Merkmale einer guten Predigt

Artikel von Nick Gardner
28. Mai 2024 — 4 Min Lesedauer

Wie kann ein Prediger herausfinden, ob seine Predigten gut sind?

Es gibt mehrere Möglichkeiten, diese Frage zu beantworten: Was ist die Frucht? Wie reagiert die Gemeinde? Wie klar ist die Lehre? Am wichtigsten vielleicht: Wie nah kommt die Botschaft der eigentlichen Textpassage?

Eine Reise in die Vergangenheit kann helfen, diese Frage zu beantworten. Vor 375 Jahren, in der Westminstersynode, verfasste das puritanisch-presbyterianische Kirchenkonzil unter anderem den Großen Westminster Katechismus. Dieser thematisiert die Frage: „Was ist eine gute Predigt?“

„Frage 159: Wie muss das Wort Gottes von denen, welche dazu berufen sind, gepredigt werden? Antwort: Die, welche dazu berufen sind, im Amt des Wortes zu arbeiten, müssen die heilsame Lehre predigen mit Fleiß, zur Zeit und zur Unzeit; verständlich, nicht mit verlockenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft; in rechter Treue, indem sie allen Rat Gottes verkündigen; weise, indem sie sich den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Hörer anpassen; eifrig, mit brünstiger Liebe zu Gott und den Seelen seines Volkes; aufrichtig, indem sie seine Ehre und ihre Bekehrung, Erbauung und Seligkeit zum Ziel haben.“[1]

1. Fleißig

Der Herr wirkt durch den Fleiß, den der Prediger in der Vorbereitung auf die Predigt aufbringt. So schreibt der Apostel Paulus bezüglich der Bemühungen, Christus zu verkünden: „Dafür arbeite und ringe ich auch gemäß seiner wirksamen Kraft, die in mir wirkt mit Macht“ (Kol 1,29; vgl. auch 2Tim 2,1–10; 4,1–5).

Fleiß in der Vorbereitung und Fleiß in der Ausführung gehen Hand in Hand. Wer sich beim Training ins Zeug legt, wird sich auch beim Spiel anstrengen.

Predigen mit Fleiß bedeutet vor allem, dass wir uns darüber im Klaren sind, was wir sagen wollen, und es dann auch umsetzen.

2. Verständlich

Sorgfältig zu predigen bedeutet, klar zu predigen. Die gesunde Lehre muss auch immer verständlich sein. Die Westminstersynode folgte im Hinblick auf die Notwendigkeit einer klaren Verkündigung einfach dem Beispiel von Paulus: „Und wenn ich auch in der Rede ein Unkundiger bin, so doch nicht in der Erkenntnis; sondern wir sind euch gegenüber auf jede Weise in allem offenbar geworden.“ (2Kor 11,6; vgl. auch 1Kor 2,1–5).

Eine einfache Predigt ist nicht langweilig. Es ist eine Predigt, in der Christus in allem für alle offenbar wird.

3. Treu

Was bedeutet „in rechter Treue“? In der Antwort des Großen Westminster Bekenntnisses wird Treue folgendermaßen charakterisiert: „indem sie allen Rat Gottes verkündigen“.

Daher muss der Pastor, sofern er eine gute Predigt liefern möchte, aus der ganzen Bibel predigen. Dies bedeutet nicht, dass jedes Detail behandelt werden muss, sondern dass Substanz und Sinn der Abschnitte gepredigt werden.

In rechter Treue zu predigen heißt, dass wir auch schwierige Textpassagen wie Hiob 3 und kulturell unbequeme Stellen wie 1. Korinther 6,9 predigen.

4. Weise

Die weise Anwendung ist wohl die schwierigste Disziplin einer guten Predigt. Nach dem Großen Westminster Katechismus soll sich die Predigt den „Bedürfnissen und Fähigkeiten“ der Hörer anpassen. Das setzt voraus, dass der Pastor sich regelmäßig unter seine Leute mischt, sodass er die geistigen Bedürfnisse und Fähigkeiten kennt.

„Auch heute gilt: Der Prediger muss sowohl Text als auch Zuhörerschaft verstehen, um den Text auf die Hörer zu beziehen.“
 

Bevor J.C. Ryle anglikanischer Bischof von Liverpool wurde, lernte er das Predigen durch seine Tätigkeit als Vikar auf dem Lande.[2] Ryle musste dafür seine aus kosmopolitischer Erziehung stammenden Predigten auf die Bauern und Landleute in seiner Pfarrgemeinde anpassen.

Auch heute gilt: Der Prediger muss sowohl Text als auch Zuhörerschaft verstehen, um den Text auf die Hörer zu beziehen.

5. Eifrig

Eifer wird häufig mit Emotionen und Charisma verwechselt. Natürlich können Emotionen und Charisma im Eifer enthalten sein, doch die Aussagen des Westminster Bekenntnisses deuten darauf hin, dass sich der Eifer des Predigens auf unsere Motivation bezieht: Liebe zu Gott und seinem Volk (vgl. 1Tim 1,5).

Die Predigt muss daher in erster Linie den Wunsch haben, sich des unerforschlichen Reichtums Christi zu rühmen. Darüber hinaus wünscht der Prediger seiner Zuhörerschaft, dass sie schmecken und sehen kann, wie freundlich der Herr ist (vgl. Ps 34,9). In diesem Sinne ermutigt Paulus die Gemeinde in Rom: „Im Eifer lasst nicht nach, seid brennend im Geist, dient dem Herrn!“ (Röm 12,11).

6. Aufrichtig

Aufrichtigkeit kann sich auf die Reinheit der Absichten beziehen. Hier aber zielt die Formulierung des Katechismus auf die erhofften Ergebnisse: „indem sie [Gottes] Ehre und [seines Volkes] Bekehrung, Erbauung und Seligkeit zum Ziel haben.“

„Bei einer guten Predigt geht es letztlich immer darum, Gott zu verherrlichen und Sünder zu retten.“
 

Bei einer guten Predigt geht es letztlich immer darum, Gott zu verherrlichen und Sünder zu retten.

Schlussfolgerung

Bei der Beantwortung von Frage 159 („Wie muss das Wort Gottes von denen, welche dazu berufen sind, gepredigt werden?“) legt der Große Westminster Katechismus den Schwerpunkt auf die Ehre Gottes und den Nutzen für die Zuhörer. Es geht nicht um eine geschmeidige Performance oder das Ansehen des Predigers.

Also, lieber Prediger, weg mit Stolz und Prahlerei. Predige „gemäß dem Glauben der Auserwählten Gottes“ (Tit 1,1). Folgen wir dem puritanischen Vorbild, indem wir in unseren Bemühungen, seine Gemeinde zu bauen, viel aus Gott und wenig aus uns selbst schöpfen (vgl. Joh 3,30).


1Ian Murray, Prepared to Stand Alone, Banner of Truth, 2016.