Kindergottesdienst

Rezension von Hanna Stadt
16. Mai 2024 — 8 Min Lesedauer

Kindergottesdienste finden Sonntag für Sonntag in den allermeisten Gemeinden in Deutschland statt. Aber warum machen wir Kindergottesdienste überhaupt und wie können wir sie so gestalten, dass Kinder ins Staunen über Gott geraten und ihre Beziehung zu ihm vertiefen? Diesen Fragen widmet sich Anke Kallauch in ihrem neu erschienenen Buch mit dem Titel Kindergottesdienst: Vom Warum und Wie zum Staunen. Darin stehen Kinder, deren geistliche Entwicklung und die Mitarbeiter im Zentrum.

Das Buch gliedert sich in einen Grundlagen- und einen Praxisteil. Im ersten Teil werden die für das Buch und die Gestaltung des Kindergottesdienstes grundlegenden Werte vorgestellt. Der Leser erhält einen Einblick in Kallauchs Verständnis von der Glaubensfähigkeit und -entwicklung von Kindern und davon, welche Rolle Kinder in der gesamten Gemeinde spielen. Im zweiten Teil ist alles dabei: von der Mitarbeit im Kindergottesdienst über den Beziehungsaufbau zu den Kindern, den Ablauf, die Elemente und Materialien eines Kindergottesdienstes bis hin zum Kinderschutz und Hilfestellungen, wie Kindergottesdienste weiterentwickelt werden können.

Theologie und Didaktik

Anke Kallauch teilt die für den Kindergottesdienst relevanten Werte in fünf Kategorien ein. Ich möchte mich hier auf die zwei Wertekategorien Theologie und Didaktik beschränken, die ein Gespür dafür geben, welche Überzeugungen dem Buch zugrunde liegen.

„In Gottes Augen sind Kinder geliebt und wertvoll.“
 

Theologie Die Autorin zeigt anhand biblischer Begebenheiten aus dem Alten und Neuen Testament Gottes liebendes Herz für Kinder auf. In Gottes Augen sind Kinder geliebt und wertvoll. Jesus nimmt sie wahr, geht auf sie ein und erklärt, dass sich Erwachsene ein Beispiel an der empfangenden Haltung von Kindern nehmen können. Dieser Blick auf Kinder bildet für die Autorin die Grundlage für die Arbeit mit Kindern im Gemeindekontext. Damit ermutigt sie Mitarbeiter, eine liebevolle Haltung den Kindern gegenüber zu kultivieren. Allerdings wäre gerade am Anfang des Buches ein umfassenderes und mit der Bibel begründetes Verständnis von Kindern nützlich. Die Autorin geht beispielsweise nicht darauf ein, dass auch Kinder von Natur aus sündige Herzen haben (vgl. 1Mose 8,21f). Dieses mangelnde Sündenbewusstsein in Bezug auf Kinder zeigt sich auch an späterer Stelle im Buch, wenn es um die Frage geht, ob sich Kinder bekehren müssen. Anke Kallauch schreibt dort, ein Aufruf zur Bekehrung bei Kindern sei „unlogisch und abwegig“ (S. 94), da christlich-sozialisierten Kindern nicht klar sei, wovon sie sich abwenden sollen.

Didaktik Die didaktischen Werte gründen auf der Annahme, dass die Mitarbeiter mit den Kindern auf Augenhöhe stehen und mit ihnen gemeinsame Glaubensentdeckungen machen. Das bedeutet in der Umsetzung etwa, dass Mitarbeiter nicht „die theologische Deutung einer Geschichte vor[geben]“ (S. 25), sondern dass den Kindern ein Raum geboten werden soll, in dem sie ihre eigenen Erfahrungen machen können. Die Mitarbeiter nehmen demnach weniger eine vermittelnde und vielmehr eine begleitende Rolle ein. Ich stimme zu, dass es wichtig ist, Kinder dort abzuholen, wo sie stehen und sie zum Mitdenken anzuregen. Dennoch lässt Kallauch dabei den Erfahrungs- und Erkenntnisvorsprung außen vor, den Erwachsene Kindern gegenüber haben.

Entwicklungsstufen und Glaube

Nachdem Anke Kallauch die grundlegenden Werte dargestellt hat, widmet sie sich dem Glauben der Kinder aus einer entwicklungspsychologischen Perspektive. Sie geht auf die unterschiedlichen Alters- und Entwicklungsstufen ein und erläutert, welche Fähigkeiten in der jeweiligen Phase entfaltet werden. Davon ausgehend beschreibt sie, wie für jede Altersgruppe eine Atmosphäre geschaffen werden kann, in der sich der Glaube der Kinder bestmöglich weiterentwickeln kann.

Im Alter von 3 bis 6 Jahren sei es beispielsweise wichtig, auf Fragen der Kinder nicht mit Sachinformationen zu antworten, sondern zu versuchen, sich auf die Gedankenwelt der Kinder einzulassen. Mit diesen Grundlagen sensibilisiert die Autorin Kindergottesdienstmitarbeiter für die Fähigkeiten, die Bedürfnisse und die Entwicklung von Kindern. Dadurch hat mir das Buch geholfen, mir die Kinder, die ich aus dem Kindergottesdienst kenne, vor Augen zu halten und mir bewusst zu machen, wie weit ihr Denken, Fühlen und Handeln schon entwickelt sind. Auch half es mir zu reflektieren, was das für die Vermittlung von Glaubensinhalten bedeutet.

Eine der Hauptthesen in diesem Kapitel lautet, dass Kinder jeden Alters glauben können. Glaube beinhaltet laut Anke Kallauch neben dem Gottesverständnis der Kinder auch die Gottesbeziehung, also wie sie Gott erleben und erfahren. Sie schreibt: „Beim heilsempfangenden Glauben geht es aber nicht nur um ein Fürwahrhalten oder Verstehen … Sondern es geht vor allem um das grundlegende, unser Leben bestimmende Vertrauen auf Gott, der uns in Jesus seine Liebe zeigt“ (S. 125). Obwohl die Autorin häufig von „Glaube“ spricht, wird an keiner Stelle des Buches definiert, was der Inhalt des Glaubens ist. – Woran müssen Kinder glauben? Ich bezweifle, dass sie das Wort im Sinne eines rettenden Glaubens gebraucht, denn dieser muss auf dem Evangelium von Jesus Christus gegründet sein (vgl. 1Kor 15,3–4).

Kinder und Gemeinde

Es ist wichtig, den Kindergottesdienst nicht losgelöst von der Gemeinde zu sehen. Kinder sind ein Segen und „eine missionarische Aufgabe der Gemeinde“ (S. 101). Anke Kallauch schlägt u.a. einen gemeinsamen Gottesdienstbeginn vor, um eine generationenübergreifende Gemeinschaft zu fördern. Außerdem spricht sie sechs Faktoren einer Gemeinde an, die Kinder und Jugendliche anzieht und hält. Dabei sollte man sich der Gefahr bewusst sein, Kinder zu sehr im Fokus zu haben und dabei das Wohl der Gesamtgemeinde aus dem Blick zu verlieren. Je nach Gemeinde und ihrer Geschichte ist es aber sicher wichtig, die Gemeinde für den Wert und die Bedürfnisse der Kinder in einer Gemeinde zu sensibilisieren.

Mitarbeiter und Beziehungen

Ein sehr gelungenes Kapitel findet sich im ersten Block des Praxisteils. Hier wird die Mitarbeit im Kindergottesdienst thematisiert. Besonders Gruppenleiter bekommen an dieser Stelle einige praktische Tipps, wie Mitarbeiter gewonnen, angeleitet, wertgeschätzt und gefördert werden können. Außerdem wird die Relevanz von Teamtreffen und Fortbildungen betont.

Ebenfalls ermutigend ist der Abschnitt über die Beziehungen im Kindergottesdienst. Eine große Bedeutung wird der Beziehung zugesprochen, die Mitarbeiter zu Kindern aufbauen. Daher gibt Anke Kallauch auch hier praktische Anregungen weiter, wie Mitarbeiter Kinder bewusst wahrnehmen, auf sie zugehen und mit ihnen ins Gespräch kommen können. Auch Spiel und Spaß dürfen im Kindergottesdienst nicht zu kurz kommen, da die Kinder in diesem Rahmen wertvolle Beziehungen untereinander bauen. In diesem Alter ist es zudem wichtig, den Kontakt zu den Eltern zu pflegen. Auch für diese Beziehungsebene liefert die Autorin konkrete Umsetzungsvorschläge.

Abläufe und Kinderschutz

Im Kapitel „Der Rahmen des Kindergottesdienstes“ geht die Autorin auf den Ablauf und die wichtigsten Elemente eines Kindergottesdienstes ein. Neben der Bibelgeschichte, die im Mittelpunkt stehen soll, gibt es andere Bausteine wie das Gebet, das gemeinsame Singen und den Segen. Anke Kallauch betrachtet alle Elemente so, dass sie für Kinder möglichst gewinnbringend sind. Alles soll dazu dienen, dass Kinder geistliche Erlebnisse haben können. Außerdem gibt die Autorin u.a. Denkanstöße zur Raumgestaltung und teilt wertvolle Tipps für den Umgang mit Unruhe in der Gruppe. Der Leser kann hier einige Ideen für die Gestaltung des Kindergottesdienstes mitnehmen, muss sich aber bewusst sein, dass häufig die biblische Grundlage dafür fehlt, wieso die genannten Elemente in den Kindergottesdienst gehören.

Es folgen kurze Kapitel über Aufsichtspflicht und Kinderschutz sowie Methoden, die dabei helfen sollen, die Kindergottesdienste in der eigenen Gemeinde weiterzuentwickeln. Die Autorin schließt mit einem motivierenden und bewegenden Kapitel, in dem sie den Wert des Dienstes mit Kindern hervorhebt. Sie schreibt: „Alles, was wir als Mitarbeitende Gottes tun, ist Mitwirkung an dem, was er begonnen hat. Alles, worum wir uns bemühen, ist Mitwirkung an dem, was er zum Ende bringen wird“ (S. 248).

Stärken und Schwächen

Das Buch Kindergottesdienst ist ein inspirierendes Grundlagenwerk, das sehr praxisnah und lebendig geschrieben ist. Die Autorin spricht darin primär Kindergottesdienst- und Gemeindeleiter an, aber auch für Mitarbeiter und Eltern kann das Buch interessant sein. Die Erkenntnisse, die die Autorin teilt, basieren auf ihrer langjährigen Erfahrung als Mutter von drei Kindern und Kindergottesdienstreferentin im Bund FeG. Im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit hat sie auch eigene Kindergottesdienstmaterialien entwickelt, auf die sie in ihrem Buch immer wieder verweist.

„Der Leser merkt, dass der Autorin dieses Thema sehr am Herzen liegt und sie viel Erfahrung mitbringt.“
 

Wiederholungen und prägnante Zusammenfassungen am Ende der Kapitel helfen dabei, die wichtigsten Aussagen nicht zu verpassen. Der Leser merkt, dass der Autorin dieses Thema sehr am Herzen liegt und sie viel Erfahrung mitbringt. Die beschriebenen Beispiele, Vorschläge und Anregungen wirken nicht aufdringlich oder überfordernd, sondern einladend und motivierend. Jeder Kindergottesdienstmitarbeiter wird sich darin wiederfinden und neue Ideen gewinnen können. Leider fehlt häufig eine geistliche und biblisch fundierte Perspektive auf den Dienst mit Kindern. Auch wenn das geistliche Anliegen mitschwingt, habe ich klar formulierte theologische Standpunkte vermisst; dazu gehören die klare Definition des Evangeliums als Inhalt des Glaubens und die Lehre über den Menschen als erlösungsbedürftigen Sünder. Trotzdem habe ich das Lesen des Buches als wertvoll empfunden, kann einige Inspirationen für meinen Dienst mit Kindern mitnehmen und es auch anderen im Kinderdienst Arbeitenden empfehlen.

Buch

Anke Kallauch, Kindergottesdienst: Vom Warum und Wie zum Staunen, Hattingen: Volltreffer, 2023, 264 Seiten, 22,00 EUR.