Lektionen eines störrischen Propheten

Das Buch Jona im Überblick

Artikel von William Boekestein
8. April 2025 — 5 Min Lesedauer

Jonas Abenteuer ist eine der bekanntesten Geschichten der Bibel. Jedes Kind in der Gemeinde kennt sie und kann die Handlung nacherzählen. Bei anderen kleinen Prophetenbüchern (wie beispielsweise Habakuk) ist das eher unwahrscheinlich. Doch obwohl das Buch so einprägsam ist, ist es nicht unbedingt gut verständlich. Der störrische Prophet und der große Fisch stehen nämlich gar nicht im Mittelpunkt. Stattdessen fordert das Buch – das mit einem Fragezeichen endet – zum sorgfältigen Nachdenken auf: über den Sinn unseres Lebens im Licht von Gottes Herrlichkeit und Gnade.

1. Jona lehrt uns, Gott gehorsam zu folgen

Jona erteilt uns eine Lektion darin, wie man nicht auf Gottes Befehle reagieren sollte. Das Buch offenbart Gott als souveränen Herrscher. Er gibt keine Vorschläge, er erteilt Befehle. Selbst die heidnischen Seeleute erkennen die Allmacht Gottes an: „Du, HERR, hast getan, was dir wohlgefiel!“ (Jona 1,14). Gott handelt entschlossen. Er „schleuderte einen starken Wind“ (Jona 1,4). Er „entsandte einen großen Fisch“ (Jona 2,1). Die Geschichte ist völlig unter Gottes Kontrolle.

Gottes Befehle sind unmissverständlich. Seine Anweisungen klingen fast so, als spräche er mit einem Kind: „Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige“ (Jona 1,2 LUT). Jona war nicht ungehorsam, weil es ihm an Informationen fehlte, er keine Zeit hatte oder durch äußere Einflüsse verhindert wurde. Er wollte einfach nicht gehorchen – und sein Ungehorsam brachte Unheil über ihn und andere. Durch unsere Rebellion weisen auch wir Gottes Segen absichtlich zurück und ziehen seine Strenge auf uns.

Doch Gehorsam allein ist nicht das Ziel. Wahre Hingabe entspringt einem Herzen, das Gott liebt. Jona brüstete sich mit seiner religiösen Zugehörigkeit und buchstabierte seine Theologie korrekt aus – aber er überschätzte seine Gottesfurcht (vgl. Jona 1,9). In seinem Herzen und durch sein Handeln floh er „vor dem Angesicht des Herrn“ (Jona 1,30). Jona war geistlich krank. Von seinem fromm klingenden, aber selbstgefälligen Gebet aus dem Innern des großen Fisches bis hin zu seinem Wutanfall am Ende des Buches wird deutlich, dass Jona dieselbe Herzensumkehr brauchte wie die Bewohner von Ninive.

Der Gehorsam des Windes, der Wellen, der Pflanzen, der Tiere und sogar der heidnischen Menschen steht in scharfem Kontrast zum Eigensinn des selbstgefälligen Propheten. Er soll uns als Warnung dienen.

2. Jona ist ein Missionshandbuch

Das mag entweder offensichtlich oder überraschend sein. Bei Jona geht es ganz klar um Gottes Mission. Aus Mitleid mit den Verlorenen sendet Gott Jona, um die Niniviten vor seinem kommenden Zorn zu warnen (vgl. Jona 4,2.11). Aber Gott hat scheinbar den falschen Missionar ausgewählt! Jona zeigt in dieser Geschichte kaum vorbildliche Eigenschaften – und genau das scheint der Punkt zu sein. Seine widerwillige Haltung sollte die Leser des Buches beschämen und ihnen vor Augen führen, dass das „Licht für die Heiden“ kaum noch leuchtete (Jes 49,6). Diejenigen von uns, die Erbarmen erfahren haben, sollten darauf erpicht sein, der Welt die Botschaft von einem barmherzigen Gott mitzuteilen.

Vor allem aber beweist Jona mit seinem Versagen, dass nicht er der Held der Mission ist, sondern Gott. Der widerwillige Einsatz von Jona bereitete Israel darauf vor, einen größeren Propheten zu erwarten, der bereitwillig die Verlorenen suchen und retten würde (vgl. Lk 19,10). Christus allein kann die große Verheißung Gottes erfüllen, „alle Geschlechter auf der Erde“ zu segnen (1Mose 12,3). Die Erweckung in Ninive war ein Vorgeschmack auf Pfingsten und das Zerbrechen von Satans Herrschaft über die Nationen. Aufgrund der unbeschreiblichen Gabe Gottes in Christus werden eines Tages „zehntausendmal zehntausend und tausendmal tausend“ erlöster Menschen den unvergleichlichen Wert des geschlachteten Lammes besingen (vgl. Offb 5,11–12). Wahrlich, „die Rettung kommt von dem HERRN!“ (Jona 2,9).

Jona offenbart das liebende Herz Gottes gegenüber den verlorenen Menschen. Der Prophet tut dies nicht aus eigener Kraft, sondern als Hinweis auf Christus. Achte auf Jona – nicht weil er ein Vorbild an Frömmigkeit ist, sondern weil wir (wie er) den Christus brauchen, den er schattenhaft abbildet.

3. Bei Jona geht es letztendlich um Jesus

Als Jesu Kritiker von ihm ein Zeichen verlangten, das seine behauptete Identität bestätigen sollte, verwies er sie auf Jona (vgl. Mt 12,39). Jesus deutete den Wendepunkt der Jona-Geschichte als ein Bild für seinen eigenen Tod und seine Auferstehung. Jona starb gewissermaßen symbolisch, denn die Seeleute glaubten, ihn zu töten, als sie ihn ins Meer warfen (vgl. Jona 1,14). Er hätte weder den großen Sturm, der das Schiff zu zerbrechen drohte, noch seinen dreitägigen Aufenthalt im Bauch des Fisches überleben dürfen. Der Fisch war Jonas wässriges Grab; als er am Ufer ausgespuckt wurde, begann sein neues Leben. Der alte Jona – derjenige, der die Heiden hasste und sich egoistisch nach Bequemlichkeit sehnte – symbolisiert den „alten Menschen“ (Eph 4,22). Der neue Jona – immer noch sehr unvollkommen – symbolisiert den „neuen Menschen“ (Eph 4,23–24). Auch Jesus würde sterben und auferstehen. Die Einheit mit ihm ist der einzige Weg, um neue Geschöpfe zu werden und in Gottes Ruhe einzugehen (vgl. Röm 6,8).

Der symbolische Tod und Jonas Auferstehung verliehen seiner Botschaft Autorität. Wir haben umso mehr Verantwortung, wenn es darum geht, auf das Evangelium zu reagieren: „Die Männer von Ninive werden im Gericht auftreten gegen dieses Geschlecht und werden es verurteilen; denn sie taten Buße auf die Verkündigung des Jona hin; und siehe, hier ist einer, der größer ist als Jona!“ (Lk 11,32).

Jona handelt letztendlich von Jesus (vgl. Lk 24,44–47). In Christus allein finden wir den Gehorsam, der notwendig ist, um vor Gott zu bestehen, und die Kraft, ein Leben der Nachfolge zu führen. In Christus begegnen wir dem Erbarmen Gottes – einem Erbarmen, das uns verwandelt und befähigt, es an andere weiterzugeben.