Hilfe! Evangelisation ist nichts für mich!
Du bist nicht allein
Wahrscheinlich hast du diesen Artikel aufgerufen, weil du Evangelisation irgendwie schwierig, abschreckend oder unangenehm findest. Dir läuft schon ein kalter Schauer über den Rücken, wenn dieses Wort in deiner Gemeinde erwähnt wird. Du hast den seltsamen Cocktail aus Liebe zu den Verlorenen und dem ehrlichen Wunsch, über Jesus zu sprechen, getrunken – gemischt mit unbeholfenen Versuchen, Zeugnis abzulegen, sowie Schuld- und Schamgefühlen. Warum scheint anderen das Evangelisieren so viel leichter zu fallen als dir? Vielleicht wirst du deinen Browserverlauf löschen wollen, wenn du das hier gelesen hast. Aber vergiss nicht: Nicht nur dir geht es so.
Gesteh dir dein Problem ein
Christen auf der ganzen Welt haben dasselbe Problem wie du, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Wir sorgen uns, was andere Menschen von uns denken könnten, wenn wir uns als „bibeltreu“ outen. Die Angst vor dem Versagen hält uns davon ab, das Evangelium weiterzusagen, weil wir Ablehnung oder Gleichgültigkeit ernten könnten. Wir fühlen uns schlecht gerüstet. Wir haben nicht genug Vertrauen in die Kraft des Evangeliums.
Deshalb greifen viele von uns nach praktischen Lösungen: „Die vier wichtigsten Werkzeuge für die Evangelisation“, Kurse mit professionell gemachten Videos, Diagrammen oder Traktaten, die uns die richtigen Inhalte vermitteln, und dergleichen mehr. Die Schwierigkeit besteht darin, dass wir nach einem Patentrezept suchen, um ein Problem zu lösen, das viel tiefer geht als die richtige Technik oder Präsentation. Aber geht es wirklich um so oberflächliche Dinge wie unsere mangelnden Fähigkeiten als Evangelisten oder unseren Bedarf an besseren Ressourcen?
Des Pudels Kern
Wenn wir diese Frage etwas gründlicher betrachten, entdecken wir vielleicht, dass das Problem tiefere Wurzeln hat. Wenn wir ganz ehrlich sind, empfinden wir beim Gedanken an Evangelisation oft so etwas wie Groll gegenüber Gott. Unser Pflichtgefühl, die gelegentlichen Schuldzuweisungen seitens übereifriger christlicher Leiter und die heimliche Scham über unsere Unfähigkeit werden nur allzu leicht auf Gott projiziert. Warum mutet er uns überhaupt diese harte Arbeit zu? Basiert das Evangelium nicht auf Gnade statt auf Werken? Warum fuhr Jesus in den Himmel auf und übergab uns für die Zeit vor seiner Rückkehr diese schwierige und anspruchsvolle Aufgabe?
Wenn wir ehrlich zugeben können, dass das Problem auf dieser tieferen Ebene liegt – in unserer Sicht von Gott –, sind wir auf dem richtigen Weg zur Lösung.
„Wenn wir das Gefühl haben, wir müssten evangelisieren, werden wir uns nie für unsere Berufung erwärmen.“
Auch wenn wir wahrscheinlich Fortschritte beim Wie der Evangelisation machen können – es ist unser Herz, das am stärksten verändert werden muss: Es kann wieder erwärmt werden, wenn wir Gott sehen, wie er wirklich ist.
Wenn Gott uns wie ein anspruchsvoller Dienstherr erscheint, werden wir niemals seine eifrigen Botschafter in der Welt sein. Wenn wir das Gefühl haben, wir müssten evangelisieren, werden wir uns nie für unsere Berufung erwärmen. Wenn wir nicht davon überzeugt sind, dass Gott schön ist und wenn wir uns nicht an ihm erfreuen, werden wir unseren Mitmenschen nichts zu sagen haben.[1]
Ein großes Herz
Wie können also widerwillige Möchtegern-Evangelisten ihr Herz erwärmen und so ihre geistlichen Batterien wieder aufladen? Wir müssen unsere verzerrten Gottesbilder korrigieren. Und der einzige Weg dazu ist, wie immer, ein neuer Blick auf Jesus Christus.
Jesus ist die Offenbarung des Vaters. Er ist die Ausstrahlung der Herrlichkeit Gottes (vgl. Hebr 1,3), das Ebenbild des unsichtbaren Gottes (vgl. Kol 1,15) und das vollkommene Wort des Vaters (vgl. Joh 1,14). Nichts und niemand kann uns die Wahrheit Gottes besser zeigen als das Kind in der Krippe, der barmherzige Heiler, der leidende Knecht, der Freund der Sünder, der gekreuzigte und auferstandene Herr. In seinem Leben – dem schönsten Leben, das je gelebt wurde – offenbart Jesus einen Gott, der zutiefst liebevoll und gütig ist, alles überstrahlt und sich selbst verschenkt. Er möchte von uns erkannt werden, mit uns sein, sogar unser Eigentum sein, damit wir ihn unseren Gott nennen (vgl. Jer 31,33).
Jesus ist weit davon entfernt, uns etwas abzuverlangen oder uns mit Evangelisationsversuchen zu seinem eigenen Vorteil zu belasten, sondern er zeigt uns einen Gott, der gerne gibt, überfließt und sein Leben mit uns teilt. Charles Spurgeon sagte: „Wenn ich an Gott denke, sehe ich seine Herrlichkeit aus seinem großen Herzen fließen; denn er ist ganz und gar selbstlos und reichlich mitteilsam.“[2]
Diejenigen, die in der Sonne dieses liebevollen und großzügigen Gottes leben, sind die glücklichsten Christen und die glücklichsten Evangelisten. Das Licht und die Wärme Jesu lassen unsere harten und frostigen Vorstellungen von Gott dahinschmelzen. Und wenn uns bewusst wird, wie sehr er uns geliebt hat, dann beginnen wir, ihn auch zu lieben. Wenn wir an Jesus sehen, wie unser Gott wirklich ist, können wir genauso strahlen wie er. Das ist es, worum es bei der christlichen Mission im Wesentlichen geht.
Der Mund spricht!
Wenn du dir bei deinen Evangelisationsversuchen vorgestellt hast, dass Gott deinen Einsatz braucht, hast du einen leeren und bedürftigen Gott im Sinn. Ein Gott, der nur von seinen Jüngern nimmt, produziert Diener mit leerem Herzen. Wenn wir Jesus kennen und ihm erlauben, uns die Wahrheit über Gott zu zeigen, haben wir einen ganz anderen Gott, den wir unseren Mitmenschen verkünden können.
Der Gott, den wir kennen – oder zu kennen glauben –, ist der Gott, den wir der Welt zeigen.
„Echte, fruchtbare und gesunde Evangelisation muss damit beginnen, dass wir uns an Gott erfreuen.“
Echte, fruchtbare und gesunde Evangelisation muss damit beginnen, dass wir uns an Gott erfreuen. Unsere Herzen müssen von der Herrlichkeit Gottes in Christus erfüllt sein. Seine Schönheit weckt die Freude in uns und macht unsere Verkündigung erfolgreich. William Tyndale sagte einmal, das Evangelium von Jesus sei „eine so erfreuliche, beglückende und frohe Botschaft, die das Herz des Menschen erfreut, dass sie ihn singen, tanzen und vor Freude springen lässt.“[3] Mit anderen Worten: „Wovon sein Herz voll ist, davon redet sein Mund“ (Lk 6,45).
„An Christus erkennen wir, wie Gott wirklich ist: Er ist die Fülle, er ist reich und herrlich. Diejenigen, denen Christus genug ist, werden die besten Missionare sein; und die besten Missionare sind diejenigen, die sich am tiefsten an seiner Liebe erfreuen.“[4]
Du bist nicht allein, wenn du ein Problem mit dem Evangelisieren hast. Du bist nicht allein, wenn du dir das Schlimmste von Gott vorstellst. Die gute Nachricht ist, dass es kein Geheimnis gibt, das du entdecken musst, und keine Techniken, die du perfektionieren musst, und dass du dich wirklich nicht schämen musst, wenn du zugibst, dass dir nur Folgendes fehlt: ein größerer, besserer, klarerer Blick auf Jesus Christus, der dein Herz erwärmt und dir den Mund öffnet.
1Michael Reeves und Daniel Hames, God Shines Forth, Wheaton: Crossway, 2022, S. 20–21.
2C.H. Spurgeon, „The Glory of God in the Face of Jesus Christ“ (7. September 1879), in: The Metropolitan Tabernacle Pulpit, Bd. 25, Passmore & Alabaster: London 1879, S. 510.
3William Tyndale, „A Pathway into the Holy Scripture“, in: Thomas Russell (Hrsg.), The Works of the English Reformers: William Tyndale and John Frith, Bd. 2, Palmer: London 1831, S. 490.
4Reeves und Hames, God Shines Forth, S. 142.