ganzen Wesens aufgeschlossen und es mit seiner Gegenwart erfüllt und durchflutet. Mein Innerstes wird berührt und all meine Härte schmilzt dahin.“

Es ist eine Sache zu glauben, dass Jesus dich grundsätzlich liebt, aber eine andere, seine Liebe zu erfahren; das heißt es, Christus zu kennen. Hast du das erlebt? Oder sagst du nur deine Gebete auf? Ist seine Liebe auf dich herabgekommen und hat dich innerlich berührt?

Religiöse Menschen sind sehr mit ihrer Religion beschäftigt und nehmen an vielen religiösen Aktivitäten teil – und erwarten dann, dass ihr Leben so läuft, wie sie es sich wünschen. Wenn sie dann plötzlich feststellen, dass es mit ihrer Karriere oder ihrem Liebesleben nicht so gut läuft, sagen sie: „Was bringt mir diese ganze Religiosität? Ich tue all diese Dinge, und wo ist Gott?“

Ein Christ hingegen sagt: „Wenn Schwierigkeiten in meinem Liebesleben mir helfen, Christus zu erkennen, und wenn mangelnder Erfolg in meiner Karriere mir hilft, ihn mehr zu erkennen, dann ist das großartig! Ich erachte mein Liebes- und Berufsleben für Dreck, denn das Wichtigste ist, ihn zu erkennen.“

Paulus hat nicht nur die Leidenschaft, Christus zu kennen; er möchte auch die Kraft seiner Auferstehung erkennen. Der Unterschied zwischen der Erkenntnis Christi und der Erkenntnis der Kraft seiner Auferstehung ist der Unterschied, der darin besteht, eine Person zu kennen und einer Person zu ähneln.

Christus zu kennen heißt, mit ihm persönlich zu tun zu haben. Die Kraft seiner Auferstehung hingegen ist die Lebensenergie, die von seinem toten Körper Besitz ergriff und ihn wieder zum Leben erweckte. Wenn ich also die Kraft seiner Auferstehung kenne, bedeutet das, dass dieselbe Kraft, die von Jesus Besitz ergriff und ihn auferweckte, in meine tote Seele kommt und mich auferweckt. Hier geht es nicht um eine Beziehung, sondern um ein übernatürliches Charakterwachstum. Wenn Paulus sagt: „Ich will ihn kennen“, bedeutet das: „Ich will bei ihm sein“; aber wenn er sagt: „Ich will die Kraft seiner Auferstehung kennen“, bedeutet das: „Ich will so sein wie er.“

Sieh dir die Leblosigkeit deines Lebens an. Schau dir den Zorn an: Wie kann der verwandelt werden in Vergebung? Schau dir die Unsicherheit an: Wie kann diese transformiert werden in Vertrauen? Schau dir die Egozentrik an: Wie kann diese umgestaltet werden in Mitgefühl und Großzügigkeit? Wie? Die Antwort ist, dass der Geist von all diesem toten Zeug Besitz ergreift und es zum Leben erweckt.

Die Auferstehungskraft am Werk

Viele Menschen glauben an die Lehrsätze des Christentums. Sie glauben an die historischen Fakten über Jesus, aber was sie wirklich wollen, ist ihr persönlicher Erfolg. Also gehen sie zu Jesus, wenn sie es wollen und brauchen. Paulus sagt, dass ein Christ jemand ist, der das alles genau andersherum sieht: Persönlicher Erfolg wird dadurch definiert, dass man Christus und die Kraft seiner Auferstehung kennt – alles andere ist zweitrangig.

In dem Moment, in dem du dich entscheidest, Jesus als Retter und Herrn anzunehmen, kommt die Kraft des Heiligen Geistes in dein Leben. Es ist die Kraft der Auferstehung: dieselbe Kraft, die Jesus von den Toten auferweckt hat.

Ein Geistlicher besuchte einmal Italien, wo er auf das Grab eines Mannes stieß, der Jahrhunderte zuvor gestorben war. Zu Lebzeiten war dieser Mann ungläubig und ein starker Gegner des Christentums, aber ein Maß an Restunsicherheit und Angst vor der Wahrheit des Christentums war dennoch geblieben. Also ließ er eine riesige Steinplatte über sein Grab legen, um nicht von den Toten auferweckt werden zu können, falls es doch eine Auferstehung der Toten geben sollte. Er ließ überall auf der Platte Inschriften anbringen, auf denen stand: „Ich will nicht von den Toten auferweckt werden. Ich glaube nicht daran.“ Als er begraben wurde, muss eine Eichel ins Grab gefallen sein, denn 100 Jahre später war diese durch das Grab gewachsen, hatte die Grabplatte gespalten und war nun eine hoch aufragende Eiche. Als der Geistliche das sah, fragte er: „Wenn eine Eichel, die die Kraft des biologischen Lebens in sich trägt, eine Platte von dieser Größe spalten kann, was kann dann die Eichel der Auferstehungskraft Gottes im Leben eines Menschen bewirken?“

Denk an die Dinge, die du als unbewegliche Platten in deinem Leben betrachtest – deine Bitterkeit, deine Unsicherheit, deine Ängste, deine Selbstzweifel. Diese Dinge können gespalten und weggerollt werden. Je mehr du Jesus kennst, desto mehr wächst du in die Kraft der Auferstehung hinein. Je mehr Zeit du mit ihm verbringst, ihn suchst, sein Wort liest und betest, desto stärker wächst die Auferstehungskraft, die durch den Heiligen Geist in dir lebt.

Es gibt noch etwas, das Paulus will: „Ich möchte die Gemeinschaft seiner Leiden mit ihm teilen.“ Manche würden sagen, dass das keinen Sinn ergibt. Die Kraft seiner Auferstehung zu kennen und gleichzeitig an seinen Leiden teilzuhaben, was soll das bedeuten?

Die Sache ist ganz logisch. Wenn du in die Welt hinausgehst und Jesus aufgrund seiner dir innewohnenden Auferstehungskraft ähnelst – wenn du die andere Wange hinhältst, Menschen liebst, die nicht liebenswert sind, immer die Wahrheit sagst –, was wird dann geschehen? Du wirst feststellen, dass sich seine Leiden in deinem Leben widerspiegeln. Den Menschen wird das nicht gefallen. Du wirst ausgenutzt werden. Viele werden sich angegriffen fühlen. Wenn sie sich von Jesus angegriffen fühlten, warum sollte das dann bei dir anders sein, wenn du Jesus ähnelst?

Jesus sagte: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben“ (Joh 11,25–26). Damit sagte er: Wer sich durch den Glauben mit mir verbindet, wird geistlich lebendig und von einer Stufe der Herrlichkeit zur nächsten verwandelt; und dieser Prozess geht immer weiter und weiter und kann auch durch den physischen Tod nicht aufgehalten werden. Der Tod treibt diesen Prozess sogar noch bis zur Vollkommenheit: Wenn der Körper stirbt, flammt unser Geist in seiner Gegenwart hell auf, und wir brennen mit seiner Energie, Kraft und Güte. All seine Herrlichkeit strömt in uns hinein und aus uns heraus. Das ist es, was uns erwartet. Wir werden sein wie er – und seine Auferstehungskraft wird in uns vollkommen sein.