Vertrauen in Gottes Wort fassen
Wie wir den Zweifeln an Gottes Wort den Kampf ansagen können
Wenn wir zweifeln
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass das, was Eva in Eden passiert ist, auch für uns eine Versuchung darstellt. Manchmal zweifeln wir an den Geschichten, die wir im Wort Gottes lesen, an den moralischen Ansprüchen, die die Bibel stellt und an den Verheißungen, die sie macht.
Wir wissen, wie wahrhaft menschlich die Bibel ist, und wir fragen uns, ob sie auch völlig göttlich ist. Wir hinterfragen, ob Adam und Eva wirklich die Eltern der gesamten menschlichen Weltbevölkerung waren. Können wir die biblische Lehre mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen unserer Zeit in Einklang bringen? Unsere Kultur kämpft mit der Sexualethik der Bibel, und vielleicht tun wir das auch, wenn es um biologisches Geschlecht, soziales Geschlecht und die Definition der Ehe geht. Hat die Bibel Recht, wenn es um die Unantastbarkeit des Lebens innerhalb und außerhalb des Mutterleibs geht? Ist sie für oder gegen Frauen? Hat sie eine rechtschaffene Auffassung von Gerechtigkeit? Gibt sie uns eine echte Perspektive auf die grundlegende Einheit und die ewige Vielfalt der Menschheit? Ist es wirklich wahr, dass unsere Körper wieder auferstehen werden und wir alle vor Gottes Richterstuhl stehen werden?
Angesichts solcher Fragen und Einwände glauben (!) viele Skeptiker, die Bibel sei „wissenschaftlich unmöglich, historisch unzuverlässig oder kulturell rückständig“.[1] Die meisten von uns können das nachvollziehen. Wenn wir die Bibel aufmerksam lesen, stoßen wir irgendwann auf etwas, das wir nur schwer akzeptieren können, oder vielleicht fällt es uns sogar schwer, überhaupt zu glauben. Die Frage ist nun folgende: Was sollen wir tun, wenn wir zweifeln?
Als Antwort darauf können wir einige praktische Schritte gehen, die unser Vertrauen in das Wort Gottes wachsen lassen.
1. Eine realistische Perspektive einnehmen
Erstens sollten wir uns eingestehen, dass wir keine neutralen Leser sind, sondern als Menschen dazu neigen, dem, was Gott sagt, keinen Glauben zu schenken. Das ist eine der traurigen Folgen der ersten verhängnisvollen Übertretung der Menschheit. Sobald Adam und Eva von der verbotenen Frucht gegessen hatten, versteckten sie sich vor Gott – ein deutliches Zeichen dafür, dass sie nicht mehr eins mit seiner göttlichen Heiligkeit waren. Gott rief Adam zu und fragte: „Wo bist du?“ (1Mose 3,9). Die Frage zeigt uns, dass sich der erste Mensch von Gott entfernt hatte. Nun hat Adams Sünde noetische Auswirkungen auf uns alle, d.h. sie verzerrt unser geistliches Denken. Für das gefallene menschliche Herz ist Zweifel natürlicher als echter Glaube. Der Theologe Lesslie Newbigin erinnert uns daran: „Wir suchen nicht ehrlich nach der Wahrheit. Wir haben uns von ihr entfremdet und sind ihr gegenüber feindlich gesinnt.“[2] Wenn das stimmt, dann müssen wir unsere Zweifel anzweifeln und auch unserer Skepsis gegenüber skeptisch bleiben.
2. Das Wort studieren
Zweitens: Wir können die Heilige Schrift immer weiter studieren. Wenn wir das tun, werden wir herausfinden, wie zuverlässig sie ist. Die Bibel ist der mit Abstand am besten überlieferte Text der antiken Welt. Wir haben mehr gut erhaltene Manuskripte von den Schriften des Alten und Neuen Testaments als von jedem anderen Geschichtsbuch oder heiligen Text aus der gleichen Zeit. Wir wissen, was die Bibel sagt.
Die Tendenz der Wissenschaft heute ist es, die biblische Geschichtsschreibung eher zu bestätigen als zu leugnen. Um ein bemerkenswertes Beispiel zu nennen: Früher zweifelten einige Gelehrte an der geschichtlichen Existenz Davids, obwohl alle biblischen Beweise vom Gegenteil zeugten. Diese Zweifel wurden endgültig ausgeräumt, als Archäologen 1993 in Tel Dan ein steinernes Artefakt entdeckten. Darauf war auch die Inschrift „Haus David“ zu lesen. Damit war bewiesen, dass Davids Herrschaft keine Erfindung der Bibel, sondern ein in Stein gemeißelter Fakt war. Ein weiteres Beispiel ist Lukas’ Behauptung, Jesus sei geboren worden, „als Quirinius Statthalter von Syrien war“ (Lk 2,2). Einige Gelehrte behaupteten früher, dass die Zeitrechnung von Lukas ungenau sei. Doch als immer mehr Informationen verfügbar wurden, stellte sich heraus, dass Lukas mehr über die Statthalterschaft des Quirinius und seine Volkszählungen in der römischen Welt wusste als diese Gelehrten.[3]
Wenn wir Zweifel haben, müssen wir die Bibel mehr studieren, nicht weniger. Wir müssen sie aufschlagen, nicht beiseitelegen. Die Gesamtauslegung der Bibel ermutigt uns, weiter nach den Antworten zu suchen, damit wir mit der Zeit zu einem besseren Verständnis der Wahrheit gelangen können. Wenn wir weise sind, werden wir die Geheimnisse akzeptieren, mit den Schwierigkeiten ringen, mit den Fragen leben und auf die Antworten warten, während wir das Wort Gottes weiter studieren.
3. Der Wahrheit nachspüren
Drittens können wir erkennen, dass die Bibel die pure Wahrheit enthält. Wenn wir zweifeln, ist es leicht, uns zu sehr auf jene Dinge zu konzentrieren, die wir für Probleme halten. Dann übersehen wir jedoch die unverkennbaren Zeichen der biblischen Authentizität.
Es gibt viele Erzählungen, die wir in der Bibel nicht erwarten würden. Doch sie zeigen, wie ehrlich und wahrheitsgetreu die Bibel auch schwierige Themen repräsentiert. Beispielsweise würden wir nicht erwarten, dass so viele Helden des Glaubens – ja, eigentlich fast alle – so viele ihrer Schwächen auf den Seiten der Schrift offenbaren. Es ist schwer vorstellbar, dass eine so wichtige Führungspersönlichkeit wie Petrus in den heiligen Texten der Kirche so schlecht wegkommt, außer er selbst hätte darauf bestanden, dass seine Unwissenheit, seine Feigheit und sein Verrat genauestens festgehalten werden.[4] Die beste Erklärung für diese unvergleichliche Offenheit ist, dass die Autoren der Heiligen Schrift die Wahrheit über sich selbst sagten, weil sie wollten, dass wir die Wahrheit über Gottes Barmherzigkeit und Gnade kennen.
Etwas Ähnliches könnten wir auch über Jesus von Nazareth sagen – natürlich nicht über seine Sünden, denn er hat keine Sünde begangen, aber über einige erschreckende, zutiefst menschliche Fakten in seiner Biografie. Warum sollte die Bibel jemals von seinem geistlichen Kampf im Garten Gethsemane sprechen oder verkünden, dass er wie ein gewöhnlicher Verbrecher gekreuzigt wurde oder seine Worte der Verzweiflung am Kreuz aufzeichnen, wenn diese Dinge nicht tatsächlich geschehen sind? Selbst wenn wir noch Zweifel an bestimmten Teilen der Heiligen Schrift haben, sollten wir anerkennen, dass kein verkünftiger Einwand ihre primären historischen Behauptungen widerlegen kann.
C.S. Lewis erkannte in der Bibel eine große Realität und eine Liebe zum Detail, die mit nichts anderem in der Literatur der antiken Welt vergleichbar ist. Dies überzeugte ihn davon, dass ihre Verfasser die Wahrheit sagten. Lewis schrieb:
„Ich habe mein Leben lang Gedichte, Novellen, visionäre Dichtungen, Legenden, Mythen gelesen. Ich weiß, was sie sind. Ich weiß, daß keines von ihnen so aussieht. Über diesen Text sind nur zwei Ansichten möglich: Entweder handelt es sich um Berichterstattung, die sich – wenn sie auch zweifellos Irrtümer enthalten kann – ziemlich eng an die Tatsachen hält; fast so eng wie Boswell. Oder dann hat irgendein namenloser Schriftsteller des zweiten Jahrhunderts, von dem man weder Vorläufer noch Anhänger kennt, plötzlich die ganze Erzähltechnik des modernen realistischen Romans vorweggenommen. Wenn das Johannesevangelium nicht wahr ist, dann muß es eine Erzählung dieser Art sein.“[5]
4. Zur Tat schreiten
Viertens können wir tun, was die Bibel sagt. Das stellt natürlich eine lebenslange Herausforderung für uns alle dar. Manche Menschen, die an der Glaubwürdigkeit der Bibel zweifeln und ihr skeptisch gegenüber gesinnt sind, wollen erst herausfinden, ob die Bibel wahr ist und dann vielleicht anfangen, ihre Lehren zu befolgen. Aber das Erste, was Jesus zu Andreas, Petrus und den anderen Jüngern sagte, war: „Kommt, folgt mir nach!“ (Mt 4,19 LUT). Dann setzte er sich zu ihnen und lehrte sie, was sie wissen mussten (siehe Mt 5,2 ff.). Tun und Glauben gehören zusammen. Ja, wir glauben nicht wirklich an Jesus, wenn wir nicht anfangen, ihm zu folgen. Je länger ich lebe, desto wahrhaftiger wird die Bibel – nicht nur, weil ich Antworten auf alle meine Fragen bekomme, sondern auch, weil ich ihre Wahrheit durch einen lebenslangen Glauben geprüft habe. Durch das Leben in der biblischen Lehre, lernen wir die Hoffnung und Schönheit der Bibel kennen.
5. Ins Gebet gehen
Fünftens: Wir können um die Hilfe des Heiligen Geistes beten. Wir brauchen die Hilfe Gottes, um seinem Wort zu glauben. Eine der wichtigsten Aussagen, die die Bibel über sich selbst macht, ist, dass sie von Gott, dem Heiligen Geist, „eingegeben“ wurde (2Tim 3,16; vgl. 2Petr 1,21). Der Geist Gottes ist kein subjektives Gefühl, sondern eine lebendige, übernatürliche Person – jemand, der die göttliche Macht hat, unseren Verstand und unser Herz in der Wahrheit der Heiligen Schrift zu bestätigen. Johannes Calvin hat in seiner berühmten Institutio sehr schön über das Wirken des Geistes geschrieben:
„Das Zeugnis des Heiligen Geistes ist besser als alle Beweise. Denn wie Gott selbst in seinem Wort der einzige vollgültige Zeuge von sich selber ist, so wird auch dies Wort nicht eher im Menschenherzen Glauben finden, als bis es vom inneren Zeugnis des Heiligen Geistes versiegelt worden ist. Denn derselbe Geist, der durch den Mund der Propheten gesprochen hat, der muß in unser Herz dringen, um uns die Gewißheit zu schenken, daß sie treulich verkündet haben, was ihnen von Gott aufgetragen war.“[6]
6. Nicht aufgeben
Sechstens: Wenn wir Zweifel an der Bibel haben, sollten wir uns weigern, zu früh aufzugeben. Ich sage das auch deshalb, weil unser ewiges Schicksal davon abhängt. Nur die Heilige Schrift ist in der Lage, uns „weise zu machen zur Rettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist“ (2Tim 3,15). Aber ich sage es noch mehr, weil ich weiß, dass Gott uns mit einem wachsenden Glauben segnen will, der zu voller Gewissheit führt. Er möchte für uns dasselbe Gebet erhören, das der Apostel Paulus für die Kolosser gesprochen hat, nämlich dass unsere „Herzen gestärkt und verbunden werden ... zu allem Reichtum an der Fülle der Einsicht, zu erkennen das Geheimnis Gottes, das Christus ist“ (Kol 2,2 LUT).
Wenn wir durch die Gnade Gottes volles Vertrauen in sein Wort haben, können wir Gottes völlige Zuverlässigkeit und ewig rettende Kraft bezeugen. „Man kann der Bibel vertrauen“, schreibt Timothy George, „da sie aus sich selbst heraus völlig zuverlässig ist: Ihre Geschichte ist historisch, ihre Wunder sind wunderbar, und ihre Theologie ist die göttliche Wahrheit.“[7]
1 Timothy Keller, Warum Gott? Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit, 8. Aufl., Gießen und Basel: Brunnen, 2017, S. 129.
2 Lesslie Newbigin, Proper Confidence: Faith, Doubt, and Certainty in Christian Discipleship, Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1995, S. 69.
3 Mehr zu Quirinius siehe Leon Morris, The Gospel according to St. Luke: An Introduction and Commentary, Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1974, S. 82–83 und Norval Geldenhuys, The Gospel of Luke, Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1951, S. 100.
4 Richard Bauckham, Jesus and the Eyewitnesses: The Gospels as Eyewitness Testimony, Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2006, S. 170-178, zitiert in: Timothy Keller, The Reason for God : Belief in an Age of Skepticism, New York: Penguin Books, 2009, S. 105.
5 C.S. Lewis, Gedankengänge: Essays zu Christentum, Kunst und Kultur, Basel: Brunnen (Fontis), 1986, S. 214.
6 Johannes Calvin, Christliche Glaubenslehre: Erstausgabe der Institutio von 1536. Nach der ersten Ausgabe von 1536 übersetzt von Bernhard Spiess, bearbeitet und neu herausgegeben von Thomas Schirrmacher, Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft, 2008, I.7.4.
7 Timothy George, „What We Mean When We Say It’s True“, Christianity Today, 23. Oktober 1995, online unter: https://www.cslewisinstitute.org/wp-content/uploads/What-We-Mean-When-We-Say-Its-True-George.pdf (Stand: 11.03.2025).