Weltmission
Definition
Der Versuch, den Begriff „Weltmission" zu definieren, wirft sofort eine Reihe wichtiger Fragen mit vielen möglichen Antworten auf: Geht es nur um die Arbeit derjenigen, die als „Missionare" bezeichnet werden? Wessen Mission betrachten wir? Gottes Mission (missio Dei)? Die Mission der Gemeinde (missiones ecclesiae)? Oder beides? Und falls beides, was bedeutet das genau?
Außerdem ist der Begriff „Mission“ innerhalb der Gemeinde nicht immer einheitlich verwendet worden. Vor dem 16. Jahrhundert bezog sich „Mission“ ausschließlich auf die trinitarische Sendung des Sohnes und des Geistes. Erst als die Jesuiten begannen, den Begriff für die Verbreitung ihres Glaubens unter Nicht-Katholiken zu nutzen, erweiterte sich seine Bedeutung. Eine direkte Definition aus der Heiligen Schrift lässt sich nicht ableiten, da das Wort „Mission“ – obwohl es auf das lateinische Verb mittere zurückgeht, welches dem griechischen Verb apostellein (dt. senden) entspricht – in der Bibel nicht als Substantiv vorkommt.
Es ist allerdings für unsere Zwecke auch nicht nötig, auf einer einzigen, schlüssigen und universellen Definition von „Weltmission“ zu bestehen. Je nach Kontext können verschiedene Verwendungen des Begriffs bestimmte Facetten betonen. Wenn wir diese Tatsache akzeptieren, können wir in aller Demut nach Klarheit und Bereicherung streben, wenn wir den Begriff „Weltmission“ auf unterschiedliche Weise verwenden.
Wenn also in diesem Artikel der Begriff „Weltmission“ definiert wird, dann geht es darum, ein gleichzeitig gottzentriertes und gemeindezentriertes Verständnis zu verfolgen, das die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Mission Gottes und der Mission der Gemeinde anerkennt.
Weltmission wird als ein fortlaufendes Ereignis und Wirken des Geistes Christi nach dem Willen und Plan des Vaters definiert. Sie ist kein Werk, das Menschen einfach aus eigener Kraft und eigenem Willen in Angriff nehmen können (vgl. 1Kor 15,10–11; Kol 1,28–29). Weltmission beginnt und endet nach dem Plan und dem Handeln Gottes in der Schöpfung bis hin zur Neuschöpfung. Daher ist es wichtig, Weltmission so zu definieren, dass Gott und die Initiative und Erfüllung seines dreieinigen Willens im Mittelpunkt stehen.
„Gottes Mission in der Welt besteht darin, sich selbst zu verherrlichen, indem er die Welt rettet und seine neue Schöpfung vollendet.“
Gleichzeitig unterscheidet die Definition von Weltmission als ein Wirken des Geistes Christi durch die Gemeinde die allumfassende Mission Gottes von der damit zusammenhängenden, jedoch unterschiedlichen und spezifischen Berufung und Verantwortung der Gemeinde innerhalb von Gottes Plan und Handeln. Gottes Mission in der Welt besteht darin, sich selbst zu verherrlichen, indem er die Welt rettet und seine neue Schöpfung vollendet. Die Gemeinde verherrlicht Gott und nimmt an seinem Plan teil, nicht indem sie die Welt rettet und seine neue Schöpfung an seiner Seite als Mitretter oder Mitvollstrecker vollendet, sondern indem sie unter den Völkern ein geisterfülltes Zeugnis von Gottes Reich ablegt, damit viele von Gott selbst gerettet und in reuige und treue Jünger Jesu verwandelt werden (vgl. Apg 1,8; Mt 28,18–20).
Während Gott allein rettet, die neue Schöpfung vollendet und den Frieden seines Reiches einleitet, sind sowohl Gott als auch die Gemeinde an dem Machen und Formen von Jüngern beteiligt. Jünger können nicht gemacht werden, ohne dass Gottes Geist sie anzieht, erleuchtet und erneuert oder die Gemeinde (als Institution und Organismus)[1] treu evangelisiert, zu Jüngern macht, predigt, lehrt und die Sakramente vollzieht (vgl. Joh 6,37.44.65; Röm 10,13–15; Apg 26,15–18).
Obwohl die Weltmission eine von Gottes Aktivitäten ist, wird sie hier nicht als die alleinige Aktivität Gottes definiert, sondern als Gottes besondere Aktivität durch seine zeugnisgebende Gemeinde. Während der Geist die Gemeinde dazu befähigt und bewegt, Zeugnis für Gottes Reich abzulegen, erfüllt die Gemeinde weiterhin die ihr übertragene spezifische Aufgabe: Jünger zu machen.
Das Ziel der Weltmission auf diese Weise zu formulieren, schließt die Verherrlichung Gottes, das Gründen von Gemeinden, die Bekehrung von Ungläubigen, die Beseitigung von Unrecht oder barmherzige Taten nicht aus. Vielmehr unterstreicht es die messbare und aufs große Ganze ausgerichtete Aufgabe, die sowohl Gott als auch die Gemeinde in der Weltmission erfüllen: ganzheitliche, kulturell verankerte Jünger Christi unter den Völkern zu machen.
Das Ziel der Weltmission besteht nicht nur darin, dass die Gemeinde das Evangelium verkündet, die Sakramente vollzieht und die Gemeindezucht als treue Institution ausübt; es geht auch nicht nur darum, dass die Gemeinde als treue Nachfolgerin Jesu den Hunger in der Welt beendet, Waisenkinder aufnimmt und Obdachlose beherbergt. Dies alles sind Aktivitäten, die Zeugnis ablegen und der Hauptaufgabe dienen, ganzheitliche, kulturell verankerte Jünger Christi unter den Völkern zu machen. Das ist die Art und Weise, wie Gott und die Gemeinde Jünger machen, „indem sie die gute Nachricht von seinem erlösenden Reich bezeugen und Gehorsam in Form eines reumütigen Glaubens an seinen Namen suchen“, während sie zeigen, wie das Evangelium die subversive Erfüllung der Götzen jeder Kultur ist.[2]
Diese Definition bekräftigt nicht nur das Wirken Gottes und der Gemeinde und macht die Aufgabe deutlich, zu deren Erfüllung beide berufen sind, sondern konzentriert sich auch bewusst auf das Zeitalter des Neuen Bundes. Dieser Schwerpunkt soll nicht den Eindruck erwecken, als gäbe es getrennte Agenden oder extreme Diskontinuitäten innerhalb des Plans und des Handelns Gottes von der Schöpfung bis zum Alten Bund und dann zum Neuen Bund; jede Definition der Weltmission muss den gesamten historischen Plan Gottes berücksichtigen. Die Beschränkung dieser Diskussion über die Weltmission auf das Zeitalter des Neuen Bundes wird uns jedoch helfen, uns auf unser gegenwärtiges erlösungsgeschichtliches Zeitalter zu konzentrieren, „diese letzten Tage“, die durch das erste Kommen Christi eingeleitet worden sind (vgl. Hebr 1,1–2).
Dieser Fokus auf den Neuen Bund unterstreicht auch den ausgeprägten Weltcharakter und die globale Berufung des Volkes Gottes, die vor Christus und der Ausgießung seines Geistes an Pfingsten nur angedeutet und erahnt werden konnten. Wenn wir diesen Fokus in unserer Herangehensweise für die Definition beibehalten, wird uns das helfen, unser Verständnis von Weltmission zu erweitern – und zwar nicht nur als ein fortlaufendes Ereignis, eine Aktivität oder eine Aufgabe, die von Gott und der Gemeinde zu erfüllen ist, sondern auch als eine Geschichte, an deren Erzählung wir gemeinsam arbeiten.
Die biblische Grundlage
Weltmission findet ihre Grundlage in dem einen Schöpfergott des Kosmos. Er ist es wert, alle Ehre, alle Herrlichkeit, alles Lob und alles Ansehen von den Völkern der Welt, die alle von Adam abstammen, zu empfangen. Die Weltmission wurzelt im Wohlgefallen und im Plan Gottes, als ihr einziger wahrer Gott über die Völker zu herrschen. Die historische Tätigkeit der Weltmission begann also, als der Vater sein Wort und seinen Geist aussandte, um die Welt zu erschaffen. Sie setzte sich fort, als er die Menschen, die sein Ebenbild sind, schuf und aussandte, um die Erde zu bebauen und zu schützen und ihnen den Auftrag gab: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan; und herrscht“ (1Mose 1,28; vgl. 1Mose 1,1–2; 2,15; Joh 1,1–3; Kol 1,15–18).
Und selbst als die Menschen ihre Herrschaft über die Erde falsch und rebellisch ausübten und eher das Geschöpf als den Schöpfer anbeteten und verherrlichten, wurde das Fundament der Weltmission nicht umgestoßen (vgl. 1Mose 3; Röm 1,18–32). Vielmehr wurden die Grundlage und die Notwendigkeit der Weltmission nur weiter bekräftigt und verstärkt. Angesichts des Schöpfungsfalls argumentiert John Piper, dass die Mission in der ganzen Welt existiert, weil die Anbetung in einem so großen Teil der Schöpfung nicht existiert.[3]
Als die Schöpfung unter den Fluch der Sünde fiel, gab Gott seinen Plan nicht auf, sie in ihre vollendete neue Schöpfungswirklichkeit voranzubringen und die Menschen zu Jüngern seines Weges zu machen, um ihnen ein Leben in Fülle zu ermöglichen. Weder die Sünden der Menschheit noch die Machenschaften des Teufels konnten diesen Plan vereiteln. Gott deutete dies an, als er den Nachkommen der Frau vorhersagte, der – zwar verletzt – den Kopf der Schlange tödlich zertreten würde (vgl. 1Mose 3,15). Er bestätigte seine Absichten auch, als er Noah und seine Familie gnädig vor der weltweiten Sintflut des Gerichts bewahrte, die die Bösen von der Erde entfernte (vgl. 1Mose 8).
Selbst als sich Noahs Nachkommen in Stämme und Fraktionen und zahlreiche Völker in Babel aufteilten, als sie sich dort niederließen, anstatt sich fruchtbar zu vermehren und die Erde zu füllen (vgl. 1Mose 11,1–9), änderte sich Gottes Absicht, die Welt und ihre Völker zu Jüngern zu machen, nicht. Er versprach Abraham, ihn nicht nur zu einer großen Nation zu machen und ihn zu segnen und seinen Namen groß zu machen, sondern ihn auch zu einem Segen zu machen, sodass alle Familien der Erde durch seine Familie gesegnet würden (vgl. 1Mose 12,1–3).
Abrahams Familie, das Volk Israel, bestand als Volk von Jüngern des einen wahren Gottes, Jahwe. Ihr Ziel war es, ihren Bundesgott zu repräsentieren, der unter ihnen wohnte. Sie sollten Jahwe allein inmitten aller anderen Völker und ihrer Götter anbeten (vgl. 2Mose 19,5–6; 3Mose 20,26; 5Mose 7,6; 26,19; 28,9; Ps 67). Und selbst als Israel es versäumte, auf Gottes Weg zu wandeln, hatten die Gläubigen des Alten Bundes immer das Gefühl, dass sie unter den Völkern ein Licht sein sollten, das von dem einen wahren Gott und seiner Gerechtigkeit und Wahrheit Zeugnis gibt.
Die Propheten sprachen von einer letzten Zeit, in der die Völker zum Haus des Herrn, dem Haus von Jakobs Gott, kommen würden, um Jahwes Wege zu lernen und in seinen Pfaden zu wandeln (vgl. Jes 2,2–3). Sie erwarteten auch eine vom Herrn auserwählte Knechtsgestalt, die Israel wiederherstellen und allen Völkern Licht und Gerechtigkeit, ja sogar das Heil bis an die Enden der Erde bringen würde (vgl. Jes 42; 49; 52). So legte das Volk Gottes im Alten Bund ein eher passives, anziehendes und nach innen gerichtetes Zeugnis für die Welt ab, das sich von dem aktiveren, weiter reichenden und nach außen strebenden Zeugnis des Volkes und des Geistes Gottes im Neuen Bund unterscheidet.
Aber in der Fülle der Zeit (vgl. Gal 4,4), als Israel unter der Besatzung des Römischen Reiches stand und die jüdische Emigration sich weit verbreitet hatte, kam der Knecht Israels, der Messias, in der Person von Jesus Christus von Nazareth, um das Zeitalter des Neuen Bundes einzuleiten. Und zur Überraschung vieler ging sein Wirken oft über sein eigenes jüdisches Volk in Israel hinaus (vgl. Mt 15,21–28; Mk 5,1–20; Lk 7,1–10; Joh 4). Indem er außerhalb von Jerusalems Stadtgrenze den Fluch der Sünde trug, wurde Jesus für sein Volk zum versöhnenden Lamm Gottes, das nicht nur die Sünden Israels, sondern auch die Sünden der ganzen Welt wegnahm (vgl. Joh 1,29; 1Joh 2,2).
„Indem Jesus außerhalb von Jerusalems Stadtgrenze den Fluch der Sünde trug, wurde er für sein Volk zum versöhnenden Lamm Gottes, das nicht nur die Sünden Israels, sondern auch die Sünden der ganzen Welt wegnahm.“
Nachdem Christus – der zweite und letzte Adam – als Erstling der neuen Schöpfung von den Toten auferstanden war (vgl. 1Kor 15,20.23), wurde ihm alle Macht im Himmel und auf Erden übertragen. Und als er im Begriff war, zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, aufzusteigen, sagte er zu seinen Jüngern, dass sie seine Zeugen sein würden, von Jerusalem bis an die Enden der Erde, und beauftragte sie, zu gehen und alle Völker zu seinen Jüngern zu machen, sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu taufen und sie zu lehren, alles zu tun, was er geboten hatte (vgl. Mt 28,18–20; Apg 1,8).
Der Geist wurde zu Pfingsten ausgegossen und befähigte die Jünger Christi, seinem Auftrag und seiner Berufung zu gehorchen (vgl. Apg 2). Während die menschliche Vielfalt aufgrund der Sünde von Babel zu Stammesdenken geführt hatte, herrschte nun durch das Wirken des Geistes an Pfingsten Harmonie, die auf Einheit beruhte und das Potential für die Erlösung aller Kulturen und Völker wurde wie nie zuvor deutlich. Pfingsten markierte sowohl die Erfüllung dessen, was Gott im Alten Bund über sein Herz für die Völker offenbart hatte, als auch den Beginn der Weltmission, wie wir sie in diesen letzten Tagen des Neuen Bundes kennen.
Während die Gemeinde in diesen letzten Tagen das Evangelium Christi unter den Völkern bezeugt, nimmt sie weiterhin an der Weltmission teil – nie perfekt, aber immer mit der innewohnenden Gegenwart und Kraft des Geistes, der dieses fortlaufende Ereignis, diese Aktivität, Aufgabe und Geschichte vorantreibt. Sie setzt diese Arbeit fort, weil es im Evangelium Jesu Christi selbst und in seiner Verheißung der neuen Schöpfung ausdrücklich heißt, dass es Gottes Wunsch ist, dass Menschen aus allen Völkern, Stämmen und Sprachen seine frohe Botschaft annehmen und daran glauben und ihn anbeten, sowohl zu ihrem eigenen Wohl als auch zu seiner eigenen Herrlichkeit (vgl. Röm 1,5.16; 11; 15,8ff; Eph 2,11ff; Offb 7,9–12).
Ein geschichtlicher Abriss
Der Verlauf der Weltmissionsgeschichte wurde vom auferstandenen Christus vor seiner Himmelfahrt deutlich vorhergesagt. Als er nach der Wiederherstellung des Reiches Gottes und dem Ende der Weltgeschichte gefragt wurde, sagte er zu seinen Jüngern, dass sie die Kraft des Geistes empfangen und seine Zeugen sein würden in Jerusalem, in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde (vgl. Apg 1,8).
Das Ideal der Weltmissionsgeschichte besteht darin, dieses fortwährende Wirken Gottes in und durch seine zeugnistragende Gemeinde aufzuzeichnen, während sie alle Völker zu Jüngern macht. Das ist es, was wir in der Apostelgeschichte und in weiten Teilen des Neuen Testaments finden – einen Bericht darüber, wie Gott die frühe Gemeinde aussandte, sogar durch Verfolgung, und sie dazu benutzte, Zeugnis zu geben und viele Jünger unter der jüdischen Emigration und den Heiden zu machen.
Anders als das Neue Testament ist jedoch die aufgezeichnete Weltmissionsgeschichte seit dem Ende des Kanons nicht vom Heiligen Geist inspiriert. Sie unterliegt fehlbaren Interpretationen darüber, was Gott weiterhin in der Welt getan hat; daher sollte jede spätere Geschichte der Weltmission, so wertvoll sie auch sein mag, darauf achten, die vermeintlichen Fortschritte oder Rückschläge, mit denen die Gemeinde konfrontiert gewesen ist, nicht überzubewerten.
Dennoch sind Berichte und Aufzeichnungen über die Geschichte der Weltmission wichtig, um der Gemeinde zu helfen, zu feiern und sich daran zu erinnern, was Gott getan hat, und um aus vergangenen Erfahrungen zu lernen. Es ist hilfreich, die Geschichte der Weltmission einzuteilen und zu erzählen, indem man folgende Epochen betrachtet:[4]
Expansion in der Vormoderne (30–1500 n.Chr.)
a. Mission vor dem Christentum (30–313 n.Chr.)
- Während der Pax Romana bewegte sich die frühe apostolische Kirche nach außen, legte ein kostspieliges und provokantes Zeugnis für das Evangelium vom Reich Christi ab und beschritt einen dritten Weg jenseits der kulturellen Kluft zwischen Juden und Heiden, die oft zu ihrer Verfolgung und ihrem Martyrium führte.
b. Mission und Christentum (313–1500 n.Chr.)
- Nachdem Konstantin das Toleranzedikt von Mailand erlassen hatte, machte Theodosius das Christentum zur offiziellen Religion des Römischen Reiches, was zu Verwirrung (und oft zu einer Vermischung) in Bezug auf Gottes Reich und die europäischen Reiche führte. Während viele durch das treue und organische christliche Zeugnis und die Bibelübersetzung zum echten Glauben kamen, wurden viele andere zu Kulturchristen, entweder aus politischem und sozialem Vorteil oder durch die Gewalt des Schwertes.
c. Mission außerhalb des Christentums (33–1500 n.Chr.)
- Außerhalb der westlichen Christenheit breitete sich das Christentum in unterschiedlichem Maße auch in Mesopotamien, Persien, Indien, Sri Lanka, Ägypten, Äthiopien, Armenien, Afghanistan, Tadschikistan, Tibet und China aus. Bemerkenswert ist, dass Äthiopien und Armenien sogar vor vielen westlichen Ländern zu überwiegend christlichen Nationen wurden.
Expansion im Zeitalter der Entdeckung und des Kolonialismus (1500–1900 n.Chr.)
a. Die Ausbreitung des Christentums
- Die große europäische Völkerwanderung verbreitete das Christentum über den gesamten Globus nach Asien, Afrika und Amerika, aber oft mit unchristlichen, gierigen, rassistischen und nationalistischen Anhängseln wie Sklavenhandel und Arbeit.
b. Kolonialismus und das „Große (19.) Jahrhundert“
- Während die nordatlantischen Nationen andere Länder ihrer politischen Kontrolle und europäischen Kultur unterwarfen, glaubten viele Missionare, dass der internationale Handel die Türen öffnete, um das Christentum zu den Nationen zu bringen. Obwohl die Bemühungen um Zeugenschaft oft als (ironischerweise) durch westliche Waffen geschützt wahrgenommen wurden, benutzte Gott dennoch treue und innovative Zeugen und wirkte unter den aufnahmebereiten Völkern, um Jünger zu machen, die dann das Christentum zu ihrem eigenen, kulturell verankerten Glauben machen würden.
c. Der Einfluss der Erweckungsbewegung
- Im Anschluss an die Erweckungen des 18. und 19. Jahrhunderts entstanden westliche protestantische Bewegungen wie die Student Volunteer Movement for Foreign Missions, die sich leidenschaftlich und kreativ für die Evangelisation der Welt einsetzten.
Ausbreitung auf und von allen Kontinenten (1900 n.Chr. bis heute)
Im Optimismus der Vorkriegszeit betonten die Protestanten die Zusammenarbeit und sprachen auf der Missionskonferenz von Edinburgh im Jahr 1910 sogar von der Evangelisierung der Welt „in dieser Generation“. Während der Enthusiasmus dieser meist westlichen Missionare durch die Weltwirtschaftskrise, zwei Weltkriege und protestantische Spaltungen zwischen den etablierten und den evangelikalen Kirchen gedämpft wurde, wuchs die Weltchristenheit in einer Weise, die sich nur wenige der Delegierten in Edinburgh hatten vorstellen konnten, als einflussreiche, nicht-westliche einheimische Kirchenführer im Ausland auftraten. Zum Ende des 20. Jahrhunderts hatte sich der Schwerpunkt des Christentums in die Entwicklungsländer verlagert, und Missionare wurden nun sowohl in die westlichen Länder als auch in die Entwicklungsländer entsandt. Mit dem Aufschwung des Weltchristentums haben sich Großkirchenprotestanten und evangelikale Protestanten, Pfingstler und Charismatiker sowie Ostorthodoxe und römische Katholiken zunehmend für missiologische Diskussionen über die Einheit und Vielfalt des Glaubens, über die religiösen „Anderen“ in säkularen und pluralistischen Gesellschaften und über die soziale und politische Verantwortung der Kirche angesichts von Ungerechtigkeit interessiert, neben vielen anderen Themen.
Obwohl diese Chronologie der Höhepunkte in der Weltmissionsgeschichte einen hilfreichen Zweck erfüllt, ist es wichtig zu betonen, dass sich eine gute Weltmissionsgeschichte nicht nur auf die sendenden Institutionen und die offiziell gesandten Missionare und ihre Siege und spektakulären Leistungen konzentriert. In Wirklichkeit besteht ein Großteil dessen, was Gott getan hat, um durch seine Gemeinde Jünger unter den Völkern zu machen, einfach darin, dass er gläubige Familien, die ihren Glauben weitergeben und gewöhnliche Laienchristen eingesetzt hat, die aus verschiedenen Gründen auswandern, die nichts mit dem beruflichen Missionsdienst zu tun haben.[5] Eine gute Geschichte der Weltmission erzählt auch diese (scheinbar banaleren) Geschichten.
Ein geschichtlicher Abriss sollte auch die Rückschläge, Grenzen und Sünden der Gemeinde, der Missionsgesellschaften und der Missionare erwähnen, wie etwa die Mitschuld an der Förderung von Rassenhierarchien, westlicher Vorherrschaft und gieriger imperialistischer Politik, die nur nationalistischen Interessen diente. Eine solche Geschichtsaufarbeitung kann der Gemeinde helfen, ihre Fehler zu bereuen und daraus zu lernen.
Historiker, die sich mit Weltmission beschäftigen, täten auch gut daran, das Beispiel von Wissenschaftlern wie Lamin Sanneh zu beherzigen, der die Geschichte der Weltmission nicht nur aus der Perspektive derer untersucht hat, die anderen das Evangelium bezeugten. Er befasste sich auch mit der Perspektive derer, die die zu ihnen gesandten Zeugen des Evangeliums empfingen.[6] Weltmission ist so viel mehr als die Aussendung von Menschen, die Zeugnis ablegen, um einheitliche Bekehrte zu machen. Weltmission bedeutet, dass echte Menschen Gottes Zeugen empfangen und sich gedanklich mit ihnen auseinandersetzen und dass der Heilige Geist neue Völker dazu bringt, das Evangelium auf kreative Weise zu verinnerlichen, zu kontextualisieren, zu übersetzen und auf neue Weise als kulturell verankerte Jünger Jesu anzuwenden.
1Weitere Informationen über die Gemeinde in ihrer zweifachen Form findet man in Herman Bavinck, Reformed Dogmatics, Band 4, Holy Spirit, Church, and New Creation, John Bolt (Hrsg.), Grand Rapids: Baker Academic, 2008, S. 329–32.
2Mehr über die Methode der „subversiven Erfüllung“, die darin besteht, ein gewinnendes und überzeugendes Zeugnis für Christus und sein Reich gegenüber den Götzen dieser Welt abzulegen, siehe Daniel Strange, Their Rock Is Not Like Our Rock: A Theology of Religions, Grand Rapids: Zondervan, 2014.
3Siehe John Piper, Let the Nations Be Glad! The Supremacy of God in Missions, Grand Rapids: Baker, 2003, S. 17.
4Siehe A. Scott Moreau, Gary R. Corwin, and Gary B. McGee, Introducing World Missions: A Biblical Historical, and Practical Survey, Grand Rapids: Baker Academic, 2015.
5Siehe Jehu J. Hanciles, Migration and the Making of Global Christianity, Grand Rapids: Eerdmans, 2021.
6Siehe Lamin Sanneh, Disciples of All Nations: Pillars of World Christianity, Oxford: Oxford University Press, 2008 und Translating the Message: The Missionary Impact on Culture, Maryknoll, NY: Orbis Books, 2009.