Eine Gemeinde mit Schwierigkeiten
Der 1. Korintherbrief
1. Die Gemeinde in Korinth stand vor vielen Herausforderungen
Apostel Paulus war der Gründer der Gemeinde in Korinth. Er war also das menschliche Werkzeug, das Gott benutzte, um diese Gemeinde ins Leben zu rufen. Auf seiner zweiten Missionsreise in den frühen 50er Jahren des 1. Jahrhunderts kam er in diese Stadt, die auf der Landbrücke zwischen dem achäischen Festland und dem Peloponnes im Süden liegt. Die Stadt verfügte über zwei Häfen (Lechaion und Kenchreai) und hatte schätzungsweise 150.000 Einwohner. Korinth war bevölkerungsreich, götzendienerisch und sehr unmoralisch.
Paulus begann seinen Dienst in der Synagoge. Als aber der Widerstand dort zu groß wurde, führte er den Dienst im Haus von Justus fort, einem Gläubigen. Zweifellos diente er auch auf der Agora und an anderen Orten. „Und auch viele Korinther, die zuhörten, glaubten und ließen sich taufen“ (Apg 18,8). Gott ermutigte Paulus in einer nächtlichen Vision, furchtlos weiter zu dienen, denn es gäbe viele Menschen in der Stadt, die noch glauben würden. Er diente noch anderthalb Jahre dort. Es muss sich daher um eine beträchtliche Gemeinde gehandelt haben, die größtenteils aus ehemaligen Götzenanbetern und einigen Juden bestand. Paulus bezeichnet sich selbst als ihren geistlichen Vater (vgl. 1Kor 4,15).
Es war jedoch nicht leicht, dieser Gemeinde zu dienen. Einige von ihnen waren früher in sexuelle Perversionen verwickelt gewesen, für die die Stadt bekannt war; andere waren Götzendiener, Diebe und Trunkenbolde (vgl. 1Kor 6,9–11). Darüber hinaus bezeichnet Paulus sie als verliebt in griechische Weisheit (vgl. 1Kor 2,4–5), unreif (vgl. 1Kor 3,1), aufgeblasen (vgl. 1Kor 4,6), arrogant (vgl. 1Kor 5,2), prahlerisch (vgl. 1Kor 5,6), rücksichtslos (vgl. 1Kor 6,1; 11,21–22) – die Liste ließe sich fortführen. Wie diente Paulus den Menschen unter diesen Umständen?
Es ist bemerkenswert, dass er von Anfang an für sie dankt, sie lobt und anerkennt, dass es ihnen an keiner geistlichen Gabe mangelt (vgl. 1Kor 1,4–7). Später macht er deutlich, dass er ihnen nicht schreibt, um sie zu beschämen, sondern um sie als seine geliebten Kinder zu ermahnen (vgl. 1Kor 4,14). Seine pastorale Liebe zu ihnen ist offensichtlich. Seine letzten Worte im Brief sind: „Meine Liebe ist mit euch allen in Christus Jesus!“ (1Kor 16,24).
2. Der 1. Korintherbrief ist inhaltlich vielfältiger als alle anderen Paulusbriefe
Gresham Machen schreibt:
„Der erste Brief an die Korinther bietet mehr Informationen als jedes andere Buch des Neuen Testaments über die inneren Angelegenheiten einer apostolischen Kirche. Der 1. Korintherbrief allein stellt die praktischen Probleme einer frühen Kirche in ihrer ganzen verblüffenden Vielfalt dar.“[1]
Bei der Lektüre dieses Briefes wird die große Bandbreite der Themen des Buches deutlich. Paulus wurde über diese Angelegenheiten durch zwei Mitteilungen informiert, die er erhielt: einen Bericht von Chloe, der von einigen ihrer „Leute“, vielleicht Dienern, übermittelt wurde (vgl. 1Kor 1,11) und einen weiteren Bericht von Stephanas, Fortunatus und Achaikus, wahrscheinlich in Form eines Briefes von der Gemeinde (vgl. 1Kor 16,17).
„Der 1. Korintherbrief ist eine gute Erinnerung daran, dass jeder Christ in jeder Zeit versuchen muss, die Heilige Schrift auf seinen eigenen Kontext anzuwenden. Dafür brauchen wir Hilfe.“
Es gab spaltende Gruppen (vgl. 1Kor 1,11–12), einen Fall von Inzest, der selbst für die Heiden schockierend war (vgl. 1Kor 5,1), kleine Rechtsstreitigkeiten, die öffentlich ausgetragen wurden (vgl. 1Kor 6,1), den Bedarf von Unterweisung in Bezug auf Ehe und Scheidung (vgl. 1Kor 7), Meinungsverschiedenheiten über den Verzehr von Fleisch, das zuvor heidnischen Götzen geopfert worden war (vgl. 1Kor 8,1–11,1), verschiedene Angelegenheiten in Bezug auf Anbetung und den Gebrauch geistlicher Gaben (vgl. 1Kor 12–14) und die Leugnung der Realität der Auferstehung durch einige Mitglieder der Gemeinde (vgl. 1Kor 15,12). Das ist eine schwindelerregende Liste von Schwierigkeiten – und das sind nicht mal alle. Es war eine Gemeinde mit einer Vielzahl von Fragen und Anliegen.
3. Obwohl die Korinther und ihre Probleme zeitlich und kulturell weit von uns entfernt sind, ist Paulus’ Umgang damit für uns durchaus relevant
Auch hier ist Gresham Machens Beobachtung erwähnenswert:
„Der 1. Korintherbrief beschäftigt sich mit bestimmten konkreten Problemen einer alten Gemeinde. Diese Probleme sind nicht unsere Probleme ... [Aber] Paulus hatte die bemerkenswerte Fähigkeit, selbst kleinliche Probleme im Licht ewiger Prinzipien zu betrachten. Hier ist das Bemerkenswerte an 1. Korinther – jede Frage, die darin diskutiert wird, wird durch das Feuer der evangelischen Wahrheit geprüft. Daher der bleibende Wert des Briefes. Wie die hohen Prinzipien des Evangeliums im Alltag anzuwenden sind, ist die große Herausforderung der christlichen Lebensführung. Dieses Problem kann für keinen Menschen im Detail gelöst werden, denn die Details des Lebens sind von endloser Vielfalt; aber die Methode zur Lösung wurde in 1. Korinther 2 dargelegt.“[2]
Dies ist eine gute Erinnerung daran, dass jeder Christ in jeder Zeit versuchen muss, die Heilige Schrift auf seinen eigenen Kontext anzuwenden. Dafür brauchen wir Hilfe. Beginne mit einer guten Studienbibel, wie z.B. der Reformationsstudienbibel. Es gibt auch ausführlichere Kommentare, die von relativ einfachen bis hin zu sehr technischen reichen. Es gibt (leider nur auf Englisch) hilfreiche Listen der besten Kommentare, z.B. von Keith Mathison oder Tim Challies. Denk stets daran, dass deine größte Hilfe von Gott kommen muss. Psalm 119,18 ist ein gutes Gebet, das du sprechen kannst, wenn du die Bibel liest oder studierst: „Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an deinem Gesetz.“
1J. Gresham Machen, The New Testament: An Introduction to its Literature and History, Edinburgh: Banner of Truth, 1976, S. 131.
2Ebd., S. 134.