Hilfe! Das Alte Testament langweilt mich!
Freude am Alten Testament wecken
Das Alte Testament (AT) ist umfangreich und kann einschüchternd wirken. Es ist voll von Perspektiven, Mächten und Praktiken, die uns Christen heute weit entfernt scheinen. Wir wissen, was der Psalmist darin entdeckte: ein vollkommenes Gesetz, das die Seele belebt; rechte Gebote, die das Herz erfreuen; wahre Regeln, die ganz und gar gerecht sind (vgl. Ps 19,7–9). Aber uns fällt es oft schwer zu erkennen, inwiefern die ersten 75 % der Bibel „süßer als Honig“ (Ps 19,10) sein sollen. Wie können wir diese Freude am AT wecken?
1. Bedenke, dass das Alte Testament Gottes Wort ist
Das, was wir das AT nennen, war der Teil der Heiligen Schrift, der Jesus zur Verfügung stand. Auch die Apostel betonten, dass das Wort Gottes, das die Propheten aufschrieben, Christen anleiten soll. Paulus sagt zum Beispiel, dass Gottes Führung Israels durch die Wüste aufgeschrieben wurde „zur Ermahnung für uns, über die das Ende der Zeitalter gekommen ist“ (1Kor 10,11). Tatsächlich wurde alles, „was früher geschrieben ist, … zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben“ (Röm 15,4).
„‚Alt‘ in ‚Altes Testament‘ bedeutet nicht ‚unwichtig‘ oder ‚bedeutungslos‘!“
Petrus betont, dass den alttestamentlichen Propheten „offenbart wurde, dass sie nicht sich selbst, sondern euch dienten“ (1Petr 1,12). Sie dienten der Gemeinde! Das bedeutet, dass Mose und die Propheten erkannten, dass sie für eine zukünftige Gemeinschaft schrieben, die in der Lage sein würde, so zu wissen, zu sehen und zu hören, wie es der Großteil Israels nicht konnte (vgl. 5Mose 29,3; 5Mose 30,8; Jes 29,18; Jes 30,8; Jer 30,1–2.24; Jer 31,33; Dan 12,5–10). Kurz gesagt, das AT ist christliche Schrift, die Gott verfasste, um uns zu belehren. Paulus schreibt Timotheus, dass die heiligen Schriften „Kraft haben, dich weise zu machen zur Rettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist“. Und genau diese „Schrift“ ist „nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit“ (2Tim 3,15–16). „Alt“ in „Altes Testament“ bedeutet nicht „unwichtig“ oder „bedeutungslos“! Wir sollten den Text entsprechend behandeln.
2. Leg das Alte Testament mit derselben Sorgfalt aus, die du beim Neuen Testament anwenden würdest
Dem AT die gleiche Sorgfalt zukommen zu lassen wie dem NT bedeutet, dass wir es als das Wort Gottes selbst behandeln (vgl. Mk 7,13; Mk 12,36). Jesus sah es als verbindlich an (vgl. Mt 4,3–4.7.10; Mt 23,1–3), er glaubte, dass es nicht gebrochen werden kann (vgl. Joh 10,35) und rief die Menschen dazu auf, es kennenzulernen, um sich vor Irrtümern und der Hölle zu schützen (vgl. Mk 12,24; Lk 16,28–31; Lk 24,25; Joh 5,46–47). Methodisch bedeutet Sorgfalt für das AT, dass wir den Text inhaltlich erfassen, eingehende Beobachtungen machen, den Kontext berücksichtigen, die Bedeutung bestimmen und relevante Anwendungen finden. Wenn wir „sorgfältig“ sind, berücksichtigen wir die Gattung, die literarischen Grenzen, die Grammatik, die Übersetzung, die Struktur, den Argumentationsfluss, die Schlüsselwörter und -begriffe, den historischen und literarischen Kontext und die Biblische, Systematische und Praktische Theologie.[1] Sorgfältig untersuchen wir jeden Abschnitt innerhalb des jeweiligen Buches (enger Kontext), innerhalb der Heilsgeschichte (weiterführender Kontext) und in Beziehung zu Christus und dem Rest der Schrift (vollständiger Kontext).
Viele Christen verwenden Jahre darauf, das Markusevangelium und den Römerbrief zu verstehen, und beachten Genesis, die Psalmen und Jesaja nur wenige Wochen lang. Die anderen Bücher fassen sie kaum an. Wenn andere über dein Leben und deinen Dienst sprechen, sagen sie das hoffentlich nicht von dir! Bedenke, dass das AT von Christus zeugt (vgl. Joh 5,39; Lk 24,25–26.45–47) und verkündige treu „den ganzen Ratschluss Gottes“ (Apg 20,27), als jemand, der „das Wort der Wahrheit“ (2Tim 2,15) richtig handhabt.
3. Untersuche, was das Alte Testament über den Bund Gottes preisgibt
Die beiden Teile der Bibel werden Altes und Neues Testament genannt, weil sie sich im Wesentlichen jeweils mit dem Alten und Neuen Bund befassen. Wir bezeichnen die Bibel Jesu als „Testament“, weil sie den Charakter eines Bundes hat (testamentum ist lateinisch für „Bund“). Im AT geht es darum, wie Gott den mosaischen Bund aufstellt und durchsetzt. Und im Gegensatz zum NT, das sich an eine multinationale Kirche richtet und in einer gemeinsamen Sprache – Griechisch – verfasst wurde, wurde das AT an die Hebräer in ihrer Sprache geschrieben. Das AT weist historische Besonderheiten auf. Darum müssen wir es sorgfältig lesen, verstehen und bewerten, bevor wir es anwenden. Um das AT als testamentum zu verstehen, sollten wir die verschiedenen Elemente des Bundes im Text erkennen und dann überlegen, wie das Kommen Christi unser Verständnis jedes Abschnitts beeinflusst.
4. Vergiss nicht, warum das Alte Testament „alt“ genannt wird
Aufbauend auf dem vorhergehenden Punkt wird im AT der mosaische Bund beschrieben, zu dem Christen nicht gehören und der durch den neuen Bund ersetzt worden ist (vgl. Jer 31,31–34). Diese Tatsache erfordert, dass Christen sorgfältig prüfen, wie Christus jede alttestamentliche Geschichte, Verheißung und jedes Gesetz erfüllt, bevor sie deren Relevanz feststellen. Tatsächlich weisen die gesamte Geschichte (vgl. Mk 1,14), jede Verheißung (vgl. 2Kor 1,20) und der gesamte Gesetzesbund (vgl. Röm 10,4) auf Jesus hin. Moses Anweisungen haben für Christen zwar immer noch einen Wert, aber nur durch Christus (vgl. 5Mose 30,8; Mt 5,17–19). Ebenso gilt jede Verheißung für Christen, aber nur in Jesus (vgl. 2Kor 1,20). Er ist der Same Abrahams (vgl. Gal 1,16), und wir werden nur in Christus Abrahams Nachkommenschaft (vgl. Gal 3,29).
„Ein grundlegender Zweck des AT besteht darin, unseren Lob und Preis auf Christus und sein Wirken zu richten.“
Als Christen müssen wir das AT im Licht des Kommens Jesu auslegen. Seine Person und sein Werk erfüllen das, was das AT vorwegnimmt (vgl. Mt 5,17–18; Lk 24,44; Apg 3,18). Er ist die Erfüllung aller alttestamentlichen Schatten (vgl. Kol 2,16–17). Er verkörpert jedes moralische Ideal, das in Gesetz und Weisheit zu finden ist (vgl. Röm 5,18–19; 1Kor 1,30). Ein grundlegender Zweck des AT besteht darin, unseren Lob und Preis auf Christus und sein Wirken zu richten. Wir müssen den ganzen Ratschluss Gottes (vgl. Apg 20,27) im Zusammenhang mit dem Kreuz betrachten (vgl. 1Kor 2,2).
5. Lies das Alte Testament durch Jesu Licht und Linse
Jesus liefert sowohl das Licht als auch die Linse, um das AT richtig zu lesen. „Licht“ meint, dass die richtige Auslegung des AT nur für diejenigen möglich ist, die „das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus“ angesehen haben (2Kor 4,4). Nur geistliche Menschen können ein geistliches Buch lesen (vgl. 1Kor 2,13–14). „Linse“ betont, dass das Leben, der Tod und die Auferstehung Jesu Wahrheiten im AT offenbaren, die schon immer da, aber noch nicht klar waren – zumindest nicht für die Mehrheit (vgl. Röm 16,25–26; 1Kor 3,14). Christen sollten erkennen, dass es bedeutende Kontinuitäten zwischen den Testamenten gibt, in denen viele rechtschaffene Menschen Christus schon aus der Ferne sahen (vgl. Mt 13,17; Lk 10,24; Joh 8,56; 1Petr 1,10–12). Auf der anderen Seite gibt es aber auch erhebliche Diskontinuitäten: Der rebellischen Bevölkerung wurde kein verständiges Herz gegeben (vgl. 5Mose 29,4; Jes 6,9–10) und Gott offenbarte das Geheimnis des Reiches nicht, bevor Christus kam (vgl. Dan 12,8–10; Mk 4,11–12).
Das NT liefert sowohl das Lösungswort als auch den Algorithmus, um das AT in seiner Ganzheit zu lesen. Indem es die Person und das Werk Christi in den Vordergrund stellt, weist das NT auf die Essenz aller früheren Schatten hin. Es verwirklicht die Hoffnungen aller früheren Vorhersagen und verdeutlicht, wie die verschiedenen alttestamentlichen Bahnen zu einem Ende kommen. Durch Jesus befähigt uns Gott, das AT so zu lesen, wie er es beabsichtigt hat. Jesus ist sowohl unser Licht als auch unsere Linse, und wir können das AT nur durch und für Christus richtig lesen.
6. Überleg, wie du Christus im Alten Testament erkennen und preisen kannst
Unsere Aufgabe als Christen ist es zu analysieren, wie die ganze Bibel und ihre Geschichten im Heilsplan fortschreiten und in Christus ihren Höhepunkt finden. Wenn wir dem Weg der Heiligen Schrift folgen, können wir Christus schon vom AT aus auf vielfältige Weise erkennen. Denk über folgende Fragen nach:
- Inwiefern stellt Christus den Höhepunkt der Erlösungsgeschichte dar?
- Wie erfüllt Jesus die messianischen Vorhersagen?
- Welche Ähnlichkeiten und Gegensätze schafft das Kommen Christi zwischen dem alten und dem neuen Zeitalter, den Schöpfungen und den Bünden?
- Inwiefern ist Christus das Gegenbild (Antitypus) zu den alttestamentlichen Typen?
- Wie deutet Jahwe im AT als Person und durch sein Wirken auf Christus hin?
- Wie verkörpert Christus jedes moralische Ideal des alttestamentlichen Gesetzes und der Weisheit?
- Welche Lehre kann aus dem AT im Licht Christi gezogen werden, sowohl durch seine Vergebung als auch seinen Maßstab von Heiligkeit?
7. Überprüfe, wie die Autoren des Neuen Testaments das Alte Testament verwenden
Die frühe Versammlung hielt sich an die Lehre der Apostel (vgl. Apg 2,42), und die ganze Gemeinde ist auf dem Fundament der Apostel und Propheten gebaut, mit Jesus als Eckstein (vgl. Eph 2,20). Doch welche Bibel benutzten die Apostel? Sie benutzten das AT – und erzählten daraus viel über Christus! Das NT ist voll von Zitaten und Anspielungen auf das AT. Wir sollten den Zitaten also Beachtung schenken.
Als Paulus den Korinthern versicherte: „Ich nahm mir vor, nichts anderes unter euch zu wissen als nur Jesus Christus, und ihn als gekreuzigt“ (1Kor 2,2), tat er dies als Prediger des AT. Und als er behauptete, dass „alle Schrift ... nützlich ist“ (2Tim 3,16), hatte er in erster Linie das AT im Sinn. Wenn du dir für die neutestamentlichen Zitate des AT Zeit nimmst, wirst du darin wachsen, den ganzen Ratschluss Gottes zu schätzen (vgl. Apg 20,27) und andere davon begeistern, die ganze Bibel wertzuschätzen.
Zum Schluss
Das AT ist eine christliche Schrift, und wir können sie am besten genießen, wenn wir sie durch Christus und für Christus studieren. Das AT verherrlicht Jesus auf vielfältige Weise, und seine Person und sein Werk verdeutlichen, wie die Kontinuitäten und Diskontinuitäten der Heilsgeschichte richtig zu erkennen sind. Durch das Licht und die Linse, die Christus liefert, können Christen denselben Gott und dieselbe gute Nachricht in beiden Testamenten genießen. Wir können alle Versprechen Gottes annehmen und das Moses Gesetz als Offenbarung, Prophetie und Weisheit richtig anwenden. Wecke durch und für Christus neue Freude am AT !
1 Für jeden dieser Schritte siehe Jason S. DeRouchie, How to Understand and Apply the Old Testament. Twelve Steps from Exegesis to Theology, Phillipsburg, N: P&R, 2017.