Genug von mir

Rezension von Ezer
14. November 2024 — 6 Min Lesedauer

Verbum Medien hat kürzlich das Buch Genug von mir veröffentlicht. Darin kritisiert die Autorin Jen Oshman die allgegenwärtige egozentrische Kultur und das „ich-zentrierte“ Evangelium, das sowohl die Gesellschaft als auch die Gemeinde infiltriert hat. Sie argumentiert, dass der Fokus auf die Selbstverwirklichung und Selbsthilfe viele Frauen zur Desillusionierung und Erschöpfung geführt hat, statt ihnen dauerhafte Freude oder Zufriedenheit zu bieten. Verbum möchte u.a. Bücher für Frauen für den deutschen Markt herausbringen, die sie mit dem Wort Gottes und dem Evangelium stärken.

Woher kommt die Krise?

Oshman beginnt mit einer Diagnose der modernen Kultur, die Frauen dazu drängt, sich auf ihr eigenes Glück und ihren Erfolg zu konzentrieren – oft mit Krisen als Folge. „Wo auch immer du dich befindest – als Frau in dieser Zeit kämpfst du wahrscheinlich mit einer Art der Desillusion, Ernüchterung oder Enttäuschung mit dem, was das Leben dir gebracht hat“ (S. 17). Es entsteht eine „Krise des Unglücklichseins“ (S. 18). Warum? „Es läuft nicht nach Plan. Self-made-Frauen zu sein, laugt uns aus“ (S. 24). Obwohl der Feminismus viele Türen für Frauen geöffnet hat, hat das Du-schaffst-das-Mantra Frauen nicht glücklicher gemacht. Oshman zeigt, wie Einflüsse von der Aufklärung bis zur Postmoderne Menschen zur Selbstvergötterung geführt haben. „Mit uns selbst auf dem Thron müssen wir Self-made-Frauen im wahrsten Sinn des Wortes sein: Wir müssen alles hervorzaubern, von dem Sinn des Lebens bis hin zu der Energie und die Fähigkeiten, ihn auszuleben“ (S. 32). Oshman weist auf die psychologischen Lasten dieser egozentrischen Philosophie hin und bemerkt, dass viele Frauen unter Burnout und Unsicherheit leiden, da sie versuchen, unmöglichen Standards zu genügen. Der Fokus auf das Selbst bietet weder Frieden noch Freude.

Wir sind Geschöpfe

In den mittleren Kapiteln des Buches findet man den Kern von Oshmans Argument. Ausgehend von der Heiligen Schrift erklärt die Autorin, dass Gott uns nicht geschaffen hat, damit wir uns mit uns selbst beschäftigen. Vielmehr sind wir Geschöpfe, die in einer liebevollen Beziehung zu ihm und anderen leben und ihn verherrlichen sollen. Sie betont, dass der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen ist und sich unsere wahre Identität und unser Wert aus dieser Tatsache ergeben.

Das Kernproblem ist, dass wir nach dem Sündenfall unser eigener Gott sein wollten. „Viele von uns stehen heute an dieser Stelle. Wir sind beim Sündenfall steckengeblieben. Wir sind von dem Gedanken, dass wir unser eigener Gott sein können, noch nicht weggekommen“ (S. 50). Wir brauchen Erlösung und es ist gut, „an unser Ende zu kommen“ (S. 66), weil es uns zu Christus führt.

Das Evangelium und eine Identität, die in Christus verwurzelt ist

„Die kulturelle Luft, die wir einatmen, sagt uns, dass wir an uns selbst glauben sollen und dadurch gerettet werden. Das wahre Evangelium sagt hingegen: ‚Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig!‘ (Apg 16,3)“ (S. 76). Oft werden Christen aber versucht, ihre „Ich-Zentriertheit“ in die Beziehung zu Jesus hineinzubringen und sie als ein Mittel zum Zweck zu verstehen. Oshman beschreibt diese Art von Beziehung zu Gott als „Fast Food“ (S. 85) und legt falsche Evangelien bloß: das „glaube-an-dich-selbst-Evangelium“, das „Wohlstandsevangelium“ und den „moralisch-therapeutische[n] Deismus“ (S. 90). Diese machen nicht satt. Wir müssen uns „in Christus nähren und dadurch gefestigt werden“ (S. 93).

Hilfreiche Praktiken

Um unseren Geschmack weg vom „Fast Food“ und hin zu Christus umzuschulen, schlägt sie einige Praktiken vor: Das Sündenbekenntnis, das Gebet, das Wort Gottes und die Zugehörigkeit zum Volk Gottes sind alle dazu da, um uns in Jesus zu stärken. Nur durch diese Mittel können Menschen vom Geist Gottes erneuert werden. „Mit Hilfe des Geistes können wir das Objekt unserer Liebe auswechseln. Wenn wir im Evangelium verwurzelt sind, wenn wir unseren Sinn im Evangelium erneuern, dann werden wir durch das Evangelium verändert … So werden wir im Glauben gefestigt und zu der bleibenden Freude geführt, nach der wir uns sehnen“ (S. 119). Jen Oshman erinnert die Leser, dass Gott sie erwählt hat, souverän über ihr Leben ist, und sie gesegnete Kinder der Hoffnung sind.

Die Freude des Opfers und der Hingabe

Oshman präsentiert die paradoxe Wahrheit, die im Zentrum des christlichen Lebens steht: Freude findet man in der Hingabe, und Erfüllung findet man im Opfer: „Jetzt kommt das lebensverändernde Paradoxon des christlichen Lebens …, wenn du und ich … unser Leben als Antwort auf seinen Ruf niederlegen, dann finden wir Freude. Wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s behalten“ (S. 150). Sie untersucht, wie die Bibel wiederholt lehrt, dass wir unser Leben aufgeben, um es zu finden (vgl. Mt 16,25), und dass wir wahre Freude erfahren, wenn wir anderen dienen. Das ist radikal gegenkulturell, besonders in einer Zeit, die Individualismus und persönliche Leistung hochhält. Oshman argumentiert jedoch, dass diese Wahrheit der Schlüssel zu einem wirklich erfüllten Leben ist.

Sie verweist auf das Beispiel Jesu, der ein Leben des aufopferungsvollen Dienstes führte und sein Leben für die Menschheit hingab. Oshman erklärt, dass Christen diesem Beispiel folgen und ein Leben in Liebe und im Dienst an anderen führen sollen. Sie zeigt praktische Wege, wie Frauen dies zu Hause, am Arbeitsplatz oder in der Gemeinde leben können. Statt sich auf ihr eigenes Glück zu konzentrieren, sollen Christen ihre Gaben und Ressourcen zum Wohl anderer und zur Ehre Gottes einsetzen.

Fazit

Oshman präsentiert einen überzeugenden Aufruf, den Fokus von sich selbst auf Christus zu verlagern. Sie schlägt vor, dass wahre Freude und Erfüllung nicht daraus entstehen, dass wir uns selbst dienen, sondern dass wir ein Leben führen, das auf Gott und andere ausgerichtet ist.

Ihr Stil ist locker, leicht verständlich und der Inhalt ist in der Bibel fundiert. Die vielen Beispiele und Geschichten aus der amerikanischen Kultur könnten vielleicht auf den ersten Blick mit dem deutschen Kontext wenig zu tun haben. Für Frauen, die vom gesellschaftlichen Druck geprägt sind, alles sein, tun und leisten zu müssen, wird die Hauptbotschaft, weg von sich und auf Christus zu schauen, jedoch sehr relevant sein.

Die Kernbotschaft des Buches ist sicherlich auch eine Aufforderung für Leiterinnen in der Frauenarbeit in Gemeinden, den Glauben nicht als noch ein Selbstverwirklichungsangebot zu präsentieren, sondern Frauen Jesus klar vor Augen zu malen. Er ruft sie durch seine Liebe und Gnade in die Nachfolge und schenkt ihnen einen völlig neuen Lebenssinn, Frieden und Freude.  Zum Buch gehören am Ende jedes Kapitels Fragen für die persönliche Reflexion oder Gespräche in der Gruppe, die gut in einem Frauenkreis benutzt werden können.

Als Ezer-Team empfehlen wir dieses Buch sehr.

Buch

Jen Oshman, Genug von mir: Freude finden im Zeitalter des Selbst, Bad Oeynhausen: Verbum Medien, 2024, 184 Seiten, 13,90 EUR.
Das Buch kann auch direkt beim Verlag bestellt werden.