Ist Sex vor der Ehe falsch?
Vor nicht allzu langer Zeit geriet eine amerikanische Politikerin in eine peinliche Situation, als sie bei einem Gebetsfrühstück erwähnte, dass sie spät dran sei, weil ihr Verlobter an diesem Morgen Sex haben wollte. Aus ihrem öffentlichen Eingeständnis ging hervor, dass die Frau und ihr Verlobter zusammenlebten und eine sexuelle Beziehung hatten. Klar war auch, dass die Frau – eine bekennende Christin und Mitglied einer evangelikalen Gemeinde (mit ihrem Pastor im Publikum) – sich nicht bewusst war, etwas Falsches gesagt oder getan zu haben. Sie erwähnte den Grund für ihre Verspätung mit einem Lächeln und versicherte ihrem Verlobten kichernd, dass sie ihn am Abend sehen und seine Wünsche erfüllen würde. Später, nachdem sie für ihre gewagten Äußerungen Kritik hatte einstecken müssen, erklärte die Kongressabgeordnete, dass sie nicht deshalb in die Kirche gehe, weil sie eine Heilige sei, sondern eine Sünderin.
Ich erwähne diese Geschichte nicht, um Aufmerksamkeit auf dieses spezifische Ereignis zu lenken oder mir gerade diese Politikerin vorzunehmen, sondern um die Realität zu veranschaulichen, dass Sex vor der Ehe, selbst für viele Christen, jede Art von Stigma verloren hat. In fast allen Fernsehsendungen und Filmen, in denen es um Dating oder romantische Beziehungen geht, sind sexuelle Aktivitäten zwischen nicht verheirateten Personen völlig normal und allgegenwärtig. Viele Christen mögen sich noch immer aufregen, wenn die Kultur eine LGBTQ-Agenda vorantreibt, aber den meisten dieser Christen wird es nicht einmal mehr auffallen, wenn beliebte Lieder, Shows, Videos oder Filme routinemäßig Sex vor der Ehe zeigen, beschreiben oder voraussetzen. Wenn Weltlichkeit das ist, was Sünde normal und Rechtschaffenheit seltsam aussehen lässt (um David Wells zu paraphrasieren), dann ist die routinemäßige Akzeptanz von Sex vor der Ehe eines der deutlichsten Zeichen von Weltlichkeit in unserer Zeit.
Ist es falsch?
Der Titel dieses Artikels fragt, ob es falsch ist, Sex vor der Ehe zu haben. Lass mich also damit beginnen, anhand der Bibel aufzuzeigen, dass ein solches Verhalten eindeutig Sünde ist. „Unzucht“ ist das (heute selten verwendete) Wort für Sex zwischen zwei Personen, die nicht verheiratet sind. Traditionellerweise bezeichnete „Ehebruch“ in der Regel unerlaubten Sex nach der Heirat, „Unzucht“ hingegen unerlaubten Sex vor der Ehe. Bei vielen Übersetzungen wird in 1. Korinther 6,18 das Wort „Unzucht“ verwendet, aber das griechische Wort dort lautet porneia, das jede Art von unerlaubter sexueller Aktivität – von Ehebruch über Homosexualität und Prostitution bis hin zu Sex vor der Ehe – umfasst.
Die Bibel hält sich nicht lange mit der Sünde der Unzucht auf – und zwar deshalb, weil ein solches Verhalten in den Augen der biblischen Autoren eindeutig und offensichtlich falsch war. Das wird an mehreren Stellen deutlich: Nach 2. Mose 22,16–17 soll der Mann, der mit einer nicht verlobten Jungfrau schläft, sie zu seiner Frau machen, was darauf verweist, dass Geschlechtsverkehr eine verbindliche Handlung ist, die nicht außerhalb des ehelichen Bundes vollzogen werden darf; ebenso setzt 5. Mose 22,13–21 eine Frau, die vor der Ehe Sex hat, mit einer Prostituierten gleich. Die Tora erlaubt keinen Sex vor der Ehe.
„Sex ist das finale und intimste Band einer Beziehung; diese Verbindung sollte ein Paar nicht vor dem Versprechen eingehen, sich für ein ganzes Leben aneinander zu binden.“
Im Neuen Testament werden die gleichen sexuellen Grenzen wie im Alten Testament weitergeführt. Josefs Versuch, die Verlobung mit der schwangeren Maria stillschweigend zu lösen, macht es offensichtlich, dass Josef der Meinung ist, dass Maria etwas Falsches getan hat und sein gesamtes Umfeld dieses Verhalten ebenfalls missbilligen wird (vgl. Mt 1,19). Auch hält es die Bibel für wichtig, uns wissen zu lassen, dass Maria tatsächlich eine Jungfrau war (vgl. Mt 1,20; Lk 1,34). Und ganz klar funktioniert die Logik von 1. Korinther 7 – dass es besser ist zu heiraten, als vor Leidenschaft zu brennen (vgl. 1Kor 7,9) – nur unter der Annahme, dass sexuelle Aktivitäten ausschließlich in die Ehe gehören. Das starke Verlangen nach sexueller Intimität sollte nur innerhalb der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau erfüllt werden (vgl. 1Kor 7,36–38). Jeder andere Kontext für sexuelle Intimität ist Sünde. Das bedeutet, dass sexuelle Aktivitäten vor der Ehe – worunter Geschlechtsverkehr und damit auch jede Art von romantischer Aktivität, die die eigenen Geschlechtsteile betrifft, fällt – von Gott verboten sind.
Warum ist es falsch?
Dass Unzucht Sünde ist, macht schon eine bloß flüchtige Bibellektüre klar. Warum Unzucht falsch ist, verlangt ein tiefergehendes Nachdenken. Wie bereits erwähnt, spricht die Bibel nicht viel über Sex vor der Ehe. Wir können die Bedeutung eines Themas in der Bibel (oder die Schwere eines Vergehens) allerdings nicht automatisch messen, indem wir die Verse zählen, die sich damit befassen. Wenn man die Bibel liest, hat man den Eindruck, dass dem Volk Gottes offensichtlich klar war, dass Unzucht falsch ist, weshalb es dazu auch gar nicht mehr viel zu sagen gab – abgesehen von der Darlegung der Folgen der Sünde und wie man sie vermeiden und vor ihr fliehen sollte. Wenn wir jedoch etwas weiter und tiefer denken, ist es nicht schwer zu verstehen, warum vorehelicher Sex nicht Teil des biblisch erlaubten Sexualverhaltens ist.
Einfach ausgedrückt, ist Unzucht deshalb eine Sünde, weil sie mit dem Wesen der Sexualität, dem Wesen der Ehe und dem Wesen der Familie unvereinbar ist. Die Ehe ist ein Bund zwischen einem Mann und einer Frau (vgl. Mal 2,14), eine Bundesbindung, die durch das Ein-Fleisch-Werden sexueller Intimität besiegelt wird (vgl. 1Mose 2,24). In seinem Buch Marriage as Covenant (dt. etwa Die Ehe als Bund) legt der Pastor und Bibelwissenschaftler Gordon P. Hugenberger überzeugend dar, dass die Ehe zur Zeit des Alten Testaments in der Regel durch einen feierlichen Schwur (verba solemnia) geschlossen und dann durch das Schwurzeichen des Geschlechtsverkehrs bestätigt wurde. Die beiden Elemente gehörten zusammen, wobei das öffentliche Versprechen der privaten Bestätigung vorausging. Wie Hugenberger es ausdrückt, „waren die ergänzenden verba solemnia wegen des notwendigerweise privaten – wenn auch nicht weniger verbindlichen – Charakters der sexuellen Vereinigung als Schwurzeichen besonders geeignet, da sie einen wesentlichen öffentlichen Beleg der feierlichen Begehung einer Ehe darstellen“ (S. 216). Wenn Paare vor der Ehe Geschlechtsverkehr haben, handelt es sich um eine private Aktivität, deren Zweck es ist, ein öffentliches Versprechen zu vollziehen. Ohne Letzteres ist der erste Akt ein Versuch, die Vorteile des Bundes zu genießen, ohne den Bund formell einzugehen.
Wir sollten die Formulierung „ein Fleisch“ in 1. Mose 2,24 nicht übersehen. Es lässt sich durchaus argumentieren, dass die Formulierung „ein Fleisch“ bedeutet, dass sexuelle Intimität nicht stattfinden sollte, solange ein Paar nicht bereit ist, sich in jedem anderen Bereich der Beziehung zum „Einssein“ zu verpflichten. Sex ist das finale und intimste Band einer Beziehung; diese Verbindung sollte ein Paar nicht vor dem Versprechen eingehen, sich für ein ganzes Leben aneinander zu binden. Das ist eine berechtigte Schlussfolgerung aus der Formulierung „ein Fleisch“.
Dennoch bezieht sich die Formulierung nicht primär auf die Einheit im Sinne einer zwischenmenschlichen Vertrautheit, sondern vielmehr auf die Einheit einer biologischen Funktion. Der Grund, warum gleichgeschlechtliche Partnerschaften keine Ehe darstellen, ist derselbe Grund, warum Paare keine Unzucht begehen, wenn sie nur Händchen halten oder sich umarmen. „Ein Fleisch“ bezieht sich nicht auf alle Arten von Aktivität, die eine Person mit einer anderen körperlich verbindet. Ein Mann und eine Frau werden beim Geschlechtsverkehr „ein Fleisch“, weil ihre individuellen Körper zu einem einzigartigen biologischen Zweck zusammenkommen. Die Ehe ist die Art von Verbindung, die – wenn alles richtig funktioniert und der Zeitpunkt stimmt – Kinder hervorbringt. Das bedeutet nicht, dass aus jedem sexuellen Akt Kinder hervorgehen müssen, aber es bedeutet schon, dass wir uns, wenn wir sexuelle Handlungen vollziehen, für das Geschenk von Kindern öffnen. Die Versprechen, die in der Ehe gegeben werden, sind nicht nur für die Braut und den Bräutigam wichtig. Sie sind wichtig für die Kinder, die sie zu zeugen hoffen, und für die gesamte Gesellschaft, die davon profitiert, wenn in einer Ehe Kinder geboren und von ihren beiden leiblichen Eltern erzogen werden.
„Unzucht ‚funktioniert‘ nur, wenn Sex von den Versprechen, die eine Ehe ausmachen, losgelöst werden kann.“
Sex vor der Ehe untergräbt das alles. Unzucht „funktioniert“ nur, wenn Sex von den Versprechen, die eine Ehe ausmachen, losgelöst werden kann; losgelöst von der öffentlichen Dimension der Ehe und auch losgelöst von den Kindern, die aus einer Ehe normalerweise hervorgehen und im Kontext der Ehe am besten gedeihen. Die Bibel sagt klar und deutlich, dass vorehelicher Sex falsch ist. Die Bibel lehrt ebenso deutlich, wenn auch eher implizit, dass vorehelicher Sex egoistisch ist und öffentlich die Güter untergräbt, die die Ehe fördern und schützen soll.
Was tun, wenn man die Sünde begangen hat?
Ich möchte nicht versäumen, denen ein Wort der Hoffnung mitzugeben, die bereits wissen, dass vorehelicher Sex falsch ist und sich schrecklich fühlen, weil sie diese Sünde begangen haben. Unzucht ist keine unverzeihliche Sünde, auch verurteilt sie einen Menschen nicht zu einem Leben als Christ zweiter Klasse. Denk an die zweite Chance, die der Prostituierten Gomer im Buch Hosea gegeben wird. Denk an die sexuellen Sünder im Stammbaum Jesu. Denk an die Frauen, die sexuelle Sünderinnen waren und in Jesus Gottes Gnade erfuhren. Vor allem aber denk an das Kreuz, an dem alle unsere Sünden abgewaschen und weißer als Schnee werden können. Lass uns im Licht wandeln, wie Gott im Licht ist (vgl. 1Joh 1,7). Es stimmt: Sex vor der Ehe ist eine Sünde, aber wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Gott treu und gerecht, uns die Sünden zu vergeben und uns zu reinigen von aller Ungerechtigkeit (vgl. 1Joh 1,9).