Drei Dinge, die du über 1. Mose wissen solltest

Artikel von T. Desmond Alexander
19. März 2024 — 6 Min Lesedauer

Die meisten zeitgenössischen Leser sehen im Buch 1. Mose kein einheitlich verfasstes literarisches Werk. Wir haben uns daran gewöhnt, es nur abschnittsweise zu lesen. Das Verständnis von 1. Mose als einem zusammenhängenden Ganzen wird durch die öffentlichen und persönlichen Lesegewohnheiten von Christen kaum gefördert. Die Konsequenz davon ist, dass wichtige Aspekte übersehen werden. Dieser Artikel betrachtet drei bedeutsame Merkmale von 1. Mose, die Aufmerksamkeit bekommen sollten.

1. Das Buch 1. Mose wurde verfasst, um die Geschichte einer einzigartigen Familie aufzuzeichnen

Erstens wurde 1. Mose verfasst, um die Geschichte einer einzigartigen Familie nachzuzeichnen, wobei die männlichen Mitglieder jeder Generation im Vordergrund stehen (Erbfolge in der männlichen Linie). Der griechische Ausdruck genesis bedeutet „Abstammung“. Diese Erbfolge beginnt mit Adam und läuft dann weiter über seinen dritten Sohn, Set, bis zu Noah (vgl. 1Mose 5,1–32). Von Noah läuft die Erblinie über Sem bis Abraham (vgl. 1Mose 11,10–26). Danach verlangsamt sich die Erzählgeschwindigkeit, aber der Fokus liegt weiterhin auf dieser einzigartigen Familie. Die Kinderlosigkeit Saras ist ein großes Hindernis in der Fortführung, aber Gott befähigt Sara, einen Sohn zu bekommen: Isaak. Über Isaak lässt sich der Stammbaum bis zu Jakob (später in Israel umbenannt), dem jüngeren Zwillingsbruder von Esau, weiterverfolgen. Esau hätte der Nächste in der Erbfolge sein sollen, aber er verachtet sein Erstgeburtsrecht und verkauft es für ein Linsengericht an seinen jüngeren Bruder Jakob, welcher Teil der Erbfolge sein möchte (vgl. 1Mose 25,29–34). Über Jakob läuft die Erbfolge weiter mit Josef (vgl. 1Chr 5,1–2) und dessen jüngeren Sohn Ephraim, den Jakob über den älteren Bruder Manasse setzt (vgl. 1Mose 48,13–20). Interessanterweise gibt uns 1. Mose oft Hinweise dafür, weshalb erstgeborene Söhne in der Erbfolge übergangen werden (z.B. Rubens unangemessene Beziehung mit Bilha; vgl. 1Mose 35,22).

Während Josef den Vorzug vor seinen älteren Brüdern genießt, leitet 1. Mose eine wichtige Wendung in der Geschichte der Erbfolge ein. 1. Mose 38, ein Abschnitt, der als Unterbrechung der Josef-Geschichte oft übergangen wird, lenkt die Aufmerksamkeit auf Juda. Doch wenn wir dieses Kapitel mit Augenmerk auf die Erbfolge lesen, sehen wir, dass es um die Linie Judas geht, die in Gefahr zu sein scheint, als Gott seine beiden älteren Söhne mit dem Tod straft. Das ungewöhnliche Eingreifen Tamars bewirkt eine radikale Veränderung in Judas Leben und führt zur Geburt von Zwillingen. Bei dieser Geburt wird einmal mehr das Prinzip des Erstgeburtsrechts (das Anrecht des älteren Sohnes auf das Erbe) umgekehrt, als Perez vor Serach den Mutterschoß durchbricht. Später wird Jakob einen Segen für Juda verkünden, der andeutet, dass das Königtum mit seinen Nachkommen verbunden sein wird (vgl. 1Mose 49,8–12). Dieser Segen wird Jahrhunderte später zur Zeit Samuels sichtbar (vgl. Ps 78,67–72).

„Mit diesen Erwartungen blickt 1. Mose auf das Kommen von Jesus Christus voraus.“
 

Warum ist die Erbfolge so wichtig? Beginnend mit 1. Mose 3,15 wird sie als Wegbereiter für einen zukünftigen Nachkommen Evas vorgestellt, der die Schlange, Gottes Erzfeind, besiegen wird. Im weiteren Verlauf von 1. Mose erfahren wir, dass dieser verheißene Nachkomme ein König sein wird, der den Völkern der Erde Gottes Segen vermitteln und als Gottes vollkommener Stellvertreter das Reich Gottes errichten wird. Mit diesen Erwartungen blickt 1. Mose auf das Kommen von Jesus Christus voraus.

2. Gott schließt einen ewigen Bund mit Abraham, indem er ihn zum Vater vieler Nationen macht

Zweitens schließt Gott, basierend auf der Erbfolge in 1. Mose, einen ewigen Bund mit Abraham, indem festgehalten wird, dass Abraham der Vater vieler Nationen sein wird (vgl. 1Mose 17,4–5). Die meisten Leser von 1. Mose sowie auch viele Bibellehrer konzentrieren sich auf den Bund in 1. Mose 15, in dem es darum geht, dass Abraham der Vater einer Nation wird, nämlich Israel. Der Bund in 1. Mose 17 ist jedoch deutlich wichtiger. Hier wird der frühere Bund miteingeschlossen und die Vaterschaft Abrahams auf die Nationen ausgeweitet. Diese Vaterschaft ist nicht biologischer, sondern geistlicher Natur. Der Bund der Beschneidung garantiert, dass einer von Abrahams Nachkommen denjenigen Gottes Segen bringen wird, die ihn als ihren König anerkennen. Aus diesem Grund spiegelt sich die Erwartung von Völkern, die einem zukünftigen König dienen, in den patriarchalischen Segnungen wider, die Isaak Jakob (vgl. 1Mose 27,29) und Jakob Juda erteilt (vgl. 1Mose 49,10). Wenn wir ins Neue Testament gehen, sehen wir, dass der Apostel Petrus Jesus Christus als denjenigen ansieht, der die Versprechen erfüllt, die Abraham gegeben wurden (vgl. Apg 3,25–26). In ähnlicher Weise sind gemäß dem Apostel Paulus die Verheißungen, die mit dem Bund der Beschneidung einhergehen, die Grundlage dafür, dass die Nichtjuden in das Volk Gottes aufgenommen werden (vgl. Gal 3,15–29).

3. Das Konzept des Segens ist mit der Erbfolge verbunden, die schließlich zu Jesus Christus führen wird

Das dritte Merkmal in 1. Mose, das häufig unbeachtet bleibt, ist die Art und Weise, in der das Konzept des Segens mit der Erbfolge in Verbindung steht, die schließlich zu Jesus Christus führen wird. Im Garten Eden sind die göttlichen Flüche die Folge der Handlungen Adams und Evas, die die menschliche Existenz negativ beeinflussen werden. In scharfem Kontrast dazu bietet Gottes Aufforderung an Abraham das Potenzial des göttlichen Segens für alle Geschlechter der Erde (vgl. 1Mose 12,1–3). Das Konzept des Segens wird später in Zusammenhang mit Abrahams Nachkommen gesetzt (vgl. 1Mose 22,18). Auch wenn oft angenommen wird, dass dieser Segen durch das Volk Israel als Ganzes kommen wird, beschränkt 1. Mose die Quelle des Segens auf die nachfolgenden Mitglieder der Erbfolge. Der Segen (berakah) ist verbunden mit der Person, die das Erstgeburtsrecht (bekorah) hat. Das können wir ganz besonders in der Geschichte von Jakob und Esau sehen, in der Jakob derjenige ist, der den Segen zu anderen bringt, was von seinem Onkel Laban auch tatsächlich anerkannt wird (vgl. 1Mose 30,27–30). In ähnlicher Weise ist Josef die Quelle des Segens für andere, was in 1. Mose 39,5 im Hinblick auf alles, was Potiphar „im Haus und auf dem Feld“ besaß, ausdrücklich erwähnt wird. Später wird Josef trotz seiner Gefangenschaft zum „Vater des Pharao“ (vgl. 1Mose 45,8) und zu einer Quelle des Segens für verschiedene Völker während einer schweren Hungersnot ernannt.

„Wie eine literarische Collage greift es auf verschiedene Arten von Material zurück, um eine einheitliche Botschaft zu vermitteln, die vor allem auf Jesus Christus hinweist, die Quelle des göttlichen Segens für uns alle.“
 

Eine ganzheitliche Lektüre von 1. Mose zeigt, dass es mit viel Geschick verfasst wurde. Wie eine literarische Collage greift es auf verschiedene Arten von Material zurück, um eine einheitliche Botschaft zu vermitteln, die vor allem auf Jesus Christus hinweist, die Quelle des göttlichen Segens für uns alle.