Disziplin – Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts

Rezension von Markus Depner
6. Februar 2025 — 6 Min Lesedauer

Zum Neujahr steckt man sich gerne Ziele. Um diese auch zu erreichen, also um Erfolg zu haben, braucht es Disziplin. Diese Kompetenz ist laut Jim Rohn ja bekanntlich die Brücke zwischen Zielen und Erfolg. Ursula Günster-Schöning und Isabella Gölles möchten die Disziplin als zentrale Zukunftskompetenz hervorheben und hegen die Hoffnung, dass diese wieder verstärkt in den Fokus pädagogischer Arbeit gerückt wird. Ihr Buch Disziplin – Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts ist als Impulsbuch und Reflexionshilfe für Lehrer, pädagogische Fachkräfte und Eltern gedacht, die eine entscheidende Rolle dabei spielen, Kindern bei der Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen wie Willensstärke, Selbstdisziplin oder Anstrengungsbereitschaft zu helfen.

Kurzer inhaltlicher Abriss

Das leicht verständliche Buch gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil befasst sich ganz allgemein mit der Disziplin aus einer übergeordneten Perspektive. Die historische Entwicklung dieser Kompetenz wird geschildert, die Werte, die zur Disziplin gehören, werden näher ausgeführt und Disziplin wird als Grundstein für einen erfolgreichen Lebenspfad thematisiert. Dabei war spannend zu sehen, wie es dazu kommen konnte, dass Disziplin in der Gesellschaft einen schlechten Ruf hat und eher in die „Schmuddelecke“ der Erziehung geraten ist.

Der zweite Teil betrachtet Disziplin dann in verschiedenen Bereichen, wie zum Beispiel in der Resilienzentwicklung, im Gesundheitswesen oder auch in Bezug auf Effizienz. Insbesondere thematisieren die Autorinnen hier die Bedeutung von Fleiß, Stärke, Mut, der Bereitschaft sich anzustrengen, Willenskraft und den Umgang mit Rückschlägen. Sie stellen den Vorteil und die Notwendigkeit der Disziplin in den verschiedensten Bereichen so überzeugend dar, dass es mich wundern würde, wenn Eltern, Lehrkräfte oder Pädagogen Disziplin nicht als eine der entscheidenden Kompetenzen für Kinder ansehen würden.

Teil drei fokussiert dann verstärkt darauf, wie Disziplin in positiver Weise in unserem Leben integriert werden kann. Die Autorinnen zeigen auf, wie Disziplin erlernt werden und inwiefern die Pädagogik Anregungen aus dem Leistungssport aufnehmen kann, um diese Kompetenz Kindern und Jugendlichen zu vermitteln. In jedem Kapitel sind auch Reflexionsfragen, Praxisbeispiele, Tipps und Einladungen zu einer Schreibaufgabe eingeflochten, sodass man genügend Anregungen dafür findet, das Buch gewinnbringend durchzuarbeiten.

Was verstehen die Autorinnen unter Disziplin?

An einigen Stellen liefert das Buch eine knappe Definition von Disziplin. Eine solche repräsentative Definition lautet: „Disziplin bezieht sich auf die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren, Regeln und Standards einzuhalten und die nötige Kontrolle über sich selbst zu haben, um Ziele zu erreichen“ (S. 29). Es ist eine innere Kraft des Menschen, sich selbst, seine Neigungen und seine Triebe zu kontrollieren sowie seine Aufmerksamkeit etwa auf eine Aufgabe zu lenken, ohne sich ständig abzulenken. Disziplin ermöglicht es einem, auch unangenehme und schwierige Aufgaben zu meistern, wenngleich das bedeutet, dass man Dinge tut, die unbequem sind. Das ist eine Kompetenz, die für Kinder essentiell ist, wenn diese ihre Ziele erreichen, Ressourcen effizient nutzen und erfolgreich sein wollen, wie die Autorinnen bestrebt sind auszuführen. Sie möchten sich bei ihrem Verständnis von Disziplin bewusst von der „alten Definition“ abgrenzen, die eher auf Ordnung, Gehorsam und Einhalten von Regeln abgezielt hat. Sie sind zwar überzeugt, dass es zur Disziplin dazugehört, sich an Regeln zu halten, möchten diese aber nicht darauf reduzieren. Ihnen ist wichtig, dass Kinder zu Individuen erzogen werden, die tatsächlich selbstreguliert sind und es nicht nur schaffen, Regeln von außen zu befolgen.

Wie kann man Kindern das beibringen?

Das Buch ist glücklicherweise an vielen Stellen sehr konkret, sodass man einiges für die eigene Praxis als Lehrer, Erzieher oder Elternteil mitnehmen kann. Damit Kinder diszipliniertes Verhalten lernen, müssen Eltern oder pädagogische Fachkräfte zunächst natürlich selbst diszipliniert sein und ihnen diese Kompetenz vorleben. Wenn die Eltern beispielsweise regelmäßig lesen oder Sport treiben, so wirkt sich das natürlich auch stark auf die Kinder aus.

Den Autorinnen ist darüber hinaus wichtig zu betonen, dass man Kinder dazu ermutigt, sich Ziele zu setzen und diese zu verfolgen. Auch soll man sie für ihre Leistungen würdigen, ohne sie aber gleichzeitig über alle Maßen hinaus für alles zu loben, was sie tun. Kinder dürfen auch mal hören, dass sie etwas nicht so gut gemacht haben. Die Autorinnen fordern auch dazu auf, Spiele mit Kindern zu spielen, in denen sie verlieren können und in denen nicht alle immer nur Gewinner sind. Schließlich gehören zu einem disziplinierten und erfolgreichen Leben immer auch Rückschläge, Frust und Enttäuschung dazu, was für Kinder unheimlich wichtig zu lernen ist. Auch soll man Kindern Dinge zumuten, die herausfordernd, anstrengend und manchmal schweißtreibend sind.

Ein Mehrwert für die Gesellschaft

Vieles von dem, was die Autorinnen ausführen, scheint mancherorts an pädagogischen Ausbildungsstätten ein Tabuthema zu sein – geht es doch häufig um Schülerzentriertheit, um Selbstverwirklichung, um Selbstbestimmung und darum, dass Kinder keinesfalls dem Leistungsdruck ausgesetzt werden. Mit großem Mut und unbeirrter Klarheit legen die Autorinnen aber genau dort den Finger in die Wunde, wo es in unserer Gesellschaft spürbar eine ungesunde Entwicklung gegeben hat: Auszubildende sind häufig heillos selbstüberschätzt und kritikunfähig; junge Menschen sind immer öfter sehr unverbindlich und machen viel zu schnell auf der Arbeit „krank“, wenn es mal unbequem wird; eine immer größer werdende Zahl an Jugendlichen weist narzisstische Züge auf etc. Es ist ein wirklicher Mehrwert für die Gesellschaft, dass die beiden Autorinnen den Wert, die Vorteile und die Notwendigkeit von Disziplin hervorheben. Wie sie selbst betonen: „[Disziplin] ist wichtig, für unsere Kinder, unsere Zukunft, unser Land!“ (S. 174).

Stärken und Schwächen des Buches

Trotz der vielen guten Inhalte schien mir das Buch stellenweise etwas redundant zu sein. Obwohl Wiederholungen nützlich sind, wurden manche Dinge einfach zu oft gesagt. Auch fehlte mir beim Lesen der teilweise sehr kurzen Kapitel bisweilen eine zusammenhängende Argumentation oder der rote Faden, und auch die gegenderte Sprache schränkte meinen Lesegenuss etwas ein.

Wie nicht anders zu erwarten hat dieses Buch nicht zum Ziel, Menschen in der Heiligung voranzubringen. Die Disziplin wird von den Autorinnen schlicht als etwas angesehen, das den betreffenden Menschen und auch der Gesellschaft Erfolg bringt. Das ist sicherlich auch für uns als Christen eine begrüßenswerte Sache, doch sollten wir die Disziplin aus größerer Perspektive betrachten: Wir wollen Versuchungen nicht nur widerstehen, weil sie uns hindern können, späteren Erfolg zu haben, sondern weil wir die Werke des Fleisches nicht vollbringen möchten (vgl. Gal 5,16). Sicher können wir als Christen viel von Menschen lernen, die sich mit Tugenden wie der Disziplin auseinandersetzen, die auch für uns Christen wichtig sind. Dabei dürfen wir aber nicht den größeren Kontext außer Acht lassen, dass nämlich alles zur Ehre unseres Gottes geschehen soll (vgl. 1Kor 10,31) und nicht einfach nur, um ein gelingendes Leben zu garantieren. Dennoch ist es ein nützliches Buch, das ich gewinnbringend gelesen habe.

Buch

Ursula Günster-Schöning und Isabella Gölles, Disziplin – Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts: Ein Impulsbuch, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2024, 183 Seiten, 25 EUR.