
Die Wahrheit über Lügen
Nachdem sie es „mit dem Knoblauch versehentlich etwas übertrieben“ hatte, versah eine Bekannte bei einer Geburtstagsfeier den mitgebrachten Zaziki mit einem Hinweis: „Für Mutige – mit Wumms“. Sie warnte davor, dass es sich nicht um einen unentschlossenen Kräuterquark handelte, sondern der Verzehr mehr Risiko bergen würde. Derselbe Untertitel würde auch zu Mack Stiles’ schlankem Büchlein Die Wahrheit über Lügen passen, aber vielleicht wäre er auch überflüssig, da schon die titelgebenden Schlagworte Risiko genug bieten. Es ist nämlich schon etwas vermessen, „Lügen“ zu benennen und „Wahrheit“ zu beanspruchen, „da wir anderen nicht vorschreiben wollen, was richtig und falsch ist“ (S. 55). Eigentlich gehört sich das nicht, und wir empfinden es als ähnlich rücksichtsvoll wie den Konsum von beherzt gewürztem Zaziki in einem kleinen Wohnzimmer.
Lügen dekonstruieren
Genau nach diesem Prinzip aber – Lüge zu benennen und Wahrheit dagegenzuhalten – ist das Buch aufgebaut und Stiles eröffnet es mit dem ehrlichen Hinweis: „Ich versuche, deine Meinung zu ändern“ (S. 6). Als Ausgangspunkt seiner acht Kapitel greift er jeweils ohne Häme Aussagen auf, „die viele von uns als selbstverständliche Wahrheiten annehmen, weil wir es so gelernt haben“ (S. 9). Er dekonstruiert sie mithilfe der in den Evangelien beschriebenen Begegnungen Jesu mit dessen Zeitgenossen. Die Reaktionen Jesu auf die Anliegen und Nöte der Menschen damals zeigen auch uns Antworten auf vielfach geglaubte Sätze wie „Jesus ist eine Inspiration“ (S. 33) oder „Mit dem Tod ist alles vorbei“ (S. 60). Jesus entlarvt sie. „Seit Jesus auf der Erde gelebt hat, ist viel passiert, aber die Menschen sind immer noch dieselben. Sie suchen immer noch nach Sinn und Hoffnung“ (S. 9), die großen Fragen sind gleich geblieben.
Ein guter Mensch sein
Das zweite Kapitel widmet sich etwa der Annahme „Es reicht, ein guter Mensch zu sein“ (S. 20). Wie viel Mühen, Anstrengungen und religiöse Übungen dieser Glaubenssatz verursacht hat, mag man sich gar nicht vorstellen. Jesus stellt ihn im Gespräch mit dem Gelehrten Nikodemus deutlich infrage. Dieser war gebildet, einflussreich und gehörte zur religiösen Elite Jerusalems, den Pharisäern, welche für ihre strenge Gesetzestreue und den hohen moralischen Anspruch bekannt waren. „Wenn irgendjemand Gott durch sein eigenes Gutsein hätte gefallen können, dann wäre es Nikodemus gewesen“ (S. 31), der aber erschüttert feststellt, dass er durch sein eigenes Zutun nicht zu Gott kommen kann, denn Jesus sagt ihm: „Wenn jemand nicht von oben her geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Joh 3,1–3).
„Sich selbst kann der Mensch nicht neu machen, denn so sehr er sich bemüht, er kämpft trotzdem mit Gier, Egoismus, Neid, Rassismus, Wut. Er öffnet eine Kluft, die Gott ‚von oben her‘ durch Christus überbrückt, wie Jesus Nikodemus geduldig, aber mit Nachdruck erklärt.“
Stiles erklärt dem Leser: „Es geht also tatsächlich nicht darum, gut zu sein. Es geht darum, neu gemacht zu werden“ (S. 31). Sich selbst kann der Mensch nicht neu machen, denn so sehr er sich bemüht, er kämpft trotzdem mit Gier, Egoismus, Neid, Rassismus, Wut. Er öffnet eine Kluft, die Gott „von oben her“ durch Christus überbrückt, wie Jesus Nikodemus geduldig, aber mit Nachdruck erklärt.
Relevanz erkennen
Wie in jedem der Abschnitte wird der Leser nicht einfach mit den Scherben seines bisherigen, als verlässlich angenommenen Glaubenssatzes zurückgelassen, sondern von Stiles immer wieder tröstend auf die Lösung, die Gute Nachricht hingewiesen: auf das Werk am Kreuz, auf die Wahrheit selbst, auf Jesus.
Das letzte Kapitel zeigt nächste Schritte für denjenigen auf, der nach der Lektüre „die Kurzformel dieses Buches“ erkannt hat: „Jesus ist relevant“ (S. 7).
Jesus mutig bekennen
Die Sprache des Büchleins ist niederschwellig und treffend, dabei aber nicht allzu polemisch-vereinfachend. Inhaltlich bleibt es logisch. Auch auf Spott gegenüber denjenigen, die er zu überzeugen versucht, verzichtet der Autor. Aber er geht doch das Risiko der Konfrontation ein. Ganz wie die Schlüsselbegriffe im Titel schon erahnen lassen, aber sanfter, als man befürchten könnte. Auf die Ausgangsthesen, die zugleich die Überschriften der ersten acht Kapitel sind, gibt er klare Antworten und schweift nicht ab. Lediglich im vierten Kapitel „Ich muss zuerst an mich selbst denken“ (S. 41) gelingt ihm die Gegenüberstellung zwischen These und Wahrheit nicht ganz, sie bleibt diffus.
Auch wenn ein Leser die zur Debatte gestellten Aussagen, wie „Ich habe meine Wahrheit, du hast deine“ aus dem eigenen Repertoire wiedererkennt und sie durch das Buch womöglich entlarvt sieht – auf keinen Fall geht es Stiles um Provokation um ihrer selbst willen. Vielmehr wird durch den unmittelbaren und prägnanten Stil deutlich, dass es ein persönliches Anliegen des Autors ist, den Leser von Jesu Relevanz zu überzeugen, der „in den letzten fünfzig Jahren“ sein „Freund, Retter und Herr gewesen“ ist und dessen Worte sich in seinem Leben als „gültig und wahr erwiesen haben“ (S. 97). Manch einer, der schon länger von Jesu Relevanz überzeugt ist als die eigentliche Zielgruppe, darf sich im Gespräch mit Nichtchristen durch das Buch helfen lassen, die vorsichtige Rücksichtnahme gegen mehr Mut und Wumms einzutauschen.
Buch
Mack Stiles, Die Wahrheit über Lügen: Jesus ist entscheidend, Retzow: Daniel-Verlag, 2024, 104 Seiten, 6,90 Euro.