Jesus sitzt auf dem Thron

Artikel von David Mathis
8. Mai 2024 — 9 Min Lesedauer

In Zeiten, in denen raue Wellen das Schiff unseres christlichen Lebens ins Wanken bringen, kann die Erinnerung an eine vermeintlich offensichtliche Wahrheit hilfreich sein: Wir haben einen souveränen Gott. Was auch immer seinem Volk widerfährt, hat er liebevoll durch seine Finger gesiebt. Unsere Prüfungen und Schwierigkeiten sind kein Beweis für sein Aufgeben oder seine Niederlage, sondern für seine erstaunliche Geduld und seinen geheimnisvollen Zeitplan.

Dass er immer noch als Regent auf dem Thron sitzt, kann vage und weit entfernt scheinen. Dennoch können wir in der Erinnerung an seine Herrschaft Trost finden.

Dass Gott herrscht, enthält aber auch eine christliche Wahrheit mit einer konkreteren Bedeutung. Gott, der Sohn, der von Ewigkeit her war, der als Mensch auf die Erde kam, für uns lebte, starb und auferstand, ist zu seinem Vater im Himmel aufgefahren. Dort hat er sich als König auf den Thron des Universums gesetzt und tritt dort für uns ein. Er „sitzt im Regimente“ und herrscht über das Universum. Jesus ist Herr, genau in diesem Augenblick. Es geht nicht nur um eine Zuschreibung der allumfassenden göttlichen Souveränität, sondern um eine Beschreibung der Herrschaft Jesu als Messias. Es geht um die Thronbesteigung, bei der er sich machtvoll als göttlicher Herrscher und Mensch „zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt“ hat, um zu herrschen (vgl. Hebr 1,3).

Was bedeutet die Regentschaft Jesu?

Die Bedeutung der Himmelfahrt Christi, seiner Fürsprache für uns und die Bedeutung der Inthronisation wird schnell unterschätzt. Ihre Wiederentdeckung wird uns Freude schenken und festen Halt geben. Zu Recht bekennen wir, was Christus in der Vergangenheit getan hat (z.B. dass er auf die Erde kam, lebte, starb und auferstand) und was er zukünftig tun wird (z.B. seine Wiederkunft und das Gericht). Doch obwohl wir ihn als Herrn bekennen, wissen wir manchmal nicht so richtig, was er gegenwärtig tut.

Die Inthronisation lehrt uns, wo Jesus ist und was er in diesem Moment tut. Genau jetzt, während du diese Worte liest, den ganzen Tag lang. Während deines bisherigen Lebens hat er zur Rechten Gottes gethront. Und auch in deinem ganzen zukünftigen Leben wird er dort sitzen. Er thront dort, seit er in den Himmel auffuhr, als König der Könige gekrönt wurde, und bis er wiederkommt. Er sitzt gerade jetzt als König auf dem himmlischen Thron in seinem Regiment. Aber wie genau sieht seine Regentschaft aus?

Der große Westminster Katechismus gibt uns auf die Frage 54 über „sein Sitzen zur Rechten Gottes“ eine kurze, aber meisterhafte Antwort:

„Christus wird in seinem Sitzen zur Rechten Gottes dadurch erhöht, dass er als Gottmensch zu der höchsten Gunst bei Gott dem Vater erhoben ist, mit aller Fülle der Freude, der Herrlichkeit und der Gewalt über alles im Himmel und auf Erden, und dass er seine Kirche sammelt und beschützt und ihre Feinde unterdrückt, seine Diener und sein Volk mit Gaben und Gnaden versieht und sie vertritt.“

Ich möchte diese Aussage im Folgenden genauer untersuchen und beleuchten, was Jesus tut, nachdem er sich auf den Thron gesetzt hat. Dabei möchte ich den Fokus darauf richten, was mit der Herrschaft auf dem Thron einhergeht.

1. Jesus sitzt auf dem höchsten Ehrenplatz

Zuallererst bedeutet die Thronbesteigung, dass Jesus jetzt auf dem höchsten Ehrenplatz des Universums sitzt, „dass er als Gottmensch zu der höchsten Gunst bei Gott dem Vater erhoben ist, mit aller Fülle der Freude, der Herrlichkeit und der Gewalt über alles im Himmel und auf Erden“. Während seiner Erniedrigung auf der Erde, die mit seinem Leiden und Sterben endete, schaute er auf die Belohnung der höchsten Gunst und der Fülle der Freude, Herrlichkeit und Macht, die kommen sollten. Selbst dem damals amtierenden Hohepriester erklärte Jesus: „Und ihr werdet den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen mit den Wolken des Himmels!“ (Mk 14,62b; vgl. Mt 26,64; Lk 22,69).

Wie Psalm 45,7 voraussagt, wurde Jesus „gesalbt mit Freudenöl“ (Hebr 1,9), nachdem er auf dem Ehrenplatz des Universums über alle Maßen erhöht wurde (vgl. Phil 2,9). Dort dienen ihm Menschen und Engel, loben ihn und beten ihn an. Die erste Antwort auf die Frage, was Jesus nach seiner Thronbesteigung macht, lautet also, dass er unser Lob und unsere Anbetung empfängt. Während er zur Rechten Gottes sitzt, wird er von seinen Nachfolgern in den Gottesdiensten der Gemeinde und in täglicher Anbetung geehrt:

„Wenn ihr nun mit Christus auferweckt worden seid, so sucht das, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist.“ (Kol 3,1–2)

Die irdischen Dinge werden von uns nicht ignoriert, vernachlässigt oder verschmäht. Wir richten stattdessen unsere Gedanken zu Christus, der zur Rechten Gottes sitzt, um von ihm befähigt zu werden, uns um die irdischen Dinge zu kümmern und sie angemessen zu genießen.

2. Jesus sitzt auf dem Richterstuhl

Jesus sitzt jetzt im Himmel auf dem Richterstuhl, von dem aus er die ganze Welt und alles, was auf ihr passiert, richten wird. Er setzte sich bei seiner Krönung auf den Thron, um als Herrscher und Richter mit aller Autorität, die er besitzt, über alles zu herrschen (vgl. Mt 28,18). Von dort aus lehrt er seine Gemeinde durch seine Apostel und Hirten, so wie er es auf der Erde tat (vgl. Mt 5,1; 13,2; 15,29; Lk 5,3; Joh 6,3; 8,2). Und von dort aus regiert er mit göttlicher Souveränität über alle Völker als Mittler und König (vgl. 1Kor 15,24–25), wobei sein besonderes Interesse seiner Gemeinde gilt.

Christus thront nicht nur weit über allen anderen, sein Name ist nicht nur höher als alle anderen Namen – er regiert mit besonderem Blick auf den Bau und Schutz seiner Gemeinde (vgl. Eph 1,20–23). Das Wachstum und die Verteidigung seiner Gemeinde sind die Hauptziele seines Wirkens in der Welt, auch wenn er allumfassend über alles herrscht. „Damit jetzt den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen [Regionen] durch die Gemeinde die mannigfaltige Weisheit Gottes bekannt gemacht werde“, schreibt Paulus (Eph 3,10) – und zwar mit Christus als ihrem Haupt, der auf dem Thron sitzt und souverän herrscht (vgl. Eph 1,22; 4,15; 5,23).

Auf diesem Thron sitzend wird er eines Tages Urteile fällen und richten (vgl. Lk 14,28.31). Damit wird der himmlische Thron zum Richterstuhl werden, auf dem er jedes Unrecht korrigieren und jeden Becher kalten Wassers, der in seinem Namen gegeben wurde, belohnen wird.

3. Jesus sitzt auf dem Thron der Gnade

Schließlich, und das ist vielleicht das Erstaunlichste, sitzt er im Himmel und legt Fürbitte für sein Volk ein. Nachdem er sein Sühnewerk vollbracht und Vergebung der Sünden ermöglicht hatte, machte Jesus den Thron Gottes zu einem Gnadenstuhl.

„Nachdem Jesus sein Sühnewerk vollbracht und Vergebung der Sünden ermöglicht hatte, machte er den Thron Gottes zu einem Gnadenstuhl.“
 

Im Alten Testament war der Gnadenstuhl der obere Teil der Bundeslade und stellte den Ort dar, an dem der unsichtbare Gott saß, um seinem sündigen Volk Barmherzigkeit zu erweisen. Nur der Hohepriester konnte das Allerheiligste betreten und sich dem Gnadenstuhl nähern, und dies auch nur einmal im Jahr, um auf Gottes Anordnung hin für sich selbst und für die Sünden des Volkes Sühne zu erlangen. Im Neuen Testament ist unser Gnadenstuhl durch Jesus der „Thron Gottes“ im Himmel, dem wir uns jederzeit mit Freimütigkeit nahen können, um Barmherzigkeit zu erlangen und Gnade zu rechtzeitiger Hilfe (vgl. Hebr 4,16) – weil Jesus, der dort sitzt, für uns eintritt.

Wie Jesus Fürbitte einlegt

Wenn wir füreinander im Gebet Fürbitte einlegen, tun wir dies im Namen Jesu, nicht in unserem eigenen. Aber die Art der Fürbitte, die Jesus für sein Volk beim Vater einlegt, ist einzigartig. Jesus legt in seinem eigenen Namen Fürbitte ein. Er ist der eine Mittler zwischen Gott und den Menschen (vgl. 1Tim 2,5) und seine Fürbitte für uns ist keine Bitte in unserem Namen, die auf dem Vermittlungswerk und den Verdiensten eines anderen beruht. Jesus selbst ist die Fürbitte. So heißt es in Hebräer 7,25: „weil er für immer lebt, um für sie einzutreten.“

Mit jedem Atemzug, mit jedem Schlag seines unzerstörbaren, neu erschaffenen Herzens ist Jesus unsere lebendige, unauflösliche Verbindung zu Gott. Wir sollen uns Christus nicht als unseren Fürsprecher im Himmel vorstellen, der den Vater auf Knien anfleht: „Bitte, zerstöre sie nicht, ich flehe dich an.“ Nein, er lebt für immer, um für sein Volk Fürsprache zu halten. Wie tut er das? Indem er lebt. Wenn wir zu ihm gehören und er lebt, dann tritt sein Leben, sein Atem, das Schlagen seines verherrlichten menschlichen Herzens, für alle ein, die durch den Glauben mit ihm verbunden sind und verschafft ihnen Zugang zu seinem Gnadenthron im Himmel. Wie Charles Wesley in dem Lied „Steh auf, mein Herz“ schrieb:

„Er lebet ewiglich, tritt bittend für mich ein,
mit seiner Lebensmacht, mit seinem Blut so rein.
Er trug’s für mich ins Heiligtum
und jubelnd sing ich seinen Ruhm!“

Jesus, der im Himmel sitzt, ist nicht ängstlich oder unsicher. Er hastet nicht fieberhaft durch den himmlischen Thronsaal, um in letzter Minute noch etwas zu retten. Er lebt. Er sitzt auf dem himmlischen Thron, sicher und vollkommen unveränderlich, in völliger himmlischer Ruhe und Gelassenheit. Dort tritt er mit seinem Leben bei Gott, dem Allmächtigen, und selbst als allmächtiger Gott für sein Volk ein.

„Jesus, der im Himmel sitzt, ist nicht ängstlich oder unsicher. Er hastet nicht fieberhaft durch den himmlischen Thronsaal, um in letzter Minute noch etwas zu retten.“
 

Was auch immer du bereits darüber wusstest, dass Christus im Himmel thront – sein Sitzen zur Rechten Gottes strotzt nur so vor Herrlichkeit und guten Nachrichten. Jesus sitzt immer noch auf dem Thron. Gekrönt mit Ehre, um unseren Lobpreis entgegenzunehmen. Gekrönt mit Autorität und Macht, um über die Völker zu regieren und seine Gemeinde zu bauen. Gekrönt mit Barmherzigkeit, um bußfertige Sünder zu empfangen, ihre Vergehen zu bedecken und durch sein eigenes Leben Fürsprache für sie einzulegen. Möchtest du nicht noch heute vor seinen Thron treten?