Die Frankenstein-Predigt

Artikel von Sean DeMars
15. Januar 2025 — 4 Min Lesedauer

Die christliche Blase, in der ich mich bewege, ist evangelikal, reformiert, baptistisch und geprägt von den neun Merkmalen einer gesunden Gemeinde. Wir lieben Lehre und Theologie, wir verpflichten uns rückhaltlos den fünf Solas der Reformation, sind begeistert von der Bedeutung der Ortsgemeinde und so viel mehr. Ich liebe meine Truppe.

Und doch ist keine Truppe perfekt. Sie alle haben ihre Stärken und Schwächen, und so auch meine. Das Ziel dieses Artikels ist – in Liebe, aber mit Nachdruck – ein Problem aufzuzeigen, das ich in unseren Kreisen sehe. Ich nenne diese Schwäche die „Frankenstein-Predigt“.

Eine Frankenstein-Predigt ist eine Predigt, die zwar alle homiletischen Bestandteile einer Auslegungspredigt beinhaltet, der aber die belebende Kraft fehlt, die sie zum Leben erweckt. So wie Wunder und Erkenntnis ohne Liebe tot sind (vgl. 1Kor 13,2), ist eine Auslegungspredigt, so astrein die Homiletik auch sein mag, ohne eine heilige Leidenschaft tot.

Die Tatsache, dass ich mich für mehr Leidenschaft beim Predigen ausspreche, macht einige meiner reformierten Brüder vielleicht etwas nervös. Mehr Leidenschaft, denken sie, führt womöglich zu weniger Genauigkeit. Aber hier geht es nicht um entweder/oder. Wir müssen uns nicht zwischen Leidenschaft und Genauigkeit entscheiden. Wir können beides. Wir brauchen beides. Wir müssen wieder eine Vision entwickeln für die Art des Predigens, die mal als Logic on Fire (dt. etwa „logisches Denkvermögen mit Leidenschaft“) bekannt war.

Ich habe über die letzten Jahre mehrere Predigten von Leuten aus meinen Kreisen gehört, in denen ich alle einzelnen Bestandteile einer guten Predigt erkennen konnte:

  • Durchdachte Einführung und Schlussfolgerung
  • Hilfreiche Veranschaulichungen
  • Gute Struktur
  • Genaue Auslegung
  • Eine Darstellung des Evangeliums, die sich direkt aus der Bedeutung des Bibeltextes ergibt
  • Etc.

Und doch wirken diese Predigten oft … tot. Und das ist ein Problem. Was eine Predigt zur Predigt macht statt zu einer Rede oder einem Vortrag, ist die belebende Kraft heiliger Leidenschaft. Ich meine damit die Leidenschaft von Johannes dem Täufer, der in der Wildnis von Judäa ruft; die Leidenschaft des Stephanus, der seinen mörderischen Anklägern die gute Nachricht des Evangeliums verkündet; die Leidenschaft des Petrus, der aufsteht und vor der verwirrten Menschenmenge an Pfingsten seine Stimme erhebt. Es gibt eine Art biblischer Leidenschaft/Inbrunst/Feuer (wie auch immer man es nennen mag), die in meinen Kreisen oft fehlt, und ich möchte hier den Fehdehandschuh hinwerfen und meine Pastorenbrüder zu mehr Feuer an der Kanzel aufrufen.

Für manche ist die Lösung einfach: auf ihr Manuskript zu verzichten. Ja, ein ausgeschriebenes Manuskript ermöglicht mehr Klarheit bei der Predigtvorbereitung. Und ja, ein ausgeschriebenes Manuskript bewahrt den Prediger davor, während der Predigt etwas Falsches oder Dummes zu sagen. Ein Manuskript hat viele Vorteile. Und ganz offen gesagt, ich predige jeden Sonntag von einem Manuskript. Aber die traurige Tatsache ist, dass viele Prediger einfach nicht gut predigen, wenn sie auf ein Word-Dokument hinunterblicken. Dem Feuer ihrer Predigt geht die Luft aus und dadurch wird aus dem, was eigentlich eine kraftvolle Verkündigung sein sollte, ein Vortrag.

Natürlich müssen wir berücksichtigen, dass nicht jeder die gleiche stimmliche oder emotionale Ausdrucksweise an der Kanzel hat. Nicht jeder Prediger hat den gleichen Körperbau und damit das gleiche Auftreten (und sicher, wir dürfen nicht vergessen, dass alle Pastoren im Laufe ihres Dienstes aus vielen verschiedenen Gründen durch schwierige Zeiten gehen). Aber Leidenschaft kann genauso kraftvoll von einem zierlichen, introvertierten Pastor ausgedrückt werden wie von einer donnernden Dampfwalze. Ich habe es selbst erlebt. Ein kleiner Mann mit einer sanften Stimme kann eine Gemeinde mit der heiligen Inbrunst seiner todernsten Evangeliumsverkündigung völlig in seinen Bann ziehen, auch wenn er nie die Stimme erhebt, mit seinem Fuß aufstampft oder auf die Kanzel haut. Das Problem ist nicht die Lautstärke, sondern die Kraft, Leidenschaft und Ernsthaftigkeit.

Schaut doch mal, worum es eigentlich geht: Wir sind tot in Sünde. Milliarden Seelen sterben und gehen in die Hölle. Aber Gott, in seiner großen Liebe, hat in Jesus für die verlorenen Söhne Adams einen Weg bereitet, um wieder nach Hause zu kommen. Er hat am Kreuz den Tod getötet, hat Satan besiegt, ist auferstanden und sitzt zur Rechten des Vaters in Herrlichkeit, wo wir für immer bei ihm sein werden, wenn wir umkehren und an das Evangelium glauben.

Wenn meine Pastorenbrüder dieses Evangelium vor Augen haben, sollte das deutlich die Art unseres Predigens beeinflussen. Wir sind Botschafter Christi und es ist, als würde er die Menschen durch uns auffordern: „Lasst euch mit Gott versöhnen!“ Also flehe die an, die dich predigen hören, im gleichen Geist wie Jesus, die Apostel und die Propheten damals. Predige, als würdest du auch meinen, was du sagst. Und wenn du nicht meinst, was du sagst, dann hör auf zu predigen.