„Lass uns tauschen

Wozu uns Jesus beim Abendmahl einlädt

Artikel von Gerritt Scott Dawson
17. Januar 2025 — 9 Min Lesedauer

Das Abendmahl offenbart eine bemerkenswerte Wahrheit: Jesus nimmt das Schlimmste, zu dem wir fähig sind, und verwandelt es in ein Zeichen des Besten, das er für uns tut. Nur wenige Stunden nach der Einsetzung dieses Mahls im Obergemach wurde der Leib Jesu tatsächlich geopfert und sein Blut vergossen. Diese schreckliche Tragödie vollbrachte unsere glorreiche Erlösung.

Von Anfang an erinnerten sich die ersten Christen an diesen Moment und institutionalisierten ihn im gemeinsamen Gottesdienst. Nur zwei Jahrzehnte nach Jesu Tod gab Paulus weiter, was ihm als allgemeines Verständnis überliefert worden war: „Denn sooft ihr dieses Brot esst und diesen Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (1Kor 11,26). Im Abendmahl wird uns die Kraft des rettenden Todes Jesu zuteil, den wir mit unserer Teilnahme am Mahl zugleich auch verkündigen – beides sollte uns ergreifen und mitreißen.

Das umstrittene Mahl

Manchmal entsteht in Bezug auf das Abendmahl jedoch auch Verwirrung. Wir können so leicht den Sinn dieser Praxis verfehlen, die Jesus seinem Volk gegeben hat. Der freudige Ausdruck unserer Einheit mit Christus und untereinander wird durch Streitfragen belastet.

Zum Beispiel rätseln wir darüber, was mit den Elementen geschieht. Bei Jesu Worten „Das ist mein Leib“ (Mt 26,26; 1Kor 11,24) fragen wir uns, wie wörtlich er das gemeint hat. Wir machen uns auch Gedanken darüber, wer am Abendmahl teilnehmen darf. In meiner Tradition gibt es Geistliche, die (so scheint es) mehr Zeit darauf verwenden, darüber zu reden, wer nicht daran teilnehmen darf, anstatt die Gläubigen tatsächlich einzuladen, sich an dem lebensspendenden Geheimnis des Mahls zu erfreuen.

Dann sind da noch all die logistischen Fragen. Wir fragen uns, ob das Brot wie beim Passahfest ungesäuert sein muss. Einige bestehen darauf, dass der Wein gegoren sein muss, während andere darauf beharren, dass Traubensaft ausreicht. Gemeinschaftskelch, einzelne Kelche oder Intinktion (Eintauchen des Brotes in den Kelch)? Sollen die Gemeindeglieder nach vorn kommen oder werden Brot und Wein an die Gemeinde verteilt?

Und wenn wir nicht gerade aus einer langjährigen liturgischen Tradition kommen, diskutieren wir über die Häufigkeit. Vierteljährlich, monatlich, wöchentlich? Praktisch gesehen nimmt das Abendmahl Zeit vom Singen und der Predigt weg und kann als lästig empfunden werden. Andere sind besorgt, dass das Abendmahl zur Routine wird, wenn wir es zu oft feiern.

Diese Menge an Fragen kann die Freude dieses kostbaren Sakraments, das Jesus uns geschenkt hat, zunichtemachen. Aber wenn wir diese Kontroversen hinter uns lassen und uns auf das Wesentliche konzentrieren, können wir vielleicht wieder zum lebendigen Herzen des Abendmahls vordringen. Es ist gar nicht so weit weg. Kehren wir einfach zu jener denkwürdigen Nacht zurück und schauen uns an, wie Jesus der Menschheit auf ihrem absoluten Tiefpunkt begegnet: Er macht ihn zum Höhepunkt des erlösenden Heilshandelns des dreieinigen Gottes, in das er die Menschen mit hineinzieht.

Unser Tiefpunkt, sein Höhepunkt

Jesus reicht seinen Jüngern das Brot mit den Worten: „Das ist mein Leib“ (Mt 26,26). Dann teilt er mit ihnen den dritten Kelch des Passahfestes: „Denn das ist mein Blut, das des neuen Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,28). In diesem Moment erhielten die alten Symbole von Brot und Wein eine neue und tiefere Bedeutung: Jesus ging tatsächlich so weit, sich selbst zur Erfüllung des heiligen Passahmahls zu machen. Das Lamm Gottes verpflichtete sich zu einem neuen Bund, der mit seinem Blut besiegelt werden würde. Nur wenige Minuten vor der Verhaftung, die zu seinem Prozess, Folterung und Tod führen sollte, machte Jesus seinen Jüngern beim Mahl sich selbst zum Geschenk.

Jesus warnt sie vor der Schmach der bevorstehenden Nacht, in der sie ihn alle verraten und verlassen werden. Aber im Glanz des Mahls fühlen sich die Jünger mutig: „Petrus spricht zu ihm: Und wenn ich auch mit dir sterben müsste, werde ich dich nicht verleugnen! Ebenso sprachen auch alle Jünger“ (Mt 26,35). Doch Minuten später, als Jesus drei von ihnen bittet, mit ihm zu wachen, während er in seinem Todeskampf betet, kehrt er zurück und findet sie schlafend vor. „Könnt ihr also nicht eine Stunde mit mir wachen?“ (Mt 26,40).

Bald darauf trifft Judas mit den Soldaten ein: „Der ihn aber verriet, hatte ihnen ein Zeichen gegeben und gesagt: Der, den ich küssen werde, der ist’s, den ergreift!“ (Mt 26,48). Wenige Augenblicke zuvor hatten dieselben verräterischen Lippen das Brot gekostet, das Jesus selbst an seine Jünger verteilt hatte. Mit demselben Mund markiert er Jesus für den Tod.

Angesichts des Mobs verblasst die Tapferkeit der engsten Freunde Jesu und verwandelt sich in Angst. „Da verließen ihn alle Jünger und flohen“ (Mt 26,56). Selbst Petrus verkündet mit einem Schwur: „Ich kenne den Menschen nicht“ (Mt 26,74).

Als Jesus seinen Jüngern Brot und Wein reichte, schloss er einen neuen Bund. Dass die Jünger die Einsetzung des neuen Bundes so freudig mitfeierten, unterstrich nur noch ihr gleich darauffolgendes Versagen. Brot und Wein würden sie nun immer daran erinnern, wie sie ihren Herrn in jener Nacht im Stich gelassen hatten. Sie waren nicht imstande gewesen, zu verhindern, dass sein Leib ergriffen und sein Blut vergossen wurde.

Und dennoch: Man kann nicht nehmen, was bereits als Gabe gegeben wurde. Man kann keinen Sieg über einen anderen erringen, der bereits aufgegeben hat. Die Soldaten mögen Jesus ergriffen haben, aber er hatte seinen Willen bereits dem Vater übergeben. Pilatus mag ihn zum Tode verurteilt haben, aber Jesus hatte sich bereits dem dreieinigen Urteil unterworfen, den Tod durch den Tod zu besiegen. In Wirklichkeit waren die Jünger nie die Ursache für irgendetwas. Diese Zeichen des Leidens, des Verrats, des Versagens und des Todes würden sich verwandeln in ewige Zeichen der souveränen Liebe Gottes. Darum geht es beim Abendmahl.

Wunderbarer Tausch

Gleich zu Beginn seiner brillanten Ausführungen zum Abendmahl verbindet Johannes Calvin dieses Sakrament mit dem Kern der Gabe Gottes, die er uns in Jesus gibt. Er vergleicht das, was Jesus durchgemacht hat, mit einem wunderbaren Tausch, bei dem wir die überraschten Gewinner sind:

„Das ist der wundersame Tausch, den er in seiner unermeßlichen Güte mit uns eingegangen ist: er ist uns zum Sohn des Menschen geworden und hat uns mit sich zusammen zu Söhnen Gottes gemacht, er ist zur Erde hinabgestiegen und hat uns dadurch den Weg zum Himmel hinaus gebahnt, er hat unser sterbliches Wesen angenommen und uns dadurch seiner Unsterblichkeit teilhaftig gemacht, er hat sich unsere Schwachheit zu eigen gemacht und uns dadurch mit seiner Kraft gestärkt, unsere Armut hat er auf sich genommen und uns damit seinen Reichtum zugetragen, die Last unserer Ungerechtigkeit, die uns drückte, hat er auf sich selbst geladen und uns dadurch mit seiner Gerechtigkeit bekleidet.“ (Institutio, IV,17.2)

Bei jedem Abendmahl kommen wir an einen Handelsplatz: Wie Jacob Marley in Ein Weihnachtslied in Prosa, der die klirrende Kette seiner Sünden hinter sich herzieht, kommen wir mit unserer Scham und Schuld. Doch am Abendmahlstisch bietet Jesus uns an, diese Ketten zu zerreißen. Er will mit uns tauschen. Er ist bereit, unsere letzte feige Verleugnung und schläfrige Unaufmerksamkeit, unseren offenen Verrat und unsere beschämende und auf die eigene Sicherheit bedachte Flucht auf sich zu nehmen. Er ist und bleibt ein sonderbarer Händler. Kein Vierjähriger, der seinen ledernen Baseballhandschuh gegen ein zerfleddertes Comic-Heft eintauscht, hat je ein scheinbar schlechteres Geschäft gemacht als Jesus. Denn aus dem Gnadenschatz seiner vollkommenen Sühne tauscht Jesus so, dass er uns bekommt.

„Lass uns tauschen“

Kannst du dir Jesus am Abendmahlstisch vorstellen? Seine Augen empfangen dich mit Liebe. Sie sehen alles und fordern dich doch auf, näher heranzutreten. Sein Lächeln öffnet einen Ozean des Mitgefühls. Er spricht mit verblüffend einfachen Worten. „Lass deine Last der Schande hier fallen. Nimm ein Stück meines sich ewig erneuernden Lebensbrots. Gib mir diesen bitteren Kelch der hartnäckigen Unversöhnlichkeit und nimm meinen Kelch. Trinke das Blut, das nicht nur alles bereinigt, was du je getan hast, sondern auch alles, was dir je angetan wurde. Komm, tausche mit mir. Das ist für dich, genau jetzt. Gib mir dein Schlimmstes. Nimm mein Bestes. Nimm mich – und warte nicht. Lass uns tauschen.“

Es geht nicht nur um unsere Sünden. Alles, was uns bedrückt, können wir ihm bringen und abgeben. Beim Abendmahl nährt uns Jesus mit sich selbst, sodass wir alle seine Worte in unserer ganz persönlichen Situation in Anspruch nehmen können. Wir bringen unsere Ängste und hören ihn sagen: „[M]einen Frieden gebe ich euch … [E]uer Herz erschrecke nicht und verzage nicht!“ (Joh 14,27). Wir bringen unsere Unruhe und Prüfungen und hören seine Worte: „Dies habe ich zu euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden!“ (Joh 16,33).

Wir bringen unser Leid, das alle schmerzhaften Abschiede verursachen, woraufhin er sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ (Joh 11,25). Wir nehmen unsere Verzweiflung über den Zustand der Welt und legen sie in seine Hände. Er gibt uns das Brot und den Kelch mit der Verheißung: „Siehe, ich mache alles neu!“ (Offb 21,5). Wir bringen unlösbare Situationen zu dem, „der öffnet, sodass niemand zuschließt, und zuschließt, sodass niemand öffnet“ (Offb 3,7).

Das Herzstück des Abendmahls

Das Herzstück des Abendmahls besteht darin, dass Jesus uns unser Schlimmstes und Schwierigstes – alles, was uns verwirrt und niederschmettert – abnimmt und uns stattdessen sein Bestes gibt: seinen Weg, seine Wahrheit und sein Leben. Denn das Brot offenbart den Sohn Gottes, der sich ganz und gar für uns hingegeben hat. Im Kelch empfangen wir das Blut, das vergossen wurde, um jede Sünde wegzunehmen. Das Wesen des Abendmahls besteht darin, dass Jesus uns im gegenwärtigen Augenblick all das anbietet, was er in seinem fleischgewordenen Leben, seinem Tod, seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt vollbracht hat.

Paulus schreibt: „Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist er nicht [die] Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht [die] Gemeinschaft des Leibes des Christus?“ (1Kor 10,16). Das Geheimnis ist der wunderbare Tausch, in dem uns Jesus immer wieder als sein Eigentum annimmt und sich uns ganz und gar und erlösend hingibt. Das rückt alle anderen Fragen, so wichtig sie auch sein mögen, in die richtige Perspektive.