Was verbindet uns als Gemeinde?

Buchauszug von Collin Hansen
21. August 2024 — 3 Min Lesedauer

Angenommen, du möchtest so schnell wie möglich eine Gemeinde aufbauen. Dein Hauptziel ist eine möglichst hohe Mitgliederzahl. Du möchtest Menschen anziehen. Was tust du?

Gängige Gemeindewachstums-Strategien

Du würdest wahrscheinlich mit einer Form von Verkündigung und Lehre anfangen, oder? Heutzutage kann man mit Büchern, Podcasts und Videos Anhänger auf der ganzen Welt gewinnen. Vielleicht kämst du auch zum Schluss, dass eine Online-Gemeinde zum schnellsten zahlenmäßigen Wachstum führt. Wenn sich alles um einen dynamischen Lehrer mit charismatischer Ausstrahlung dreht, ist eine große Anhängerschaft fast garantiert. Und vergiss die Musik nicht! Viele Gemeinden hinken mit ihrem Lobpreis Jahrzehnte hinterher. Du beschließt also, dass in deiner Gemeinde nur die neueste, modernste Musik gespielt wird. Du stellst Musiker ein und ermutigst sie dazu, ihre Musik aufzunehmen und digital zu vermarkten. So entsteht hoffentlich eine große Gruppe von Anhängern, die hoffentlich zu eurem Ruf als innovative und wachsende Gemeinde beitragen.

„Wir müssen die Gemeinde als ‚Gemeinschaft der Verschiedenen‘ neu entdecken.“
 

Und was ist mit Gemeinschaft? Die meisten sagen zwar, dass sie sich Musik und Lehre wünschen, aber was sie tatsächlich brauchen, sind Freunde. Das ist nicht so einfach umzusetzen, wenn jeder mit Arbeit und Familie beschäftigt ist. Kleingruppen scheinen nach wie vor ideal dafür geeignet zu sein, dass Menschen sich besser kennenlernen. Doch wie organisiert man sie? Man könnte Leute zusammenbringen, die in derselben Gegend wohnen. So könnte man bereits bestehende Freundeskreise einfach unterbringen. Der wohl beste Ansatz ist jedoch, die Menschen anhand von Lebensphasen und Interessen einzuteilen. Alle frisch gebackenen Eltern kommen in eine Gruppe. Alle Singles kommen in die nächste – und ältere Menschen, deren Kinder schon aus dem Haus sind, kommen in wieder eine andere Gruppe. Man kann eine Gruppe starten für Motorradfahrer, eine für Fußball-Fans und eine weitere für Leute, die gerne backen. Die Möglichkeiten sind nahezu endlos. Irgendwann werden Menschen durch die vielfältigen Angebote deiner Gemeinde angelockt. Deine Gemeinde wird die lebendigste Jugendarbeit der Stadt haben, also werden Eltern zu dir wechseln. Du startest einen Sonntagabend-Gottesdienst, sodass auch die Golfliebhaber kommen können, die sonntagmorgens lieber auf dem Rasen stehen. Je mehr verschiedene Möglichkeiten die Menschen haben, an deinen Gemeindeveranstaltungen teilzunehmen, ohne ihren Lebensstil irgendwie anpassen zu müssen, desto mehr wird die Zahl deiner Gemeindemitglieder wachsen.

Das Ziel muss sein, unterschiedliche Menschen zusammenführen

Diese Beschreibung gibt dir eine Vorstellung von der Denkweise vieler Gemeindeleiter heutzutage. Wir haben mit der Absicht von Gemeinden angefangen, zahlenmäßig zu wachsen. Aber ist dir die Annahme aufgefallen, die all diesen Strategien zugrunde liegt? Menschen sind gerne mit Menschen zusammen, die wie sie selbst sind. Sie fühlen sich in vertrauten, vorhersehbaren Mustern wohl. Sie wollen unter Menschen sein, die denselben Predigtstil und dieselben musikalischen Vorlieben haben. Sie verbringen gerne Zeit mit Leuten, die dieselben Fragen zu Partnerschaft, Ehe und Erziehung stellen und häufig auch mit denen, die dieselbe Hautfarbe haben. Der schnellste und effektivste Weg zur großen Gemeinde ist es also, einen bestimmten Teil der Bevölkerung zu identifizieren, der dieselben Interessen hat, um dann Lehre, Musik und Gemeinschaft genau auf die Vorlieben dieser Gruppe auszurichten. Das ist kein neuer Trend. So wurde es in der Kirchengeschichte großteils praktiziert. Deswegen müssen wir die Gemeinde auch als die „Gemeinschaft der Verschiedenen“ neu entdecken. In der Gemeinde vor Ort lehrt Jesus uns, dass wir alle möglichen Menschen lieben sollen, sogar unsere Feinde – Menschen aus unterschiedlichen Ländern, Kulturen und Ethnien. Wie die Sonne, die am frühen Morgen allmählich am Horizont erscheint, so sollte folgende Prophetie aus dem Alten Testament sich in unseren Gemeinden immer mehr erfüllen: „Und er wird Recht sprechen zwischen den Heiden und viele Völker zurechtweisen, sodass sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden werden und ihre Speere zu Rebmessern; kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen.“ (Jes 2,4)

Sieh dich beim nächsten gemeinsamen Gemeinde-Mittagessen, beim nächsten Einsatz deiner Kleingruppe im Altenheim oder beim nächsten Männergebetstreffen doch mal um und frag dich, was du hier siehst. Ist es Liebe, die ein Volk von unterschiedlichsten Menschen verbindet?

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Dieser Auszug stammt aus Gemeinde wiederentdecken: Warum die Ortsgemeinde so wichtig ist von Collin Hansen und Jonathan Leeman, S. 95–97. Das Buch kann hier bestellt werden.

Collin Hansen ist Chefredakteur von The Gospel Coalition. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher. Er und seine Frau gehören zur Redeemer Community Church in Birmingham, Alabama (USA).