Geborgen in Ihm

Rezension von Larry Norman
14. März 2024 — 9 Min Lesedauer

Meine Rezension des Buches Geborgen in Ihm vom Puritaner Richard Sibbes ist nicht neutral oder rein sachlich. Ich liebe dieses Buch, und ich möchte, dass du es auch lieben lernst. Gott hat es gebraucht, um mein Leben zu verändern – und vielleicht hat er dasselbe auch bei dir vor.

Über den Autor und das Buch

Bedauerlicherweise herrscht ein weitverbreitetes Zerrbild über die Puritaner vor, als seien sie alle wie ein tyrannischer I-Aah, grau und trostlos. So war Sibbes nicht. Man sagte über ihn: „[D]er Himmel war längst in Richard Sibbes gekommen, bevor Sibbes in den Himmel kam.“[1] Der bekannte Theologe Michael Reeves lobt Sibbes als „eine Dose Urlaub in der Karibik“.[2] Man berichtet, dass hartherzige Sünder Sibbes’ Predigten aus Angst vermieden, dass sie dadurch bekehrt würden. Er war der „himmlische Doktor“ und für seine Freunde einfach „Sibbesy“.[3]

Sibbesy, 1577–1635, war anglikanischer Pastor in Cambridge und London. Seine Predigten waren sehr angesehen und gesegnet. Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieb der deutsche Historiker August Lang Sibbes als „eine[n] der hervorragendsten und durch seine Veröffentlichungen lange nachwirkende[n] Puritaner“.[4]

In seiner Doktorarbeit über Sibbes dokumentiert Mark Dever, wie häufig Sibbes’ Werke gedruckt und übersetzt worden sind.[5] Zu Sibbes’ Lebzeiten wurde The Bruised Reed (das ist der englische Originaltitel von Geborgen in Ihm) dreimal neu aufgelegt. Bis ins 19. Jahrhundert wurde es siebzehnmal gedruckt und viermal ins Niederländische übersetzt. Die deutsche Übersetzung erschien 2007.[6] Richard Baxter, Charles Spurgeon, Jonathan Edwards und Martyn Lloyd Jones, sie alle liebten dieses Buch. Lloyd Jones sagte, er habe Sibbes entdeckt, als er furchtbar „überarbeitet und übermüdet“ gewesen sei, und dass The Bruised Reed ihn beruhigt, getröstet, beschwichtigt, ermutigt und geheilt habe.[7]

Nun zum Buch selbst. Es ist eine Auslegung von Jesaja 42,3–4:

„Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus. Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung.“

Sibbes legt diese Verse im Einklang mit Matthäus 12,18–20 auf Christus aus. In 16 prägnanten Kapiteln erklärt Sibbes, dass Christus das geknickte Rohr nicht zerbricht, dass er den glimmenden Docht nicht auslöscht, dass er letztlich siegreich ist. Dabei verfolgt Sibbes ein Ziel: unsere Sicht von Jesus klarzustellen, insbesondere unsere Sicht von Jesu Freundlichkeit und Stärke, damit wir Jesus besser erkennen sowie mehr lieben, vertrauen und gehorchen.

Christi Freundlichkeit

Im Zentrum von Sibbes’ Theologie liegt die Lehre von unserem Einssein mit Jesus. Sibbes ist nie weit von dieser Wahrheit entfernt. „Gott hat alle Gnade und allen Trost in Christus hineingelegt und hat eine wunderbare Süße des Erbarmens und der Liebe für uns in sein Herz gepflanzt“ (S. 21). Unser großer Trost als Christen ist, dass wir in Christus sind! „Gottes Liebe ruht auf dem ganzen Christus, sowohl auf dem mystischen als auch auf dem natürlichen Christus, weil Er ihm und uns mit ein und derselben Liebe zugetan ist“ (S. 28).

Diese göttliche Liebe fließt zu uns in und durch Christus, und zwar in größerer Fülle, als wir oft denken: „Eine Mutter, die ein krankes und ungehorsames Kind hat, wird es deswegen nicht fortschicken. Soll dann im Strom mehr Barmherzigkeit sein als an der Quelle? Sollen wir denken, dass in uns mehr Barmherzigkeit ist als in Gott?“ (S. 33).

Unser Jesus ist „ein Arzt gut für alle Krankheiten, besonders im Zusammenbinden eines gebrochenen Herzens. Er starb, damit Er unsere Seelen heile mit einem Pflaster seines eigen Blutes … Und hat er dasselbe Herz nicht auch im Himmel?“ (S. 34). Mit großer theologischer Sorgfalt erklärt Sibbes: „Seine Himmelfahrt ließ ihn nicht sein eigenes Fleisch vergessen. Er war von Leidenschaften befreit, doch nicht vom Mitgefühl uns gegenüber“ (S. 34). Wie Sibbes mehrmals sagt, sind wir als Gläubige durch unser Einssein mit Jesus Fleisch von seinem Fleisch und Gebein von seinem Gebein.

Deswegen müssen wir lernen, recht von Christus zu denken: „Wir sollten keine Furcht haben, zu ihm zu kommen, so als wenn wir einen Elefanten mit den Zähnen packen müssten“ (S. 25). Tatsächlich liegt genau hier Satans Hauptstrategie gegen uns: „Es ist Satans Art, Christus der betrübten Seele als einen sehr strengen Richter hinzustellen.“ Satans „tägliches Augenmerk liegt darauf, uns mit dem Sohn zu entzweien, indem er in uns falsche Ansichten über Christus erzeugt, als wenn es in ihm nicht diese zärtliche Zuneigung zu uns, so wie wir sind, geben würde“ (S. 88).

Deswegen müssen wir lernen, Christus so zu sehen, wie der Vater ihn uns gibt – „seine Arme aus[ge]breitet, um uns zu empfangen“ (S. 87). Die Lektion hier für Prediger ist glasklar: „Geistliche sind aufgrund ihrer Berufung Freunde der Braut und dazu da, um Christus und seine Vermählte zusammenzubringen … Es kann das Herz der Vermählten nur erfreuen, dass sie trotz ihrer Schwachheiten und Trostlosigkeit … einen Gemahl von freundlicher Gesinnung hat“ (S. 21).

All das bringt Sibbes in einem Satz auf den Punkt, der mein Leben verändert hat. Es ist eine fundamentale Wahrheit, dass „es in Christus mehr Gnade gibt, als es in uns Sünde gibt“ (S. 38). Mit anderen Worten: Jesus schaut dich nie an und seufzt: „Ach, der ist mir zu nervig und zu sündig. Ich gebe auf!“

Christi Stärke

Diese Gnade ist sowohl eine freundliche als auch eine tatkräftige, wirkungsmächtige Gnade. Klagen wir über unseren kleinen Glauben, hat Sibbes feurigen Trost für uns parat: „All diese herrlichen Feuerwerke an Eifer und Heiligkeit in den Frommen hatten einst ihren Beginn in ein paar Funken“ (S. 42). „Ein Funke Feuer ist genauso Feuer wie das ganze Element … Eine schwache Hand kann ein wertvolles Juwel halten“ (S. 60). Wir sollten wissen, dass „ein Funke vom Himmel, auch wenn das junge grüne Holz, das er entfacht, qualmt und raucht, zuletzt dennoch alles verzehren wird“ (S. 121).

Christi Stärke wirkt offen in dem, was wir nicht sehen. Deswegen sind unsere Gefühle kein zuverlässiger Maßstab für sein Wirken in uns. Daher sollen wir weiter Christus glauben und gegen die Sünde kämpfen, im Vertrauen, dass Jesus in uns wirkt: „Der Baum wird beim letzten Hieb fallen, doch all die vorangegangen Hiebe halfen dazu“ (S. 129).

Auch möchte der Herr Jesus seine Herrschaft nicht bloß um uns, sondern auch in uns aufrichten: „Andere Fürsten mögen gute Gesetze machen, aber sie können sie nicht den Menschen ins Herz schreiben (Jer 31,33). Dies ist das Vorrecht des Christus … Christus errichtet seinen Thron im tiefsten Inneren des Herzen“ (S. 113). Denn Jesus ist „der neue Eroberer, der die Grundgesetze des alten Adams ändert, und seine eigene Herrschaft errichtet“ (S. 115).

„Es gibt mehr Gnade in Christus als Sünde in uns.“
 

Weil Gott allerdings „oft durch Gegensätze handelt … überwinden Gottes Kinder gewöhnlich in ihren Schwierigkeiten durch Leid. Hier überwinden Schafe durch Leid die Löwen und Tauben die Adler, sodass sie hierein mit Christus übereinstimmen, dessen Sieg am größten war, als er am stärksten litt“ (S. 120). Eine Folge hiervon ist, dass „Schwachheit sehr wohl vereinbar sein kann mit Heilsgewissheit“ (S. 121). Wiederum kann unsere gefallene Sehnsucht, selbst stark zu sein, sehr gefährlich sein. Es ist töricht, auf uns zu schauen „und von uns zu erwarten, was wir von Christus bekommen müssen … wir müssen stets im Sinn behalten, dass das, was im Selbstvertrauen beginnt, in Schande endet“ (S. 137–138).

Ortskenner, Arzt und guter Freund

Durch das ganze Buch hindurch nimmt uns Sibbes bei der Hand. Wie ein guter Freund zeigt er auf unseren besten Freund – Jesus. Wie ein geschickter Arzt diagnostiziert er unsere Sünden und Versuchungen. Wie ein erfahrener Ortskenner führt er uns Schritt für Schritt in den Charakter unseres Herrn ein. Immer wieder hält er an, dreht sich zu uns um und sagt: „Siehst du deinen Herrn? Ist er nicht viel besser, als du ihn dir vorgestellt hast? Hat Jesus nicht auch hier, sogar an dunklen Orten, reichen Trost für dich?“

Das Buch endet mit einem klaren Blick in die Zukunft:

„Christus, den Gott erwählt hat, den höchsten Ruhm seiner Majestät darzustellen, ist jetzt verborgen in der Beziehung zu seinem Leib, der Kirche. Er wird aber bald kommen, ‚um verherrlicht zu werden in seinen Heiligen‘ (2Thess 1,10), und nicht eine Manifestation einer seiner Eigenschaften wird abhandenkommen. Er wird der ganzen Welt verkünden, wer er ist, und dann wird es keine andere Herrlichkeit geben, als die von Christus und seiner Braut. Jene, die jetzt noch ‚glimmende Dochte‘ sind, werden dann am Firmament, ‚leuchten wie die Sonne‘ (Mt 13,43) und ihr Recht wird aufgehen, wie der helle Mittag (Ps 37,6).“ (S. 133–134)

Welch einen Retter haben wir! Was für eine Zukunft! Kauf das Buch, lies es, und atme auf.[8] Es gibt mehr Gnade in Christus als Sünde in uns. Danke, Sibbesy!

Buch

Richard Sibbes, Geborgen in ihm, Waldems: 3L-Verlag , 2007, 160 Seiten, 13,50 Euro.
Das Buch kann auch direkt beim Verlag bestellt werden.


1Izaak Walton, „A Memoir of Sibbes“ in: Grosart, The Works of Richard Sibbes, Bd. 1, Edinburgh, 1973, S. xx.

2Persönliche Korrespondenz.

3So möchte ich ihn jedenfalls begrüßen, wenn ich ihn im Himmel sehe.

4August Lang, Puritanimus und Pietismus, Neukirchen: Buchhandlung des Erziehungsvereins, 1941, S. 9.

5Mark Dever, Richard Sibbes: Puritanism and Calvinism in late Elizabethan and early Stuart England, Macon: Mercer University Press, 2000, S. 264–266. Siehe auch John Piper, „The Place of Writing“, für eine weitere Aufführung der Wirkungsgeschichte des Buches, https://www.desiringgod.org/articles/the-place-of-writing.

6Alle Zitate von Sibbes stammen aus Richard Sibbes, Geborgen in Ihm, Waldems: 3L, 2007.

7Martyn Lloyd Jones, Die Predigt und der Prediger, Waldems: 3L, 2005, S. 183.

8Ich empfehle, sein „Vorwort“ (im Buch als „Laudatio“ betitelt) zu überspringen und direkt einzusteigen.