Von John Piper lernen, wie man evangelisiert

Artikel von David Mathis
10. April 2024 — 10 Min Lesedauer

Wenn ich nur Buch geführt hätte über die Jahre …

Ich habe persönlich Dutzende, wenn nicht gar Hunderte Zeugnisse von Männern und Frauen gehört, die durch Predigten von John Piper zum rettenden Glauben gekommen sind. Ich kann mir vorstellen, dass Tausende ein ähnliches Zeugnis geben könnten, auch wenn ich nicht das Privileg hatte, es von ihnen persönlich zu hören. Aber ich denke, dass genaue Zahlen vor Gott nicht das Wichtigste sind. Wahrscheinlich ist es sogar besser, keine genaue Zahl angeben zu können.

„Evangelist“ wäre sicher nicht die erste Bezeichnung, die uns für John Piper einfallen würde. Man würde ihn eher als Pastor, Prediger, Theologen, Autor oder Professor bezeichnen. Sicherlich assoziieren einige mit dem Begriff „Evangelist“ die Erweckungsbewegungen früherer Jahre und die Blütezeit von Billy Graham. Johns eigener Vater, Bill Piper, war reisender Evangelist in dieser Tradition. Es scheint jedoch, als hätte er Frieden damit geschlossen, dass sein einziger Sohn nicht Evangelist wurde wie er. Er erkannte Johns anders gelagerte Neigungen und Talente an und erinnerte ihn: „Wir haben dich John (Johannes) genannt und nicht Peter (Petrus).“ Getreu seinem Namen war John der eher nachdenkliche Typ und kein geborener Redner.

Anders als sein Vater wurde John Piper also kein „Reiseevangelist“. Und doch wurde der Sohn des Evangelisten durch die bemerkenswerte Vorsehung Gottes still und leise und fast kontraintuitiv zu einem überraschend fruchtbaren Seelengewinner.

Ich habe jetzt über zwanzig Jahre Seite an Seite mit John gearbeitet. Der Platz hier würde nicht ausreichen, wollte ich alles erzählen, was ich von ihm über Evangelisation gelernt habe. Einige dieser Lektionen würden sich um das „Wie“ drehen, aber die wertvollsten, deren Weitergabe sich am meisten lohnt, befassen sich mit dem „Was“. Angesichts dessen, dass John sich jetzt im achten Lebensjahrzehnt befindet, ist sein Fokus auf den Inhalt des Evangeliums (und weniger auf praktische Tipps, wie man seinen Glauben weitergibt) vielleicht das, was wir uns im Licht von Hebräer 13,7 zu Herzen nehmen sollten:

„Gedenkt an eure Führer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; schaut das Ende ihres Wandels an und ahmt ihren Glauben nach!“ (Hervorh.d.Verf.)

Der Autor des Hebräerbriefes hat ältere Führer im Sinn, die seinen Lesern eine Generation voraus waren. Sie sahen das „Ende“ dieser Führer. Ich schließe daraus, dass einige ihren irdischen Lauf schon vollendet hatten. Der Hebräerbrief empfiehlt, ihren Lebenswandel anzuschauen und dann ihren Glauben nachzuahmen. Also: Erinnert euch an ihren Wandel, betrachtet ihre Wege, lernt davon, und dann ahmt nach – nicht ihre Wege, sondern ihren Glauben! Welche Aspekte von Johns Glauben sollten wir also nachahmen und welche Inhalte seiner Lehre helfen uns dabei, mit anderen Menschen über Jesus zu reden?

Was du nicht wertschätzt, kannst du nicht weiterempfehlen

Erstens: Du kannst nicht weiterempfehlen, was du nicht selbst schätzt und genießt – zumindest nicht überzeugend. Die Gelegenheit, anderen von Jesus zu erzählen, folgt der Erfahrung, die du selbst zuerst gemacht hast, nämlich ihn zu kennen und dich an ihm zu erfreuen. Anziehende Evangelisation entsteht aus der Wertschätzung für Jesus. „Schmeckt und seht, wie freundlich der HERR ist!“ (Ps 34,9).

„Die Gelegenheit, anderen von Jesus zu erzählen, folgt der Erfahrung, die du selbst zuerst gemacht hast, nämlich ihn zu kennen und dich an ihm zu erfreuen.“
 

In einer Gesellschaft, die auf das fixiert ist, was Philosophen den „immanenten Rahmen“ des Hier und Jetzt nennen, können wir nur dann authentisch kommunizieren, wenn Jesus uns selbst lieb und teuer ist. Das lässt uns auch die Risiken und peinlichen Momente ertragen, die das Gespräch über ewige Realitäten manchmal begleiten.

Das Evangelium neu und voller Freude erzählen

Zweitens: Gib die ganze Geschichte neu und voller Freude wieder. Warum können wir Jesus genießen? Weil Gott, der ewig Genießende, unsere Seelen dafür gemacht hat. Als Gott genießt er sich selbst zu Recht. Gott zu sein heißt, glücklich zu sein. Von aller Ewigkeit her hat Gott sich selbst gekannt und sich vor und über allem in sich selbst erfreut, weil er von allerhöchstem Wert ist. Er ist in sich selbst vollkommen glücklich. Und in diesem einen Gott haben drei göttliche Personen, Vater, Sohn und Heiliger Geist, Anteil an der ewigen Glückseligkeit der Gottheit. 1. Timotheus 6,15 nennt diesen Gott „den Glückseligen und allein Gewaltigen“. Wenn Paulus ihn den „Glückseligen“ nennt, will er damit sagen, dass Gott glücklich ist, und zwar unbegrenzt. Und aus dieser seiner eigenen göttlichen Glückseligkeit heraus, angefüllt bis zum Überfließen, erschuf er die Welt und erlöst Sünder.

„In Jesus wird uns – Rebellen, wie wir es sind – Gottes eigene Freude angeboten, die unser Herz völlig satt machen kann.“
 

So ist also unser Evangelium – die Botschaft von der Glückseligkeit, die wir selbst in Jesus gefunden haben – das „Evangelium der Herrlichkeit des glückseligen Gottes“ (1Tim 1,11). Unsere Botschaft handelt nicht nur von Freude, es ist die Freudenbotschaft schlechthin. Und wenn Leute mitbekommen, dass wir uns über etwas freuen, sind sie oft interessiert und wollen mehr erfahren.

In Jesus wird uns – Rebellen, wie wir es sind – Gottes eigene Freude angeboten, die unser Herz völlig satt machen kann. Sie wird uns angeboten in seinem eigenen geliebten Sohn, der starb, um für unsere Sünden zu bezahlen, und auferstand, damit wir ihn kennen und uns in ihm erfreuen können. Und deswegen fängt das Evangelium mit Gott an und hört mit Gott auf. Vor seinem Angesicht ist „Freude die Fülle und Wonne … ewiglich“ (Ps 16,11).

Sünde ist, andere Dinge Gott vorzuziehen

Drittens: Sünde bedeutet, andere Dinge Gott vorzuziehen. Vor dem Hintergrund von Gottes unendlicher Freude und dem Grund, warum er uns erschaffen hat, wird die Schrecklichkeit und Tragödie der Sünde umso deutlicher. Hilft unsere Evangelisation den Menschen, das zu erkennen?

„Sünde ist also das Zurückweisen der Freude, für die wir gemacht wurden, um unser eigenes, von Gott unabhängiges Glück zu suchen.“
 

Gott erschuf die Welt nicht, weil er das Gefühl hatte, dass ihm noch etwas fehlte, sondern um sein eigenes Glück zu teilen. Aber wir haben uns in unserer Sünde von diesem Überfluss an Freude abgewandt und versucht, unsere eigenen kleinen konkurrierenden, armseligen Freuden zu erschaffen. Der Prophet Jeremia beklagte die Tragödie, dass das Volk des ersten Bundes das tat, was das Wesen der Sünde in uns allen ausmacht: die Quelle des lebendigen Wassers verlassen, um unsere eigenen Zisternen zu graben (vgl. Jer 2,13). Sünde ist also das Zurückweisen der Freude, für die wir gemacht wurden, um unser eigenes, von Gott unabhängiges Glück zu suchen.

Jesus ist Gott und kam, um uns zu Gott zu bringen

Viertens: Jesus ist Gott und kam, um uns zu Gott zu bringen. Gottes unendliche Glückseligkeit in sich selbst bewog ihn nicht nur dazu, die Welt zu erschaffen, sondern er hat durch unsere Rettung ein großes und ewiges Gut für uns sichergestellt – nämlich nichts Geringeres, als dass wir Gott selbst haben sollen. Mit anderen Worten: Gott bietet uns die höchste Freude, das größtmögliche Gut, den lohnendsten Preis des Universums an: sich selbst. Das Angebot Jesu für Sünder wird uns nicht weniger als ewige Freude schenken. Jesus wird uns zu dem Einzigen bringen, der sich als ewig befriedigend erweisen wird. „Denn auch Christus hat einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führte“ (1Petr 3,18). Das heißt, er bringt uns nicht nur zu seinem Vater, sondern auch zu sich selbst, „denn es gefiel Gott, in ihm alle Fülle wohnen zu lassen und durch ihn alles mit sich selbst zu versöhnen, indem er Frieden machte durch das Blut seines Kreuzes“ (Kol 1,19–20).

Um diesen Punkt mit der Evangelisation zu verbinden, spricht Piper, wenn er das Evangelium weitergibt, von unserem „größten Schatz“. Dabei erklärt er, warum Jesus ein solcher Schatz ist. Das bringt uns zu einer abschließenden Lektion für die Evangelisation.

Der rettende Glaube umarmt Christus als Herrn und Schatz

Schließlich: Der rettende Glaube umarmt Christus selbst als Herrn und Schatz. Wie es in Psalm 70,5 heißt, lieben wir Gottes Heil, weil wir ihn lieben und sagen: „Gott ist groß!“ Unser Lob gilt nicht unserer Rettung und dem ewigen Lohn, sondern dem Retter selbst. Indem er uns rettet, zeigt er uns, dass er absolut genug ist. Und so zielen wir in unserer Evangelisation nicht auf eine bloße Zustimmung zu unserer Botschaft ab, sondern auf eine „herzliche Umarmung“ (in den Worten John Calvins) unseres Messias.

Diese letzte Lektion gibt uns einen kleinen Einblick in das, was John Pipers evangelistisches Herz seit Jahrzehnten angetrieben hat. So wurde sein Predigen und Schreiben auf subtile und kraftvolle Weise evangelistisch. Wie er in dem Kapitel „Bekehrung“ seines 1986 erschienenen Buches Sehnsucht nach Gott schrieb:

[Wir sind] umgeben mit unbekehrten Menschen die denken, dass sie tatsächlich an Jesus glauben. Betrunkene auf den Straßen sagen, sie würden an Jesus glauben. Unverheiratete Pärchen schlafen miteinander und sagen, sie glauben an Jesus. Ältere Menschen, die seit 40 Jahren an keinem Gottesdienst oder christlicher Gemeinschaft teilgenommen haben, sagen, dass sie glauben. Die unterschiedlichsten Arten von lauwarme und die Welt liebenden Kirchgänger sagen, dass sie glauben. Es gibt Millionen von unbekehrten Menschen in dieser Welt, die sagen, dass sie an Jesus glauben. Es hilft überhaupt nicht, diesen Menschen zu sagen, dass sie an den Herrn Jesus glauben sollen. Dieser Satz ist inhaltsleer. Meine Verantwortung als einer, der das Evangelium predigt und in der Gemeinde lehrt, ist nicht, geliebte biblische Sätze zu erhalten und zu wiederholen, sondern das Herz mit biblischer Wahrheit zu durchdringen. … Daher verwende ich andere Begriffe um zu entfalten, was glauben bedeutet. In den letzten Jahren habe ich gefragt, „Empfängst du Jesus als deinen Schatz?“ Nicht nur Retter (jeder will aus der Hölle raus, aber nicht bei Jesus sein). Nicht nur als Herrn (man fügt sich ihm eventuell nur zähneknirschend). Der Schlüssel ist: Schätzt du ihn mehr als alles andere?

Seit vielen Generationen ist die Botschaft von Jesus das „Evangelium der Herrlichkeit des glückseligen Gottes“ (1Tim 1,1). Dieses Evangelium hat John Piper gute Dienste getan und Tausenden von uns ebenso. Es gibt die große Geschichte mit dem Fokus auf Gottes eigener Freude wieder, entlarvt Sünde als das, was sie ist, hilft uns, mit Bewunderung das große Ziel unserer Errettung zu erkennen, und führt Menschen dahin, Christus als ihren alles überragenden Schatz zu genießen. Während wir ihn so wertschätzen, empfehlen wir ihn jedem weiter, der es hören will.