Der erste und der letzte Adam

Artikel von Mitchell Chase
16. August 2024 — 7 Min Lesedauer

Der erste Adam, der Ebenbildträger

Adam war der erste Träger des Ebenbildes Gottes. Diese Tatsache ist wichtig für das, was danach geschah. Gott setzte ihn in den Garten Eden, um diesen zu bebauen und zu bewahren (vgl. 1Mo 2,8.15), er versorgte ihn (vgl. 1Mo 2,16), und verbot ihm vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen zu essen (vgl. 1Mo 2,17). Adam gab den Vögeln und Tieren Namen (vgl. 1Mo 2,20), fand unter ihnen jedoch keine Gefährtin, die zu ihm passen würde. Also machte Gott die Frau aus der Rippe des Mannes. Beide trugen Gottes Ebenbild in sich und sollten ihn treu widerspiegeln und repräsentieren (vgl. 1Mo 2,21–25; 1Mo 1,27).

Obwohl Gott den Mann zuerst erschaffen hatte, wandte sich die Schlange mit ihrer Täuschungsstrategie an die Frau. Und obwohl die Frau vor ihrem Mann von dem Baum aß, rief Gott den Mann und fragte: „Wo bist du?“ (1Mo 3,6.9). Bevor Gott das Paar aus dem Garten Eden verbannte, richtete er seine Aufmerksamkeit auf ihn: „Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner, indem er erkennt, was gut und böse ist“ (1Mo 3,22). Dann heißt es: „So schickte ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, damit er den Erdboden bearbeite, von dem er genommen war. Und er vertrieb den Menschen und ließ östlich vom Garten Eden die Cherubim lagern und die Flamme des blitzenden Schwertes, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen“ (1Mo 3,23–24).

„Als Adam nahm und aß, waren wir in ihm und nahmen und aßen. Sein Problem wurde zu unserem Problem, sein Fall zu unserem Fall.“
 

Anhand dieser Beobachtungen aus 1. Mose 2 und 3 können wir auf Adams Rolle als „Bundeshaupt“ schließen: Der Mann war mehr als einfach nur der erste Träger des Ebenbildes Gottes, er war das Haupt der menschlichen Spezies. Als Haupt der Menschheit war Adam ein Maß an Verantwortung übertragen worden, welches das Potenzial zutiefst verheerender Konsequenzen in sich barg. Als Adam aus dem Garten Eden hinausgeschickt wurde, wurden auch wir in ihm hinausgeschickt. Als Adam handelte, handelte er an unserer Stelle. Die Auswirkungen seiner Entscheidung waren daher weitreichend und anhaltend. Als Adam nahm und aß, waren wir in ihm und nahmen und aßen. Sein Problem wurde zu unserem Problem, sein Fall zu unserem Fall.

Im weiteren Verlauf erzählt die Bibel von unserem Tod in Adam. Wir sehen das daran, dass die Nachkommen von Adam und Eva außerhalb von Eden geboren werden, außerhalb von Eden leben, und außerhalb von Eden sterben. Das nachfolgende biblische Narrativ zeigt uns also, dass das, was im Garten passiert ist, uns allen passiert ist. Der Apostel Paulus schreibt, dass „in Adam alle sterben“ (1Kor 15,22). In Adam. Adam war das Bundeshaupt der Menschheit, darauf spielt Paulus mit seiner „Einheitssprache“ an. Wir sind außerhalb von Eden und „in Adam“ zur Welt gekommen. Paulus sagt, dass „der Tod durch einen Menschen kam“ (1Kor 15,21). Wir werden in eine Welt des Todes hineingeboren und befinden uns auf dem Weg zum Tod. Das alles lehrt uns, dass Gott mit seiner Warnung – „denn an dem Tag, da du davon isst, musst du gewisslich sterben“ (1Mo 2,17) – sowohl Adam als auch alle Menschen „in“ Adam meinte.

„Was wir brauchen, ist ein neues Bundeshaupt. Wenn unser Sein ‚in Adam‘ Verdammnis und Tod bedeutet, dann brauchen wir einen Retter, der uns Leben schenkt.“
 

Was wir brauchen, ist ein neues Bundeshaupt. Wenn unser Sein „in Adam“ Verdammnis und Tod bedeutet, dann brauchen wir einen Retter, der uns Leben schenkt. Wir brauchen jemanden, der an unserer Stelle stehen kann und dessen Taten uns angerechnet werden können. Wir brauchen jemanden, der unsere Menschlichkeit wiederbelebt und unseren Zustand heilt. Wer wird unsere tiefen Wunden heilen und uns aus dem Sumpf unserer Sünde befreien? Wir brauchen einen neuen Adam, einen letzten Adam. Wenn der erste Mensch versagt hat, brauchen wir einen Adam, der treu sein wird und dessen Treue sich auf die Gegenwart und Zukunft aller auswirken wird, die mit ihm vereint sind.

Der letzte Adam, der Herr aus dem Himmel

Paulus sagt, dass Jesus der „letzte Adam“ ist (1Kor 15,45). Jesus ist „der Herr aus dem Himmel“ (1Kor 15,47), und als durch Gnade in ihm Wiedergeborene „werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen“ (1Kor 15,49). Jesus ist unser neues Haupt, der Führer und Erstling der neuen Menschheit. Diese Annahmen über Adam und Jesus erklären Paulus’ Argumentation in Römer 5,12–21. Paulus lehrt: „Darum, gleichwie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, und so der Tod zu allen Menschen hingelangt ist, weil sie alle gesündigt haben“ (Röm 5,12). Der „eine Mensch“ war Adam, und seine Sünde war der Ungehorsam im Garten Eden. Wenn Paulus erklärt: „Der Lohn der Sünde ist der Tod“ (Röm 6,23), hat er 1. Mose 2,17 richtig gelesen und auf diejenigen angewandt, deren geistliches Haupt Adam ist.

In Römer 5 verkündet Paulus, dass das Werk Christi die schlimme Natur der Sünde Adams sowohl beseitigt als auch übertroffen hat. Paulus hat das Gnadenwerk Jesu im Blick, wenn er sagt: „Aber es verhält sich mit der Gnadengabe nicht wie mit der Übertretung. Denn wenn durch die Übertretung des Einen die Vielen gestorben sind, wie viel mehr ist die Gnade Gottes und das Gnadengeschenk durch den einen Menschen Jesus Christus in überströmendem Maß zu den Vielen gekommen“ (Röm 5,15). Adams Übertretung brachte Verdammnis und Tod, aber Jesu Gerechtigkeit brachte Rechtfertigung und Leben (vgl. Röm 5,18).

Das christliche Leben

Als wahrer Gott und wahrer Mensch war Jesus kein Übertreter wie der erste Adam. Unsere Hoffnung ist die vollkommene Gerechtigkeit Jesu, die uns Sündern angerechnet wird, und ohne die wir verdammt würden. Das Evangelium ist eine gute Nachricht, weil es den stellvertretenden Tod Christi verkündet, der aus seinem stellvertretenden Leben hervorgegangen ist. Jesus lebte das Leben, das wir hätten leben sollen, aber nicht hätten leben können. Theologen bezeichnen den irdischen Gehorsam Christi als seinen aktiven Gehorsam, der seine Rolle als unser neues Bundesoberhaupt sichert und demonstriert.

„So wie sich Adams Handlungen auf alle auswirken, die in ihm sind, wirken sich die Handlungen Christi auf alle aus, die in ihm sind.“
 

Unsere Vereinigung mit Christus bedeutet, dass wir nicht mehr in Adam sind. Wir sind jetzt durch den Glauben in Christus. Mit den offenen Händen des Glaubens haben wir Gottes Gnadenangebot der Rettung in seinem Sohn angenommen. Das gesamte Leben des Jüngers ist die Frucht dieser neuen und untrennbaren Verbindung. Wir sind mit Christus gekreuzigt und mit Christus auferweckt worden. Adam war ein Typus dessen, der kommen wird (vgl. Röm 5,14), aber die entsprechenden Taten stehen im Gegensatz zueinander. Adam brach Gottes Gesetz, während Christus es hielt. Und der neue Bund, den Christus aufgerichtet hat, ist ein Bund, der nicht untergraben, korrumpiert oder aufgehoben werden kann. Das Leben im neuen Bund ist Leben in Christus, und Leben in Christus bedeutet, dass der Baum des Lebens für immer unser ist.

Für die Lehre von der Rechtfertigung ist es wichtig, den Bundesrahmen für Adams Handeln zu erkennen. So wie sich Adams Handlungen auf alle auswirken, die in ihm sind, wirken sich die Handlungen Christi auf alle aus, die in ihm sind. Aufgrund des vollkommenen Gehorsams und des stellvertretenden Todes Christi können unseres Standes in Christus sicher sein, denn wir sind vor Gott so sicher wie der Sohn selbst. Der Bund der Werke bietet uns einen hilfreichen Hintergrund, um die unübertreffliche Herrlichkeit und Gnade des Kreuzes zu würdigen. Durch seinen Leib und sein Blut wurde ein neuer Bund geschlossen. Christus wurde um unseretwillen gebrochen, damit unsere Einheit mit ihm nicht mehr gebrochen werden kann.