Als ich plötzlich nicht mehr Pastor sein konnte

Lektionen eines Pastors, den die Gesundheit ausbremste

Artikel von John Erickson
21. Februar 2025 — 9 Min Lesedauer

Ich bin mir sicher, jeder Pastor träumt von einem langjährigen, treuen und fruchtbaren Dienst.

Bei der letzten Together for the Gospel-Konferenz (dt. „Gemeinsam für das Evangelium“) hatte ich Tränen in den Augen, als Mark Dever die Pastoren bat aufzustehen, die über mehrere Jahrzehnte im Dienst waren. Ich wollte einer dieser Pastoren werden und wollte nichts lieber, als die Gemeinde zu leiten, die wir 2009 gegründet hatten. Die Gemeinde befindet sich in dem Ort, in dem ich aufgewachsen war, ganz in der Nähe meiner alten Schule.

Aber Gott hatte andere Pläne.

Das Jahr 2020 war vielerorts ein schweres, aber zu sehen, wie unsere Stadt Minneapolis in Flammen aufging, machte es für unsere Gemeinde besonders herausfordernd. Es wurde ein Jahr der Notfallseelsorge. Todesfälle in der Familie verstärkten die Belastung und Ende des Jahres brach ich gesundheitlich zusammen. Ich wurde bettlägerig und die Ärzte wussten keinen Rat.

Über ein Jahr lang wurde es nicht besser und ich konnte nicht arbeiten. Ich wurde nicht wieder gesund und musste zurücktreten.

Ich war überrascht von dieser Feuerprobe. Ich wusste nicht, ob ich wieder gesund werden würde, ich wusste nicht, wie ich wieder gesund werden würde. Wie sollte ich meine Familie versorgen?

In seiner Gnade stellte Gott meine Gesundheit wieder her, aber erst als ich kein Pastor mehr war. Also begann für mich ein neues Kapitel, in dem ich andere Männer beim Predigen zuhörte.

Hier sind sechs Lektionen, die dir Kraft geben sollen, wenn deine Feuerprobe kommt.

1. Zuerst Kind, dann Pastor

Fast jedes Gespräch, das ich mit Pastoren führe, dreht sich schnell um das Leid, das sie erleben. Die Schrift sagt uns, dass wir von Feuerproben nicht überrascht sein sollen, doch genau das war ich.

Es fühlt sich seltsam an, nicht mehr Pastor zu sein – nicht mehr Pastor John zu sein und Woche für Woche Gottes Wort zu predigen, sondern anderen zuzuhören. Aber diese Umstellung kommt auf uns alle zu. Und wenn sie da ist, kämpfen wir mit der Frage, wer wir sind. Der Pastorendienst bestimmt maßgeblich, wie wir uns sehen.

Für mich war es ein Prozess, immer tiefer und tiefer in der Erkenntnis zu wachsen, dass ich zuallererst Gottes Kind war, noch bevor ich Pastor für ihn war. Unser großer Gott ist mit uns. Er bahnt seinen Kindern den Weg. Als ich sonst nicht viel tun konnte, versuchte ich, neue Hymnen zu lernen. Eine, die sehr wertvoll für mich geworden ist, heißt Durch herrliche Auen.

Durch herrliche Auen, so blühend und licht, bahnt Gott seinen Kindern den Weg.
Wenn Sorge uns drückt, uns Satan erscheint, bahnt Gott seinen Kindern den Weg. In ihm sind wir Sieger! Im Kampf mit dem Feind, bahnt Gott seinen Kindern den Weg.
Er führt durch Wasser, durch tiefe Flut, führt dich durch Feuer, dich heilt Jesu Blut. In Not und Trübsal gibt er dir Mut. In Nacht und Grauen ist er deine Hut.[1]

Diese Worte wirken so einfach. Unter vielen Tränen waren sie Balsam für meine Seele. Ich hatte mit dieser Umstellung zu kämpfen. Der Pastorendienst bestimmt nicht, wer wir sind. Es ist eine wundervolle Rolle, aber ob wir Pastoren sind oder nicht, wir sind seine Kinder und er ist unser gütiger Vater.

2. Freude im Ausharren

Im Leiden werden vertraute Verse auf neue Weise herausfordernd: „Meine Brüder, achtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen geratet“ (Jak 1,2). Kein Pastor sein zu können, andere nicht mehr versorgen zu können, nicht zu wissen, wie ich wieder gesund werden sollte – oder ob ich das überhaupt würde – waren Dinge, bei denen es mir schwerfiel, sie als Freude zu betrachten. Aber als ich Morgen für Morgen in die Gegenwart unseres guten Vaters kam, lehrte er mich sanftmütig den nächsten Vers: „[D]a ihr ja wisst, dass die Bewährung eures Glaubens standhaftes Ausharren bewirkt“. Was bewirkte Gott? Ausharren.

Was ist Ausharren? Es ist ein Begriff aus dem Militär, der bedeutet, fest zu stehen, nicht nach links oder rechts abzuweichen, nicht aufzugeben oder zu kapitulieren, hinzuschmeißen oder wegzulaufen. Als ich über das Ziel meines Lebens nachdachte, wusste ich: Einer meiner sehnlichsten Wünsche war, in meinen letzten Tagen wie Paulus zu sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt“ (2Tim 4,7). Gott wollte, dass mein Ausharren durch diese Prüfung wächst.

Inmitten meiner langen Krankheit stand ich eines Tages neben meinem zwei Meter großen Sohn in einem See, als er sich taufen ließ. Der erste Satz seines Zeugnisses traf mich tief in meinem Inneren: „Zu sehen wie mein Vater durch diese Zeit des Leidens geht, hat mir klar gemacht, wie wichtig der Glaube an Christus ist.“ In dem Moment wurde mir klar, dass Gesundheit nicht mein größtes Bedürfnis ist.

3. Die Predigt segnet den demütigen Zuhörer

Es ist eine große Ehre, Christus zu verkündigen. Wir verfügen über die Worte des Lebens. Was für eine große Aufgabe, Verkündiger solcher Worte zu sein. Bleibe fest darin, Christus zu verkündigen. Wenn andere Gläubige dir mit Tränen in den Augen dafür danken, dass du ihnen Christus vor Augen gemalt hast, ist das eine unaussprechliche Ehre. Wenn du das nicht länger tun kannst, wird dir umso deutlicher, dass du ein Verwalter Christi bist – und das für eine bestimmte Zeit.

Wir haben diesen Dienst durch die Gnade Gottes. Unser großer Gott braucht niemanden von uns, aber in seiner Güte lädt er uns ein, am bedeutsamsten Sieg der Geschichte teilzuhaben. Es ist eine große Freude, wenn deine Gemeinde sich gesund entwickelt und in der Freude wächst, und es macht einen demütig, wenn sie das auch ohne dich tut. Unser Dienst ist nicht unwichtig, aber es ist Jesus, der seine Gemeinde baut, ob mit oder ohne uns.

Es macht demütig, nicht mehr der Prediger zu sein. Und dennoch: Wenn wir Woche für Woche der Lehre anderer Männer zuhören, hören wir das Wort Gottes. Ich musste lernen, meine Kritik herunterzuschrauben und stattdessen zuzuhören als einer, der von Gott durch sein Wort angesprochen wird. Der Weg der Demut ist der, auf dem Gott Gnade schenkt.

4. Was Gott tut, das ist wohlgetan

In der Feuerprobe, wenn unsere Gebete unbeantwortet bleiben, wenn harsche Kritik kommt, ruhen wir in der mächtigen zeitlosen Wahrheit: Was Gott tut, das ist wohlgetan.

Es gibt Dinge, die wir einfach nicht verstehen. Aber wir kennen Gott und wissen, dass er sie versteht. Wir brauchen nicht auf jede Frage eine Antwort, aber wir brauchen die Gewissheit, dass unser Vater gut ist, dass er herrscht und regiert, und dass er für immer bei uns sein wird.

Im Jahr 1675 schrieb Samuel Rodigast folgende Worte:

Was Gott tut, das ist wohlgetan;
es bleibt gerecht sein Wille.
Wie er fängt meine Sachen an,
will ich ihm halten stille.
Er ist mein Gott, der in der Not
mich wohl weiß zu erhalten;
drum lass ich ihn nur walten.
Was Gott tut, das ist wohlgetan.
Muss ich den Kelch gleich schmecken,
der bitter ist nach meinem Wahn,
lass ich mich doch nicht schrecken,
weil doch zuletzt ich werd’ ergötzt
mit süßem Trost im Herzen;
da weichen alle Schmerzen.

Möge unser Vater uns darin stärken, in diesen grundlegenden Wahrheiten zu ruhen.

5. Gemeinschaft mit Gott ist den Kampf wert

Das Pastorendasein ist eine grundlegend öffentliche Aufgabe. Viele hören dir Woche für Woche zu. Sie sprechen mit dir. Sie kennen dich. Es ist seltsam, wenn das aufhört. Jetzt bist du Zuhörer. Du hörst zu, statt zu sprechen. Aber an diesem verborgenen Ort hören wir die Worte aus Matthäus 6 wie ein wiederkehrendes Echo: „Dein Vater, der ins Verborgene sieht.“

Ich lerne immer mehr, was es heißt, ein Leben mit meinem Vater im Verborgenen zu leben – kein sündhaftes Abschotten, aber ein Leben coram deo – vor dem Angesicht Gottes. Warte damit nicht bis nach deinem Pastorendienst. Gib dich jetzt hin. Unser Vater lädt uns ein, tiefe Gemeinschaft mit ihm zu haben.

Für diese Gemeinschaft müssen wir kämpfen. Howard Hendricks untersuchte vor einigen Jahren den Weg von Pastoren, die durch einen moralischen Fehltritt zu Fall gekommen waren. Er entdeckte, dass sie alle eines gemeinsam hatten, nämlich dass sie ihre persönliche Stille Zeit im Wort Gottes aufgegeben hatten. Sie schlugen die Bibel nur auf, um sich vorzubereiten. Hudson Taylor sagte mal:

„Gemeinschaft mit Christus erfordert, dass wir zu ihm kommen. Über seine Person und sein Werk nachzusinnen erfordert die fleißige Verwendung der Gnadenmittel und besonders das betende Lesen seines Wortes. Viele scheitern, weil sie eine Gewohnheit daraus machen, zu fasten statt zu essen.“

Brüder, es mag offensichtlich klingen, aber der Feind wird nie aufhören, zu versuchen, euch mit allem Möglichen abzulenken. Ich bete um ein Herz nach Psalm 105,4: „Fragt nach dem HERRN und nach seiner Macht, sucht sein Angesicht allezeit!“

6. Lieber im Himmel verzeichnet, als gebraucht auf Erden

Brüder, wie großartig ist es, Pastor zu sein. Was für eine Freude, von Gott über die Maßen gebraucht zu werden. Aber es gibt etwas noch Bedeutsameres. Wir können von Martin Lloyd-Jones und Tim Keller lernen. In seiner letzten E-Mail an John Piper erinnerte sich Keller daran, dass der letzte Bibeltext, an dem Lloyd-Jones sich genährt hatte, Lukas 10,20 war: „Doch nicht darüber freut euch, dass euch die Geister untertan sind; freut euch aber lieber darüber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“

Brüder, Erfolg im Dienst ist eine großes Geschenk, aber noch besser ist: Unsere Namen sind im Himmel geschrieben. Durch Leid richten wir unseren Blick auf die Herrlichkeit, die kommt – und was für eine Herrlichkeit das sein wird! Freue dich mit Lloyd-Jones, Keller und König Jesus bei allem, was du durchmachst, dass unsere Namen im Himmel geschrieben sind.


1 George A. Young: „God Leads Us Along“, 1903; dt. Übersetzung: Wolfgang Zorn.

2 Samuel Rodigast: „Was Gott tut, das ist wohlgetan“, 1675.