Predigen in Zeiten der Bedrängnis

Artikel von John Piper
2. April 2025 — 11 Min Lesedauer

Jeder Mensch hat mit Bedrängnissen zu kämpfen und muss Wege finden, in den bedrückenden Momenten des Lebens durchzuhalten. Jeder Mensch muss aufstehen und seine Routinen bewältigen: Frühstück machen, Wäsche waschen, Arbeiten, Rechnungen bezahlen, Kinder erziehen. Wir müssen unser Leben in der Regel weiterführen, auch wenn unsere Herzen zerbrochen sind.

Bei Pastoren ist das anders – nicht komplett anders, aber anders. Das Herz ist das Instrument unserer Berufung. Charles Spurgeon sagte: „Alle geistige Arbeit macht müde und matt, und wir arbeiten noch außerdem mit dem Herzen, mit der innersten Seele.“[1] Daher muss ein Pastor, dem das Herz bricht, mit einem zerbrochenen Instrument arbeiten. Die Frage ist dann nicht nur, wie man weiterlebt, wenn die Ehe in die Brüche geht, die Finanzen nicht reichen, die Kirchenbänke leer sind und die Freunde einen verlassen, sondern auch: Wie kann man weiter predigen?

Ich bin Gott dankbar für die heilsame Geschichte seiner Macht im Leben seiner Heiligen und insbesondere für das Leben und den Dienst von Charles Spurgeon, der 38 Jahre lang in der New Park Street Chapel und dem Metropolitan Tabernacle in London vorlebte, wie man in schwierigen Zeiten predigt. Und diejenigen, die Augen haben zu sehen, erkennen, dass diese Lektionen nicht nur für Pastoren gelten, sondern für uns alle.

Ein unermüdlicher Prediger

Spurgeon wurde im Alter von 17 Jahren dazu berufen, Pastor einer kongregationalistischen Gemeinde in Waterbeach zu werden. Knapp zwei Jahre später, im Alter von 19 Jahren, wurde er Kandidat für das Pastorenamt in der New Park Street Chapel in London. Im darauffolgenden Jahr (1854) nahm er seinen Dienst dort auf. Als ein neues Gebäude gebaut wurde, änderte die Gemeinde ihren Namen in Metropolitan Tabernacle. Spurgeon war 38 Jahre lang bis zu seinem Tod im Jahr 1892 Pastor dieser Gemeinde.

Das Predigen war der bekannteste und wirksamste Teil von Spurgeons Leben. Noch vor seinem 20. Geburtstag hatte er mehr als 600 Mal gepredigt. Nach der Eröffnung des neuen Gebäudes hörten ihm am Tag des Herrn in der Regel 6.000 Menschen zu. Einmal predigte er in einer Halle vor der größten Menschenmenge seines Lebens: 23.654 Menschen (ohne elektronische Verstärkung!). Seine Predigten verkauften sich wöchentlich etwa 25.000 Mal und wurden in 20 Sprachen übersetzt.

Als Spurgeon seinen Dienst in der New Park Street Chapel antrat, zählte die Gemeinde 232 Mitglieder. 38 Jahre später waren es 5.311, mit einem Gesamtzuwachs von 14.460 (durchschnittlich 380 neue Mitglieder pro Jahr). All dies geschah, obwohl er keine offizielle theologische Ausbildung hatte. Er war Autodidakt, las unersättlich – etwa 6 Bücher pro Woche – und verfügte über ein hervorragendes Gedächtnis. Zum Zeitpunkt seines Todes umfasste seine Bibliothek etwa 12.000 Bände. Um das Vermächtnis des Predigens für andere Gemeinden und Zeiten zu sichern, gründete er ein Pastorenkolleg, in dem zu seinen Lebzeiten fast 900 Männer ausgebildet wurden.

Neben den 6 umfangreichen Büchern, die er wöchentlich las, verfasste Spurgeon mehr als 140 eigene Bücher, darunter Die Schatzkammer Davids (an dem er zwanzig Jahre lang arbeitete) sowie Bibellese am Morgen und am Abend und Guter Rat für allerlei Leute (Reden hinterm Pflug).

Doch der allgegenwärtige Herr Jesus ersparte seinem Freund und Diener nicht die „vielen Bedrängnisse“, die Paulus allen angekündigt hatte, die in das Himmelreich kommen würden (vgl. Apg 14,22). Sein Leben war hart und, im Vergleich zu seinem Freund Georg Müller, kurz. Am 7. Juni 1891 stand er zum letzten Mal vor seiner Gemeinde und starb kurz darauf am 31. Januar an einer schmerzhaften Kombination aus Rheuma, Gicht und der Brightschen Krankheit. Er war 57 Jahre alt.

Spurgeons Leid

Spurgeon war mit allen Schwierigkeiten vertraut, unter denen die meisten Prediger zu leiden haben — und noch viel mehr.

Er kannte die alltägliche Frustration und Enttäuschung über lauwarme Mitglieder. Er erlebte außergewöhnliche Schicksalsschläge, die uns nur einmal im Leben widerfahren. Er war mit Schmerz im familiären Umfeld vertraut. Er hatte unglaubliches körperliches Leid zu ertragen. Er war sein Leben lang öffentlichem Spott und Verleumdungen ausgesetzt, manchmal von der übelsten Sorte. Und nicht zuletzt kämpfte Spurgeon immer wieder mit Depressionen.

Diese letzte Bedrängnis ergab sich aus den anderen. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass der vielseitig begabte, wortgewandte, brillante und energiegeladene Spurgeon ohne ersichtlichen Grund wie ein Kind weinte. Im Jahr 1858, im Alter von 24 Jahren, geschah das zum ersten Mal. Er sagte: „Mein Geist war so tief gesunken, dass ich stündlich weinen konnte wie ein Kind, und doch wusste ich nicht, warum.“[2] Er fügte hinzu:

„Wir alle haben manchmal Zeiten der Niedergeschlagenheit … Die Starken sind nicht immer kräftig, die Weisen nicht immer schlagfertig, die Tapferen nicht immer mutig, die Heiteren nicht immer glücklich. … Ich kenne diese Niedergeschlagenheit aus eigener schmerzlicher Erfahrung, denn ich leide oft darunter“.[3]

Spurgeon sah seine Depression als seine „schlimmste Eigenschaft“ an. „Niedergeschlagenheit“, sagte er, „ist keine Tugend; ich glaube, sie ist ein Laster. Ich schäme mich von ganzem Herzen dafür, dass ich in sie verfalle, aber ich bin sicher, dass es kein anderes Mittel dagegen gibt als den heiligen Glauben an Gott.“[4]

Trotz des Leids und der Verfolgungen hielt Spurgeon bis zum Ende durch und konnte bis zu seiner letzten Predigt im Metropolitan Tabernacle am 7. Juni 1891 mit großem Eifer predigen. Die Frage, die ich mir beim Lesen des Lebens und des Werks dieses Mannes gestellt habe, lautet: Wie konnte er in all diesen Bedrängnissen durchhalten und predigen?

Predigen in Zeiten der Bedrängnis

Im Leben von Charles Spurgeon gab es zahllose Gnadenmittel. Ich möchte nur drei davon erwähnen, aber der Umfang der Strategien dieses Mannes und die Weisheit seiner Kriegsführung waren riesig.

Unterwirf dich einem souveränen Gott

Spurgeon betrachtete seine Depression als einen Plan Gottes zum Wohl seines Dienstes und zur Ehre Christi.

Was in Spurgeons Niederschriften wieder und wieder deutlich wird, ist sein unerschütterlicher Glaube an die Souveränität Gottes in all seinen Bedrängnissen. Mehr als alles andere, so scheint es, hielt ihn dies zurück, in den Problemen des Lebens nachzugeben. Er schreibt:

„Es wäre eine sehr bittere und belastende Erfahrung für mich, mir vorzustellen, dass ich ein Leiden habe, das nicht von Gott geschickt wurde, dass der bittere Kelch nicht von seiner Hand gefüllt wurde, dass meine Anfechtungen nicht von ihm bemessen wurden und mir nicht durch seine Anordnung in Bezug auf ihr Ausmaß geschickt wurden.“[5]

Für Spurgeon war diese Sichtweise von Gott kein Streitpunkt, sie war ein Mittel zum Überleben. Unsere Leiden sind das Gesundheitsprogramm eines unendlich weisen Arztes. Obwohl Spurgeon das Leid fürchtete und es vermeiden wollte, sagte er:

„Ich fürchte, dass die ganze Gnade, die ich von meinen bequemen und leichten Zeiten und glücklichen Stunden erhalten habe, fast auf einen Groschen beschränkt werden könnte. Aber das Gute, das ich aus meinen Sorgen, Schmerzen und Kummer erhalten habe, ist ganz und gar unermesslich. … Anfechtung ist das beste Möbelstück in meinem Haus. Es ist das beste Buch im Bücherregal eines Pastors.“[6]

Ich schließe mich Spurgeon an und behaupte, dass es die souveräne Güte Gottes ist, die mir in den dunkelsten Stunden die Kraft zum Weitermachen gibt, das feste Versprechen, dass er über meine Umstände herrscht und es gut mit mir meint, ganz gleich, was andere meinen.

Atme andere Luft ein

Spurgeon ergänzte seine theologische Überlebensstrategie durch Gottes natürliche Mittel zum Überleben – seinen Gebrauch von Ruhe und Natur.

Obwohl Spurgeon immer wieder von Verausgabung und Opferbereitschaft sprach, riet er auch zum Ausruhen und dazu, einen Tag freizunehmen und sich den heilenden Kräften Gottes zu öffnen, die er in die Natur gelegt hat.

„Unsere Sonntage sind Arbeitstage“, sagte er, „und wenn wir’s aushalten sollen, müssen wir in der Woche einen Ruhetag halten.“[7] Eric Hayden erinnert uns, dass Spurgeon „wenn möglich den Mittwoch als seinen Ruhetag freihielt“.[8] Darüber hinaus sagte Spurgeon zu seinen Studenten:

„Darum müssen wir manchmal Urlaub nehmen. Wir werden unterm Strich mehr leisten, wenn wir von Zeit zu Zeit etwas weniger arbeiten. Weiter, immer weiter, ohne Ruhe, das mag für Geister passen, die nicht mehr die Last des Körpers tragen, aber solange wir in dieser Hütte sind, müssen wir zuweilen ‚Halt!‘ rufen und dem Herrn durch heilige Untätigkeit und geweihte Muße dienen. Lasst euch nicht durch ein überzartes Gewissen an der Berechtigung zeitweiligen Ausspannens irremachen, sondern lernt durch die Erfahrung anderer, dass es notwendig und eure Pflicht ist, euch rechtzeitig auszuruhen.“[9]

Aus meiner Erfahrung im pastoralen Dienst kann ich bezeugen, dass eine Auszeit entscheidend ist, um andere geistliche Luft zu atmen. Wenn wir uns eine Auszeit von der Pflicht nehmen, empfiehlt Spurgeon, Landluft zu atmen und die Schönheit der Natur ihre Arbeit tun zu lassen. Er gesteht, dass „sitzende Gewohnheiten die Tendenz haben, Niedergeschlagenheit zu erzeugen ... besonders in den Monaten des Nebels“. Er rät folglich: „Eine kräftige Brise Seeluft oder ein tüchtiger Spaziergang im Wind füllt zwar nicht die Seele mit Gnade, aber doch den Körper mit Sauerstoff, was das Nächstbeste ist.“[10]

Habe Gemeinschaft mit Christus

Spurgeon nährte seine Seele beständig durch Gemeinschaft mit Christus mittels Gebet und Nachsinnen. An einem umkämpften Punkt in meinem Dienst war es eine große Gnade für mich, als ich John Owens Buch Communion with God entdeckte. Es nährte mich immer wieder, wenn meine Seele fragte: „Kann Gott in der Wüste einen Tisch decken?“

Spurgeon warnte seine Studenten:

„Brüder, versäumt eure geistlichen Mahlzeiten nicht, sonst verliert ihr Kraft und Mut. Die Lehre von der Gnade ist kräftige Nahrung; wenn ihr davon lebt, werdet ihr die, die sich von der Leckerei der modernen Theologie nähren, überleben und übertreffen.“[11]

Ich denke, einer der Gründe, warum Spurgeon trotz seiner Niedergeschlagenheit, seiner körperlichen Beschwerden und seiner Kämpfe so reich an Sprache, voller lehrhafter Substanz und stark im Geist war, ist, dass er immer in ein gutes Buch vertieft war. Die meisten von uns können nicht mit Spurgeons 6 Büchern pro Woche mithalten, aber wir können immer mit jemandem unterwegs sein, der Gott gut kennt. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass der Schlüssel aller guten theologischen Lektüre darin liegt, beim Lesen nach echter Gemeinschaft mit Christus zu streben. Spurgeon sagte:

„Vor allem nährt die Flamme durch innigen Umgang mit Christus. Niemand ist kaltherzig, der mit Jesus verkehrt wie einst Maria und Johannes … Ich kenne keinen halbherzigen Prediger, der in stetem Umgang mit dem Herrn Jesus lebt.“[12]

In vielerlei Hinsicht war Spurgeon in seiner Gemeinschaft mit Gott ein Kind. Er benutzte keine komplexen Begriffe, die zu seltsam oder mystisch waren. Wenn wir in der Bedrängnis predigen wollen, müssen wir in einer so innigen Gemeinschaft mit Gott leben – ihm unsere Nöte und unseren Schmerz mitteilen und uns von der Gnade seiner Verheißungen und den Offenbarungen seiner Herrlichkeit nähren.

Ein sicherer Triumph

Gegen Ende seines Lebens sagte Spurgeon in seiner letzten Ansprache auf einer Pastorenkonferenz:

„Wer kann uns schaden, wenn wir Jesus folgen? Wie kann seine Absicht vereitelt werden? Wenn er es will, werden Bekehrte sich zu seiner Wahrheit scharen so zahlreich wie der Sand am Meer. … Darum seid guten Mutes und geht singend [und predigend!] euren Weg:
‚Das Kreuz, es stehet fest,
Halleluja! Halleluja!
Wie wild der Sturm auch bläst,
Halleluja! Halleluja!
Die Höll erhebt ihr Haupt,
es droht die Welt und schnaubt,
das Kreuz uns keiner raubt,
Halleluja, rühmt das Kreuz!‘“[13]

1 Charles Spurgeon, Ratschläge für Prediger, Augustdorf: Betanien, 2023, S. 143.

2 Darrel W. Amundsen, The Anguish and Agonies of Charles Spurgeon, online unter: https://christianhistoryinstitute.org/magazine/article/anguish-and-agonies-of-charles-spurgeon (Stand: 20.03.2025).

3 Spurgeon, Ratschläge, S. 140.

4 Amundsen, Anguish and Agonies.

5 Ebd.

6 Ebd.

7 Spurgeon, Ratschläge, S. 148.

8 Eric W. Hayden, Highlights in the Life of C.H. Spurgeon, Pasadena: Pilgrim Publications, 1990.

9 Spurgeon, Ratschläge, S. 149.

10 Ebd., S. 146.

11 Ebd., S. 270.

12 Ebd., S. 273.

13 Charles Spurgeon, An All-Round Ministry, Edinburgh: Banner of Truth, 1960, S. 395 f.