Das Zeugnis des Heiligen Geistes

Wie der Geist bezeugt, dass wir wirklich von Gott adoptiert sind

Artikel von David VanDrunen
18. Oktober 2024 — 10 Min Lesedauer

Das Zeugnis des Heiligen Geistes über die Sohnschaft der Christen ist eine wunderbare Realität, die aber allzu leicht übersehen wird. Es gibt nur einen einzigen Bibelvers, der ausdrücklich über dieses Wirken des Geistes spricht (vgl. Röm 8,16), und das Wirken selbst wird häufig vernachlässigt zugunsten verwandter Lehren wie dem Wesen der Adoption und der Heilsgewissheit. Es lohnt sich jedoch, auch zu betrachten, wie der Geist unsere Sohnschaft bezeugt. Das wollen wir im Folgenden tun. Dazu gehen wir zunächst auf zwei allgemeine Wahrheiten über den Geist und seine Aufgabe ein, die eine entscheidende Grundlage für unser Thema bilden. Dann werden wir uns Römer 8 zuwenden, um zu sehen, was Paulus über das Zeugnis des Geistes lehrt.

Der Geist der zukünftigen Welt

Die Bibel offenbart uns über den Heiligen Geist, dass er der Geist der zukünftigen Welt ist. Er kommt vom Himmel und offenbart das Leben der zukünftigen neuen Schöpfung. Da unsere Adoption als Söhne eine Gabe der neuen (oder eschatologischen) Schöpfung ist, sollten wir uns diese Wahrheit genauer ansehen.

Bereits im Alten Testament war die Verheißung des Geistes eine Verheißung für die letzten Tage, in denen der Messias kommen würde. Woran würden die Menschen den Messias erkennen? Sie würden ihn am Geist erkennen, der ihn segnen und mit Vollmacht ausstatten würde. Insbesondere Jesaja führte dieses Thema aus. Der kommende Spross würde Jerusalem durch den Geist des Gerichts und Feuers reinigen (vgl. Jes 4,2–4). Der Geist des Herrn würde auf dem Schössling ruhen, der aus dem Stumpf Isais hervorgeht (vgl. 11,1–2). Gott würde seinen Geist auf seinen auserwählten Diener legen (vgl. 42,1) und der Messias würde sagen: „Der Geist des Herrn ist auf mir“ (vgl. 61,1). Dementsprechend war der Geist an Jesu Empfängnis (vgl. Lk 1,35), seiner Taufe (vgl. Mt 3,16), seinen Wundern (vgl. Mk 1,34), seiner Kreuzigung (vgl. Hebr 9,14) und seiner Auferstehung (vgl. Röm 1,4) beteiligt. Die Gegenwart des Geistes war ein Zeichen der Ankunft von Gottes Königreich (vgl. Mt 12,28). Es ist beeindruckend, dass der Vater den Geist auf Jesus ausgoss, als er ihn zu seiner Rechten erhöhte (vgl. Apg 2,33). Der Geist verlieh Jesus Vollmacht bei seinem Wirken in seinem Zustand der Demut, aber jetzt, nachdem er sein Wirken beendet hatte und verherrlicht wurde, empfing Jesus den Geist auf eine noch mächtigere Weise. Denselben Geist schüttete er dann auch auf sein Volk aus (vgl. Apg 2,33).

Es ist somit keine Überraschung, dass der Geist eine himmlische Gabe für uns ist. Diejenigen, in denen der Geist wohnt, genießen einen Vorgeschmack auf die neue Schöpfung. Der Geist ist Gottes Siegel und garantierte Anzahlung für die Segnungen, die noch kommen werden (vgl. 2Kor 1,22; 5,5; Eph 1,13–14; 4,30). Der Geist ist die Erstlingsgabe einer größeren Ernte (vgl. Röm 8,23), da derselbe Geist, der Christus auferweckte, uns bei seiner Wiederkehr auferwecken wird (vgl. Röm 8,11; 1Kor 15,42–45).

„Der Heilige Geist ist ideal dazu geeignet, unsere Sohnschaft zu bezeugen, weil die Adoption ein Segen der neuen Schöpfung und der Geist ebenso der Geist der neuen Schöpfung ist.“
 

Das ist so relevant für das Zeugnis des Geistes von unserer Sohnschaft, weil unsere Adoption selbst ein Segen der neuen Schöpfung ist. Paulus erklärt, dass Christen Erben sind, weil sie adoptiert wurden (vgl. Röm 8,17; Gal 4,7). Im Kontext bezieht sich das insbesondere auf ein himmlisches Erbe der neuen Schöpfung (vgl. Röm 8,17–18.21.23). Ein Anrecht auf solch ein Erbe zu haben steht im Kontrast zu einem Zustand der Versklavung durch die Elemente dieser gegenwärtigen Welt (vgl. Gal 4,3–7). Somit gilt: Der Heilige Geist ist ideal dazu geeignet, unsere Sohnschaft zu bezeugen, weil die Adoption ein Segen der neuen Schöpfung und der Geist ebenso der Geist der neuen Schöpfung ist. Dass der Geist unsere Sohnschaft bezeugt, uns versiegelt und selbst eine Erstlingsgabe ist, sind alles Aspekte des wunderbaren Wirkens des Geistes, um Christen einen Vorgeschmack auf die guten Dinge zu geben, die kommen werden.

Wort und Geist

Dass Gottes Wort und der Geist in einer sehr engen Beziehung zueinander stehen, ist eine zweite Wahrheit, die wichtig für das Zeugnis des Geistes über unsere Sohnschaft ist. Einerseits ist das Wort abhängig vom Geist. Das Wort hat Kraft (vgl. Jer 23,29; Hebr 4,12), aber es ist der Geist, der dafür sorgt, dass es wirksam wird. Während sowohl Gläubige als auch Nichtgläubige das Wort hören, wird das Wort bei Gläubigen vom Geist begleitet – und das unterscheidet sie von den anderen (vgl. 1Thess 1,5). Andererseits wirkt der Geist in der Regel durch das Wort. (Der Geist wirkt auch durch die Sakramente, aber darauf werde ich hier nicht eingehen.) Nehmen wir die Wiedergeburt: Dabei handelt es sich um eine wesentliche Segnung des Geistes, eine innerliche, verborgene und geheimnisvolle Realität (vgl. Joh 3,5–8). Allerdings wirkt noch nicht einmal hier der Geist unabhängig vom Wort, sondern durch das Wort: Gott gab uns die Geburt „durch das Wort der Wahrheit“ (Jak 1,18) und wir wurden „durch das lebendige Wort Gottes, das in Ewigkeit bleibt“ (1Petr 1,23) wiedergeboren.

Diese Wahrheiten vermitteln den Eindruck, dass zumindest ein bedeutender Anteil von diesem Zeugnis des Geistes durch die Schrift selbst kommt. Viele Texte in der Bibel beschreiben unsere Sohnschaft und ihre verschiedenen Segnungen (vgl. Joh 1,12; Röm 8,14–17; Gal 4,4–7; Hebr 12,3–17), und der Geist vermittelt diese Worte an die Herzen der Christen zu ihrem Trost und zu ihrer Erbauung. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten wir uns das genauer anschauen. Kurz bevor Paulus sich ausdrücklich auf das Zeugnis des Geistes bezieht, sagt er, dass diejenigen, die „durch den Geist Gottes geleitet werden“, Söhne Gottes sind (Röm 8,14). Heutzutage verstehen jedoch leider viele Christen diesen Vers als die Lehre einer geheimnisvollen Führung durch den Geist, bei der er durch eine leise Stimme kommuniziert oder geheimnisvolle Neigungen oder Intuitionen hervorruft. Aber wir müssen uns eigentlich nicht fragen, wo oder wie wir den Geist „hören“, wenn er uns lehrt, ermutigt oder tröstet. Viele der kostbarsten „Worte“, durch die der Geist unsere Sohnschaft bezeugt, sind die Worte, die wir in der Bibel lesen.

Der Kontext von Römer 8,16

Es gibt aber noch mehr darüber zu sagen, wie der Geist unsere Sohnschaft bezeugt. In Römer 8,16 schreibt Paulus: „Der Geist selbst gibt Zeugnis zusammen mit unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind.“ Sehen wir uns zunächst den Zusammenhang an, in dem diese Aussage steht, bevor wir uns Vers 16 selbst zuwenden.

„Viele der kostbarsten ‚Worte‘, durch die der Geist unsere Sohnschaft bezeugt, sind die Worte, die wir in der Bibel lesen.“
 

In den vorangegangenen Versen spricht Paulus ausführlich über den Geist. Christen wandeln gemäß dem Geist (Vers 4). Sie trachten nach dem, was dem Geist entspricht (Vers 5), und das Trachten des Geistes ist Leben und Frieden (Vers 6). Christen sind nicht im „Fleisch“, und deshalb nicht unfähig, Gott zu gefallen (Verse 7–9). Stattdessen sind sie im Geist – sonst würden sie gar nicht zu Christus gehören (Vers 9). Der Geist gibt ihnen Leben, trotz der Sterblichkeit ihrer Körper (Verse 10–11). Somit werden Christen durch den Geist verpflichtet, die bösen Taten des Leibes zu töten (Verse 12–13).

Im weiteren Verlauf dieser reichhaltigen Lehre sagt Paulus, dass diejenigen, die vom Geist geleitet werden, „Söhne“ Gottes sind (Vers 14). Viele neue Übersetzungen verwenden hier „Kinder“ statt „Söhne“ – vermutlich um zu vermeiden, dass Paulus sexistisch und altmodisch klingt. Jedoch ist Paulus’ Verwendung von „Söhne“ alles andere als sexistisch. Zu seiner Zeit waren es die Männer, die erbten. Dadurch, dass er sowohl Männer als auch Frauen „Söhne“ nennt, lehrt Paulus, dass Gläubige beider Geschlechter ein himmlisches Erbe erhalten.

Paulus erklärt dann das Wesen dieser Adoption als Söhne. Christen empfangen keinen Geist der Knechtschaft, der zur Furcht führt (Vers 15). Es erscheint logisch, dass eine solche Knechtschaft und Furcht ihr vorheriger Zustand war, da Paulus gerade gesagt hat, dass diejenigen, die nicht in Christus sind, sterben müssen (Vers 13). Jetzt aber haben Christen den Geist der Adoption erhalten und durch diesen Geist rufen wir: „Abba, Vater“ (Vers 15). An dieser Stelle kommt Paulus zu jener Aussage, die von besonderem Interesse für uns ist.

Römer 8,16 und das Zeugnis des Geistes

Paulus spricht nur ein einziges Mal direkt über das Zeugnis des Geistes. Dabei sagt er eigentlich, dass der Geist mit-bezeugt. So wie er im nächsten Vers schreibt, dass Christen jetzt mit Christus leiden müssen, damit sie eines Tages mit ihm verherrlicht werden (Vers 17), schreibt er hier, dass der Geist mit unserem eigenen Geist Zeugnis gibt (Vers 16). Paulus deutet somit an, dass unser eigener Geist unsere Sohnschaft bezeugt.

Wie tut er das? Anscheinend, indem er ruft: „Abba, Vater!“  Es ist wunderbar, darüber nachzusinnen. Durch unsere Rettung ist Gott zu unserem Vater geworden – nicht im allgemeinen Sinn, dass er uns geschaffen hat, sondern in einer persönlichen und intimen Weise. In den vorherigen Kapiteln im Römerbrief ist der Glaube, durch den wir gerettet sind, eines von Paulus’ Hauptthemen. Der rettende Glaube schaut also mit Vertrauen auf Gott als den, der alle seine Versprechen hält. Paulus beschreibt etwa den Glauben Abrahams folgendermaßen: „Er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde stark durch den Glauben, indem er Gott die Ehre gab und völlig überzeugt war, dass Er das, was Er verheißen hat, auch zu tun vermag“ (Röm 4,20–21).  In Übereinstimmung mit ihrem neuen Wesen rufen Christen im Glauben mutig zu Gott als ihrem liebevollen Vater, suchen seine Hilfe in ihrer Schwachheit, jeden Tag und jeden Moment. Und diese Art Gebet ist ein Zeugnis unserer Adoption, da nur diejenigen, die von Christus adoptiert worden sind, in dieser Weise beten können.

So wunderbar das auch ist, wir wissen sowohl aus unserem Alltag als auch aus der Schrift (vgl. 5Mose 19,15), dass die Dinge zweifelhaft bleiben, wenn es nur einen einzigen Zeugen für etwas gibt. Das gilt besonders dann, wenn der einzige Zeuge unser eigenes schwaches, sündiges Ich ist! Somit können wir dankbar dafür sein, dass der Heilige Geist sein Zeugnis als zweiter und besserer Zeuge hinzufügt. Er zeugt zusammen mit unserem Geist. Sein Zeugnis erfolgt Seite an Seite mit unserem eigenen. Er bezeugt unsere Sohnschaft nicht so sehr dadurch, dass er zu uns spricht, sondern dadurch, dass er zusammen mit uns spricht. Wie Paulus etwas später erklärt, wissen wir häufig noch nicht einmal, wie wir beten sollen. Der Geist tritt jedoch mit unaussprechlichen Seufzern für uns ein (vgl. Röm 8,26). Wir beten auf eine bestimmte Weise – und das bezeugt unsere Sohnschaft. Der Geist betet Seite an Seite mit uns und für uns und tut dies auf viel bessere Weise, da er so betet, „wie es Gott entspricht“ (Röm 8,27). Wir dürfen darauf vertrauen, dass sein Zeugnis auch unermesslich größer ist als unser eigenes.

Schlussfolgerung

Der Heilige Geist dient Christen auf vielseitige Weise, wodurch diese an Christus gebunden werden und in allen Prüfungen Trost im Überfluss empfangen. Er erneuert, versiegelt, heiligt, garantiert und tritt für uns ein. Er bestätigt jede in der Bibel verkündigte Wahrheit. Das Zeugnis des Geistes über unsere Sohnschaft ist ein kostbarer Teil dieses Wirkens. Indem er die biblischen Versprechen über unsere Adoption bestätigt und zusammen mit unserem Geist Zeugnis gibt, verstärkt der Heilige Geist noch weiter unsere Gewissheit eines zukünftigen Erbes.

Weiterführende Literatur

  • Wilhelmus à Brakel, The Christian’s Reasonable Service, Bd. 2, Übers. Bartel Elshout, Grand Rapids: Reformation Heritage, 1993, Kap. 35.
  • John Calvin, Calvin’s Commentaries, Bd. 19 (Acts 14-28, Romans 1-16), Grand Rapids: Baker, 2003, zu Römer 8,16.
  • Sinclair B. Ferguson, The Holy Spirit, Downers Grove: InterVarsity, 1996, Kap. 8.
  • B. Warfield, Faith and Life, 1916; Carlisle: Banner of Truth, 1974, S. 179–92.