Das Reich Gottes und die Gemeinde

Rezension von Dietrich Wiebe
25. April 2024 — 3 Min Lesedauer

Geerhardus Vos gilt als „Vater der Biblischen Theologie“. Mit seinem 1903 erschienen Werk The Teachings of Jesus Concerning the Kingdom of God and the Church entfaltet er einen der Hauptstränge der Heiligen Schrift: das Reich Gottes. Der Betanien Verlag hat das Buch übersetzt und unter dem Titel Das Reich Gottes und die Gemeinde herausgebracht. Damit erscheint erstmalig ein Werk dieses wichtigen Theologen in deutscher Sprache.

Reich Gottes: Herrschaft, Gerechtigkeit, Segensfülle

Vos zeigt auf, dass die Lehre Jesu über das Reich Gottes in Kontinuität mit der Lehre des Alten Testaments steht, aber über diese hinausgeht. Das Reich Gottes ist nicht nur ein Reich des Gesetzes, sondern auch der Gnade. Es besteht seit der Ankunft Jesu in einer geistlichen Form und wird in Zukunft in seiner konkreten, endgültigen Form vollendet. Damit setzt sich Vos kritisch mit falschen Auffassungen über das Reich Gottes auseinander, die etwa Jesu Reich-Gottes-Verständnis mit jüdischer Messiaserwartung gleichsetzen. Im Zentrum seiner Ausführungen leuchtet Vos drei Aspekte des Reiches aus: Herrschaft, Gerechtigkeit und Segnungen. Die souveräne und machtvolle Herrschaft Gottes stellt vollkommene Gerechtigkeit her und ermöglicht so alle geistlichen Segnungen für die Teilhaber des Reiches. Dabei strebt alles zur Ehre Gottes hin.

„Wer Buße tut und glaubt, tritt in die unsichtbare Gemeinde Jesu ein und erhält Zugang zu den Kräften, Segnungen und Privilegien dieses Reiches.“
 

In der Auslegung des Bekenntnisses von Petrus und der Reaktion Jesu (vgl. Mt 16) zeigt Vos auf, dass man statt „Reich Gottes“ auch „Gemeinde“ sagen kann. Er schreibt: „In einem solchen Zusammenhang kann ‚meine Gemeinde‘ nichts anderes bedeuteten, als ‚die Gemeinde, die dadurch, dass sie mich als den Messias erkennt, den Platz der jetzigen jüdischen Gemeinde einnehmen wird‘“ (S. 88). Wer Buße tut und glaubt, tritt in die unsichtbare Gemeinde Jesu ein und erhält Zugang zu den Kräften, Segnungen und Privilegien dieses Reiches. Er wird ein Kind Gottes und erhält das wahre Leben.

Wichtig, aber nicht immer vergnüglich

Ein richtiges Verständnis vom „Reich Gottes“ ist für Nachfolger Jesu wichtig, extrem motivierend und praxisrelevant. Davon hängt etwa ab, wie wir Gemeinde sehen und wie wir evangelisieren. Persönlich ermutigend finde ich die Ausführungen von Vos über den Glauben. Er schreibt (und der Herausgeber hebt das treffend hervor): „Senfkornhafter Glaube wird die denkbar größten Resultate hervorbringen, denn, so klein er auch sein mag, verbindet er den Menschen dennoch mit dem unerschöpflichen Ozean der Allmacht Gottes“ (S. 107). Dem Buch ist daher eine breite Leserschaft zu wünschen. Das gilt auch darum, weil es ein richtiges Verständnis von einer Königsherrschaft vermittelt, einem Konzept, das sich der Lebenswirklichkeit des modernen Lesers entzieht.

Leider aber sind die Ausführungen von Vos streckenweise sperrig und das Lesevergnügen hält sich in Grenzen. Das gilt besonders für die Teile, in denen sich Vos mit falschen theologischen Positionen seiner Zeit auseinandersetzt, die einem nur wenig theologisch bewanderten Leser möglicherweise fern sind.

Darüber hinaus kommt die Argumentation im zentralen Kapitel zur Gemeinde meiner Ansicht nach zu kurz, wenn Vos Aussagen Jesu über das Reich Gottes auf die Gemeinde überträgt. Möglicherweise ist das dem begrenzten Umfang des Buches geschuldet.

Alles in allem büßt das Werk nichts an Aktualität ein, auch wenn es schon über hundert Jahre alt ist. Jede Generation und jeder Christ braucht eine adäquate und große Sicht vom Reich Gottes. Hier kann das Buch eine erste Anlaufstelle sein.

Buch

Geerhardus Vos, Das Reich Gottes und die Gemeinde, Augustdorf: Betanien Verlag, 2023, 120 Seiten, 9,90 Euro.
Das Buch kann auch direkt beim Verlag bestellt werden.