Memorizing Scripture
Ich fing damit an, die Bibel auswendigzulernen, als ich auf einer Bank in Kenia saß und auf den Bus wartete. Ich hatte etwas Zeit und begann, mir den Epheserbrief einzuprägen. Welche Auswirkungen dieser erste Schritt in den folgenden Jahren auf mein Leben und meinen Dienst haben würde, ahnte ich damals noch nicht.
Auswendig gelernte Bibeltexte sind mir in meinem Leben zu einem großen Segen geworden. Sie sind Nahrung für meine Seele, stärken mich im pastoralen Dienst und geben meiner Predigt Vollmacht. Sie unterstützen meine Arbeit als Seelsorger mit Wahrheiten aus Gottes Wort, wappnen mich für den Kampf gegen die Sünde und rüsten mich dazu aus, Menschen mit dem Evangelium zu erreichen. Diese Praxis hat sich für mich so sehr ausgezahlt, dass ich über Jahre versucht habe, Menschen davon zu überzeugen, dass sich das Auswendiglernen von Bibeltexten in geistlicher Hinsicht absolut lohnt.
„Auswendig gelernte Bibeltexte sind mir in meinem Leben zu einem großen Segen geworden. Sie sind Nahrung für meine Seele, stärken mich im pastoralen Dienst und geben meiner Predigt Vollmacht.“
Aber auch wenn diese Überzeugung zunehmend von christlichen Leitern geteilt wird, habe ich bisher kein Buch gesehen, das eine Handreichung zum Auswendiglernen bietet. Bis jetzt – denn in Memorizing Scripture: The Basics, Blessings and Benefits of Meditating on God’s Word (dt. „Die Bibel auswendig lernen: Grundlagen, Segen und Vorzüge, wenn man über Gottes Wort nachsinnt“) argumentiert Glenna Marshall einladend und versehen mit vielen Tipps für diese Praxis.
Zu beschäftigt?
Viele Menschen sagen, sie seien zu beschäftigt, um Bibeltexte auswendig zu lernen. In Wirklichkeit haben die meisten von uns Zeit, wir nutzen sie nur nicht konsequent, um unser Denken mit Gottes vollkommenem Wort zu erneuern. Marshall betont: „Du füllst deine Gedanken bereits jetzt mit irgendwelchen Dingen. Was auch immer es ist, es wird dein Denken und deine Entscheidungsfindung prägen“ (S. 108). Wir versuchen es, aber die Geschäftigkeit des Lebens fordert uns heraus, geistlichen Übungen diszipliniert nachzugehen.
Das Zeugnis von Marshall zeigt, wie Hindernisse überwunden werden können, die vielen Christen bekannt sind. Sie ist die Frau eines Pastors, Autorin und Mutter, die ein aktives und produktives Zuhause managt. Darüber hinaus kämpft sie, wie sie im Buch offenbart, mit Autoimmunerkrankungen, die zu Müdigkeit und Nebel im Kopf führen, bei dem es sich anfühlt, als würden ihre „Gedanken sich schwerfällig durch einen großen Bottich Honig bewegen“ (S. 89). Dieser Zustand stellt offensichtlich eine Herausforderung dar, um große Gedächtnisleistungen hervorzubringen. Er könnte leicht als Ausrede zum Aufgeben herhalten. „Und doch“, so Marshall, „hat mich dieses langsame Fortschreiten durch die Bibel – begleitet von Gehirnnebel und Krankheit – wie nichts anderes durch die letzten zwei Jahre körperlichen Leidens getragen“ (S. 90).
Das Buch ist voll praktischer Tipps für „zu beschäftigte“ Christen, damit sie mit dieser wichtigen Übung beginnen können. Jedes Kapitel schließt mit konkreten Hinweisen ab; zwei weitere Kapitel erklären, wie das Auswendiglernen funktioniert. Ein Anhang listet Ressourcen auf, damit die neue Gewohnheit etabliert werden kann.
Einige Tipps, z.B. Bibelverse in der Tasche zu verstauen oder sie im Bad anzubringen, sind für den individuellen Gebrauch gedacht. Andere, wie das gemeinsame Auswendiglernen am Esstisch (jeder spricht ein Wort des Verses), eignen sich für Familien und können eine junge Generation dafür gewinnen, die Bibel auswendig zu lernen. Ich fand viele dieser Vorschläge geeignet, um sie in meinem eigenen Leben und in meinem Dienst auszuprobieren.
Tief in den Text eintauchen
Die meisten Evangelikalen stimmen zu, dass die Schrift vollkommen, mächtig und wunderschön ist. Wir behaupten, dass wir sie lieben – aber Umfragen zeigen, dass viele Christen nicht einmal wissen, was in ihr steht.
„Was wir brauchen, ist eine Veränderung des Herzens. Und die kommt nur dadurch, dass wir tief in den Text eintauchen.“
Vielleicht liegt es daran, dass der leichte Zugang zur Bibel den Menschen ermöglicht, nicht mehr lernen zu müssen, was sie sagt. Marshall schreibt dazu: „Wenn es irgendwen in der Weltgeschichte gibt, der sich nicht auf sein Gedächtnis verlassen musste, um zu wissen, was die Schrift sagt, dann sind wir es“ (S. 23). Wir haben Apps, Internetseiten, die den Text in vielen Übersetzungen anbieten, und schnellen Zugang zu Kommentaren und Artikeln, die uns schwer verständliche Abschnitte erklären. Es gibt keinen Mangel an Informationen. Was wir jedoch brauchen, ist eine Veränderung des Herzens. Und die kommt nur dadurch, dass wir tief in den Text eintauchen.
Marshall begann „aus purer Verzweiflung“ mit dem Auswendiglernen der Bibeltexte. Sie hatte gewohnheitsmäßig mit Zorn zu kämpfen und bekam ihn nicht unter Kontrolle. „Frustriert und voller Angst, dass ich meinen Zorn niemals besiegen würde, flehte ich Gott an, mir zu zeigen, was mir fehlte. Er erinnerte mich an einen Vers, den ich als Sechsjährige in der Kinderstunde meiner kleinen Baptistengemeinde auswendig gelernt hatte“ (S. 10). Es war Psalm 119,11, der ein Versprechen enthält, dass Gottes Wort uns im Kampf gegen die Sünde helfen kann.
Nach und nach begann sie, die Bibel auswendigzulernen: Zuerst einige einzelne Texte, dann einige Psalmen, dann den Jakobus- und den Kolosser-Brief. Sie rät ihren Lesern zu diesem langsamen, geduldigen Ansatz. Die Portionen sollten nach und nach erhöht werden, schließlich geht es um einen Marathon und keinen Sprint. Es muss in kleinen Schritten und Tag für Tag weitergehen.
Christus besser kennenlernen
Bibeltexte im Gedächtnis zu haben, unterstützt uns nicht nur im Lernprozess, die Sünde zu hassen, sondern lässt uns die Stimme unseres Herrn Jesus Christus, des guten Hirten, erkennen. Es hilft uns, Gott tiefer und mit mehr Hingabe zu lieben, bewahrt uns standhaft in Prüfungen und Versuchungen. Marshall gesteht ein, dass sie Gott nicht immer so liebt, wie sie sollte. Dennoch „gibt das Nachdenken über die Bibel unseren Gefühlen den nötigen Anschwung. Wenn wir unseren Blick auf den Herrn richten, dann erkennt unser Herz die Wahrheit“ (S. 71).
Marshall zeigt, wie das Auswendiglernen einem Christen Kraft gibt, die über das bloße Abhaken des täglichen Bibelleseplans hinausgeht. Wenn ein Christ Gottes Wort buchstäblich „im Mund trägt“ und es vor sich hin „murmelt“ (Marshall liebt die Bedeutung des hebräischen Wortes für das Nachsinnen und nutzt es einige Male), bringt ihn das zu einer intensiven geistlichen Klarheit und Kraft. Diese tiefe Erfahrung wurde bei ihr nur durch dieses intensive Nachdenken ermöglicht, erklärt Marshall. Das Auswendiglernen nimmt den äußeren Inhalt der Schrift und macht ihn zutiefst persönlich.
Die Leidenschaft für die Heilige Schrift und für die praktischen Details zieht sich durch jedes Kapitel dieses Buches. Marshall argumentiert überzeugend, ohne dabei anmaßend zu sein. Viele ihrer Beispiele und Illustrationen stammen aus ihrer eigenen Erfahrung als Mutter und Ehefrau, aber das Buch richtet sich allgemein an alle, die bereit sind, diese zeitaufwändige und lohnende Herausforderung anzunehmen. Als begeisterter Mitstreiter liebe ich ihren Stil. Ich vertraue darauf, dass Gott dieses Buch reichlich gebrauchen wird, um die Zahl derjenigen zu erhöhen, die sich auf den Weg machen, die Bibel auswendigzulernen.
Buch
Glenna Marshall, Memorizing Scripture: The Basics, Blessings, and Benefits of Meditating on God's Word, Moody: Chicago 2023, 160 Seiten, ca. 13,50 Euro.