Das größte Geschenk
Während meines Theologiestudiums fragte unser Professor die Klasse einmal: „Was ist das größte Geschenk, das wir als Kirche dieser Welt zu bieten haben?“
Keiner sagte etwas. Jeder wusste, dass seine Antwort viel besser sein würde als alles, was uns einfallen könnte. Letztendlich war sie sogar so prägend für mich, dass ich schon einige Male gedacht habe: „Das sollte in den Kleinen Katechismus aufgenommen werden!“
Seine Antwort lautete: „Das größte Geschenk, das wir dieser Welt zu bieten haben, ist der dreieinige Gott selbst.“
„Das größte Geschenk, das wir dieser Welt zu bieten haben, ist der dreieinige Gott selbst.“
Der Apostel Paulus ließ dieses größte Geschenk den Gläubigen in Korinth zuteilwerden, als er sie mit folgenden Worten segnete: „Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen“ (2Kor 13,13). Das ist genau das Geschenk, mit dem wir die Welt von heute beschenken dürfen.
Die Gnade Jesu
In einer Kultur, die so von Unversöhnlichkeit und Härte geprägt ist wie unsere heute, hat die Kirche die besondere Gelegenheit, mehr denn je als Verkündigerin der Gnade aufzutreten – der Gnade unseres Herrn Jesus Christus. Auch wir als Christen haben oft und auf unterschiedlich Weise versagt und das in jedem erdenklichen Ausmaß. Wir haben alle gesündigt und werden der Herrlichkeit Gottes nicht gerecht (vgl. Röm 3,23). Aber unser Gott hat uns nie aufgegeben. Warum? Es gibt „jetzt keine Verdammnis mehr für die, welche in Christus Jesus sind“ (Röm 8,1).
Natürlich zeigt uns Gott unsere Sünden, aber er wendet sich nicht von uns ab. Er überführt uns, aber er weist uns nicht zurück. Er verstößt uns nicht; er verwandelt uns durch seine Gnade in das Ebenbild seines Sohnes, um uns zu segnen, zum Segen für andere zu machen und seinen Namen zu verherrlichen. In einer Welt, die nur darauf aus ist, Schuld zu finden, haben wir einen Gott, der darauf aus ist, Gnade zu erweisen (vgl. Mi 7,18).
„In einer Welt, die nur darauf aus ist, Schuld zu finden, haben wir einen Gott, der darauf aus ist, Gnade zu erweisen.“
Sind wir darauf aus, Gnade zu erweisen? Sind wir darauf aus, zu vergeben, wie uns vergeben wurde (vgl. Eph 4,32)? Ist es uns wichtiger, die gute Nachricht von Gottes Gnade in seinem Sohn weiterzusagen, als über das neueste moralische Versagen oder den aktuellsten Skandal informiert zu sein? Verkündigen wir offen und vorbehaltlos die frohe Botschaft von dem, der „unsere Sünden selbst an seinem Leib getragen [hat] auf dem Holz“, „an [unsere] Sünden … nicht mehr geden[kt]“ und sagte: „wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“ (1Petr 2,24; Hebr 8,12; Joh 6,37)? Erleben wir die heilende Gnade Jesu in unserem eigenen Leben so tiefgreifend, dass wir nicht anders können, als sie auch anderen zukommen zu lassen?
Die Liebe des Vaters
Wir kennen den liebenden Vater, nach dem sich jeder Mensch im Grunde seines Herzens sehnt. Wir sollten ihn nicht für uns behalten.
Unsere Welt braucht die Gnade unseres Herrn Jesus Christus. Sie braucht aber auch die Liebe Gottes, die Liebe des Vaters.
Der Titel von Bob Dylans Song bringt den Zustand unserer gefallenen Welt gut auf den Punkt: „Everything Is Broken“ (dt. „Alles ist kaputt“). Nichts ist heutzutage mehr zerbrochen als die Familie. Der Teufel kann eine glückliche und intakte Familie nicht ausstehen, vor allem eine mit einem präsenten, liebenden und treuen Vater. Warum? Weil ihn dieser Anblick an das harmonische „Familienleben“ der Dreieinigkeit erinnert. Diese dreieinige Familie kann Satan nicht zerstören. Er kann die Liebe des Heiligen Geistes nicht auslöschen. Er kann keinen Keil zwischen den himmlischen Vater und seinen geliebten Sohn treiben, auch wenn er es in seiner grenzenlosen Überheblichkeit sicherlich versucht hat (vgl. Mt 4,1–11). Also versucht er, das zu zerstören, was die Liebe der Dreieinigkeit widerspiegelt – die irdische Familie. Und in unserer geistlichen Benommenheit lassen wir ihn gewähren.
Jeder, dem wir begegnen, sehnt sich daher nach einem Vater, der immer da, immer freundlich, immer aufmerksam und immer liebevoll ist – ein Vater, der sich ihm zuwendet, um das zu heilen und wiederherzustellen, was durch die Sünde kaputtgegangen ist.
Vor einigen Jahren hatten sich ein Vater und ein Sohn aus Madrid zerstritten. Der Sohn lief von zu Hause fort und der Vater war fest entschlossen, ihn wiederzufinden. Monatelang suchte er ihn, jedoch ohne Erfolg. In seiner Verzweiflung gab er schließlich in der Madrider Zeitung eine Anzeige mit folgendem Inhalt auf: „Lieber Juan! Ich vergebe dir alles. Bitte triff mich am Samstag um 12 Uhr vor dem Gebäude dieser Zeitung. Ich liebe dich. In Liebe, dein Vater.“ An jenem Samstag kamen zweihundert Männer namens Juan zum Treffpunkt. Sie alle sehnten sich nach Versöhnung mit ihren Vätern.
In seinem Klassiker Gott erkennen schreibt J.I. Packer: „Die Frage ‚Was ist ein Christ?‘ kann auf vielfältige Weise beantwortet werden, aber die kostbarste Antwort, die ich kenne, lautet: Ein Christ ist ein Mensch, der Gott zum Vater hat.“
Als Christen kennen wir den liebenden Vater, nach dem sich jeder Mensch im Grunde seines Herzens sehnt. Wir sollten ihn nicht für uns behalten.
Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
Unsere Welt braucht die Gnade Jesu, sie braucht die Liebe unseres Vaters und sie braucht die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.
In einer Welt der zunehmenden Vereinsamung sehnt sich der Mensch als ein Geschöpf nach Gottes Ebenbild verzweifelt nach Gemeinschaft. Er sucht überall in der Schöpfung danach. Letztlich ist der Heilige Geist jedoch der Einzige, der unsere Sehnsucht nach Gemeinschaft stillen kann. Nichts Geschaffenes, auch nicht unser bester und treuester Freund, kann dieses tiefe Bedürfnis erfüllen.
Es ist der Heilige Geist, der voller Gnade in jedem Gläubigen wohnt, der uns in die erfüllende Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn führt, uns die unveränderliche Liebe unseres Vaters zusichert und uns befähigt, diese Liebe anderen zukommen zu lassen (vgl. Röm 8,16; Apg 1,8; Eph 2,18; 1Joh 1,3). Verlassen wir uns deshalb auf den Heiligen Geist! Lasst uns um Erfüllung mit dem Geist beten, in seiner Freude leben und ein lebendiger Beweis der erfüllenden Gemeinschaft des Geistes sein, die unsere Welt so dringend braucht!
In einer gnadenlosen, kaputten und vereinsamten Welt wollen wir uns täglich bemühen, durch Wort und Tat das größte Geschenk weiterzugeben, das wir erhalten und der Welt zu bieten haben: die Gnade, die Liebe und die Gemeinschaft unseres dreieinigen Gottes.