Kunst, Schönheit und Komplementarität

Artikel von DW
4. Oktober 2024 — 6 Min Lesedauer

Die Erzählung von Adam und Eva in 1. Mose 2 war über Jahrhunderte hinweg eine beliebte Muse für bildende Künstler. Vielleicht liegt das daran, dass Maler gern provozieren. Schließlich bietet das Fehlen von Kleidung bei dem Paar vor dem Sündenfall eine künstlerische Rechtfertigung, den menschlichen Körper darzustellen. Vielleicht genießen Künstler das Subversive oder Neuinterpretationen, und die Geschichte von Adam und Eva, eins der ersten Ereignisse der Menschheitsgeschichte, ist reif für Dekonstruktion. Zum Beispiel zeigt der theologisch fehlgeleitete Hendrick Goltzius einen Adam und eine Eva, deren erste Sünde gegen Gott nicht das Essen der verbotenen Frucht, sondern sexueller Natur war. Ebenso stellte Michelangelo Evas Versucher als halb Frau, halb Schlange dar – eine nicht schriftgemäße Vermenschlichung der Schlange.

Doch der urzeitliche Bericht über den ersten Mann und die erste Frau diente, denke ich, als häufige Inspiration für Künstler, weil wir sehen können, wie dieselben Merkmale, die den ersten Menschen zuteil waren – Beziehung zu Gott, Liebe, Verlangen, Sünde – auch heute noch in uns wohnen. Nahezu alle bildlichen Darstellungen von Adam und Eva erfassen die Qualen der Sünde, die nun in allen Menschen verankert sind: Schuld, Fluch, Reue, Verbannung, Gericht. Betrachte dieses Werk des Malers Domenichino: Gottes offensichtliche Missbilligung gegenüber Adam führt dazu, dass dieser die Schuld auf Eva schiebt. Eva wiederum zeigt auf die Schlange, die auf dem Boden liegt. Sind wir nicht ebenso hastig, unsere Schuld abzuwälzen, wenn der Heilige Geist uns unserer Sünde überführt?

Der Prototyp des sündigen Menschen, verbildlicht durch Adam und Eva, ist in der Kunst gut dokumentiert. Was in den ästhetischen Aufzeichnungen hingegen fehlt, ist ihre Verkörperung des komplementären Modells, das Gott einrichtete. Wo ist das Gemälde, das die Erfüllung von Adams Verlangen nach einer Gehilfin so deutlich zeigt, wie es in 1. Mose 2,23 mit dem freudigen „Das ist endlich Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch!“ ausgedrückt wird? Was ist mit einer Szene (zugegeben hypothetisch) des gefallenen Adam, der dankbar ist für Eva, seine Gehilfin, die ihm nach einem Tag des Jagens die schmerzenden Füße massiert; oder Eva, die sich freut, wie ihr Mann für sie sorgt, während er ihr die Beute des Tages präsentiert?

„Unsere Aufmerksamkeit auf das Gute in Gottes ursprünglichem Plan zu richten und ihn anschließend dafür zu preisen, ist unermesslich wunderbarer, als konstant dem Bruch des Paradieses nachzusinnen.“
 

Manche mögen behaupten, dass Kunst, die eine traditionelle Erzählung nicht herausfordert, langweilig sei. Christen sollten jedoch darauf bestehen, dass diese fehlenden Szenen des visuellen Ausdrucks sogar noch mehr würdig sind als die vielen düsteren Darstellungen des Sündenfalls. Eine bildliche Neuerfassung des ersten Mannes und der ersten Frau, die ihren gottgegebenen Rollen als Ehemann und Ehefrau treu entsprechen, zeigt Gottes ursprünglichen Plan für die Menschheit. Dieser Plan selbst ist wunderschön und der Aufmerksamkeit wert, schon allein wegen seiner göttlichen Herkunft. Unsere Aufmerksamkeit auf das Gute in Gottes ursprünglichem Plan zu richten und ihn anschließend dafür zu preisen, ist unermesslich wunderbarer, als konstant dem Bruch des Paradieses nachzusinnen.

Diese Konzentration sollte sich nicht nur in der Kunst ausdrücken. Wir müssen auch in unseren Herzen Ehrfurcht vor Gottes komplementärem Entwurf kultivieren. Hier sind einige Möglichkeiten, dies zu tun:

1. Erinnere dich daran, dass Komplementarität von Gott kommt

In unserer Zeit ist es selbst unter Christen modisch, Spott zu treiben über die biblische Anordnung an den Mann, seine Frau zu leiten, und an die Frau, sich ihrem Mann unterzuordnen. Erstens hat das Wort „Unterordnung“ keine angenehme Konnotation. Zweitens rebellieren unsere Herzen ständig gegen die Autoritäten, die über uns gesetzt sind, und die Kultur hallt wider von Vorstellungen von Geschlechteridentität, die sich Gottes Autorität entgegensetzen. Doch Gottes Verständnis ist unergründlich, schreibt Jesaja (vgl. Jes 40,29), und seine Weisheit macht die Weisheit der Welt zunichte (vgl. 1Kor 1,20). Gottes Wege sind oft unerforschlich, aber wie Psalm 18,30 klarstellt, wird Gottes Wort sich letztlich als fehlerlos erweisen: „Dieser Gott – sein Weg ist vollkommen! Das Wort des Herrn ist geläutert; er ist ein Schild allen, die ihm vertrauen.“

2. Bedenke, dass Komplementarität auf die Einheit von Jesus und Gott dem Vater hinweist

Wenn Mann und Frau sich an die biblischen Vorstellungen von Leitung und Unterordnung anpassen, ist das schön, weil sie eine Einheit des Seins widerspiegeln, die in der Beziehung Jesu zu Gott dem Vater zu finden ist. In Johannes 6,38 beschreibt Jesus seine Mission: „Denn ich bin aus dem Himmel herabgekommen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“ Wir sollten uns auch an Jesu Gebet vor seiner Kreuzigung erinnern: „Doch nicht, was ich will, sondern was du willst!“ (Mk 14,36).

Ohne Gott den Vater, der seinen Sohn opferte, und ohne den Sohn, der sich Gott dem Vater unterordnete, wären wir alle in unseren Sünden verloren. Zum Glück haben beide ihre ernannten Rollen erfüllt: Gott hat „den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht“ (2Kor 5,21), und Jesus erniedrigte „sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod“ (Phil 2,8). Auf vielerlei Weise werden wir niemals die Architektur des Sühneopfers vollständig begreifen. Doch es ist bedenkenswert, dass es ohne Unterordnung – und Leitung – nicht möglich gewesen wäre.

3. Erinnere dich daran, dass Komplementarität die Einheit von Christus und der Kirche darstellt

Schlussendlich ist die biblische Vorstellung von Komplementarität schön, weil sie auf die große Hoffnung eines Christen hinweist: die ewige, untrennbare Vereinigung mit Christus. Von Adam und Eva über Ruth und Boas bis hin zu Paulus’ theologischer Beschreibung von Mann und Frau in Epheser 5 weist die biblische Darstellung von Ehemann und Ehefrau auf eine größere Wahrheit hin: Christus als Haupt der Gemeinde, Erlöser der Gottlosen, der Gebrochenen und der Bedürftigen. In gleicher Weise spiegelt die (oft schwierige) Unterordnung der Frau ihrem Mann gegenüber wider, wie die Glieder des Leibes Christi auf ihre eigenen Wünsche verzichten und gehorchen – nicht aus Eigennutz, sondern aus Liebe.

„Die biblische Vorstellung von Komplementarität ist schön, weil sie auf die große Hoffnung eines Christen hinweist: die ewige, untrennbare Vereinigung mit Christus.“
 

Tatsächlich fangen einige der künstlerischen Darstellungen vom Garten Eden einen Hauch von der Herrlichkeit der Komplementarität von Mann und Frau ein. Sehr eindrucksvoll sind etwa die Gemälde, die die erhabene Verschmelzung erfassen, die ein Ehemann und eine Ehefrau auf der Höhe der körperlichen Intimität genießen. Adams körperliche Umarmung Evas in so vielen Werken preist eine äußerst intime, von Gott gestaltete Beziehung zwischen den beiden, die die Erfahrung vorwegnimmt, die die Kirche an jenem Tag der vollkommenen Vereinigung mit Christus erleben wird. An jenem Tag, wenn wir Jesus von Angesicht zu Angesicht sehen, werden wir, die Braut Christi, ebenso ausrufen: „Endlich!“