Als Christ mit anderen Religionen umgehen

Artikel von Collin Hansen
12. Januar 2024
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Die Sorge um Freunde und Mitmenschen, die einer anderen Religion angehören, bringt bekennende Christen häufig dazu, an der Lehre von der Hölle zu zweifeln. In einem früheren Teil meines Interviews mit Christopher Morgan half dieser uns bereits, ein besseres Verständnis der Hölle zu entwickeln. In diesem Artikel geht Morgan, Professor für Theologie an der California Baptist University und Mitherausgeber von Faith Comes By Hearing: A Response to Inclusivism, auf verschiedene Möglichkeiten ein, mit anderen Religionen umzugehen. Außerdem zeigt er einige Prinzipien auf, die uns in unserem Umgang mit Freunden, Nachbarn und anderen Gesprächspartnern leiten können, die noch nicht an das Evangelium von Jesus Christus glauben.

Von uns Christen wird in unserer heutigen Zeit erwartet, dass wir unsere Ansprüche im Licht anderer Religionen reflektieren. Wie reagieren sogenannte Exklusivisten, Inklusivisten und Pluralisten auf diese Herausforderung?

Der „Exklusivismus“ (manchmal auch „Partikularismus“ genannt) vertritt den Standpunkt, dass Jesus der einzige Erlöser und die einzige Hoffnung auf Versöhnung mit Gott ist. Der „Inklusivismus“ geht von einer Vielzahl möglicher Erlösungswege aus, zu denen sowohl Jesus als auch verschiedene Religionen gehören. Der „Pluralismus“ kommt zu dem Schluss, dass alle Wege gleichberechtigt sind und zu einer Art Ganzheitlichkeit bzw. zum Heil führen, wie auch immer man das verstehen mag.

Historisch gesehen hat sich die Kirche dem Exklusivismus verschrieben und sowohl den Inklusivismus als auch den Pluralismus (in Bezug auf die Weltreligionen) als schwerwiegende Irrtümer betrachtet. Die exklusivistische Theologie der Kirche gegenüber anderen Religionen ist jedoch vielschichtiger, als viele Kritiker zugeben. Sie beinhaltet folgende Aussagen:

  1. Andere Religionen dürfen nicht lächerlich gemacht werden. Das ist unverantwortlich, lieblos und schadet letztlich unserem Auftrag. Jesu Gebot der Nächstenliebe und seine goldene Regel gelten auch hier. Die Kirche muss andere Religionen fair und korrekt darstellen.

  2. Nichtchristliche Religionen sind nicht vollkommen falsch. Aufgrund des christlichen Verständnisses einer guten Schöpfung, der Tatsache der allgemeinen Offenbarung, der Beständigkeit des Ebenbildes Gottes in allen Menschen und der allgemeinen Gnade Gottes dürfen wir annehmen, dass nichtchristliche Religionen einige Elemente der Wahrheit enthalten und einen gewissen Wert für ihre Kulturen darstellen.

  3. Seit dem Sündenfall ist der Mensch von Grund auf sündig und verdreht alles, was er „anfasst“ – auch und im Besonderen die Religion. Harold Netland vertritt die Auffassung, dass die menschlichen Kulturen ein Produkt sowohl von Gottes schöpferischer Tätigkeit als auch von menschlicher Sünde sind und daher eine Mischung aus Gut und Böse darstellen; ebenso enthalten auch die religiösen Dimensionen menschlicher Erfahrung Elemente des Guten und des Bösen, der Wahrheit und der Unwahrheit.[1] Die Menschen sind nicht so sündig, wie sie sein könnten, aber ihre Sünde ist allgegenwärtig – sie wirkt sich auf ihren Verstand, ihren Willen, ihre Gefühle, ihre Sehnsüchte und daher auch auf ihre Religion aus. Wenn Menschen keine besondere Offenbarung empfangen und sich Gott nicht unterwerfen, werden sie nicht richtig über den wahren Gott denken, ihn nicht auf rechte Weise anbeten wollen und ihn auch nicht lieben. Stattdessen werden sie sich selbst wichtiger nehmen, lieber ihre eigenen Pläne verfolgen und ihrer selbstgemachten götzendienerischen Religion den Vorzug geben (vgl. Röm 1,18–32). John Stott stellte dazu fest: „Selbst seine [d.h. des Menschen] Religiosität ist unterschwellig eine Flucht vor dem Gott, vor dem er sich fürchtet und schämt“.[2]

  4. Einige – wenn auch nicht alle – Elemente der Theologie und der Praktiken nichtchristlicher Religionen haben dämonische und satanische Wurzeln (vgl. 1Kor 10,20; 2Kor 4,4; Eph 4,17–18).

  5. Der christliche Gott ist einzigartig, unvergleichlich und gestattet keine Nebenbuhler (vgl. z.B. 2Mose 20; Jes 45). Eckhard Schnabel betont zu Recht:
    „Sowohl Israel als auch die frühen Christen waren davon überzeugt, dass Gott tatsächlich einen Weg zur Erlösung angeboten hatte; einen Weg, der untrennbar mit der göttlichen Offenbarung über die gottgefälligen Sichtweisen, Grundsätze und Verheißungen des Glaubens und der Anbetung verbunden ist. Israel und die frühen Christen glaubten, dass eine solche göttliche Offenbarung sich in Israel ereignet hatte. Die Juden waren davon überzeugt, dass sich diese rettende Offenbarung in der Geschichte der Nachkommen Abrahams vollzogen hatte. Und die frühen Christen glaubten, dass die Person Jesus von Nazareth, der messianische Menschensohn, der Höhepunkt der rettenden Offenbarung Gottes gewesen ist. Sowohl Israel als auch die frühen Christen vertraten die Auffassung, dass andere Glaubens- und Anbetungsformen rein menschlicher Natur waren – von menschlichen Belangen geprägt, von Menschen gestaltet und von menschlichen Vorstellungen über Gottheiten und Opfer bestimmt.“[3]
  6. Das Heil kann nur in Christus, dem einzigen Erlöser, gefunden werden. Daher können andere Religionen uns nicht retten. Jesus selbst sagte: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater als nur durch mich!“ (Joh 14,6). Petrus erklärte, dass es keine anderen Heilswege gibt (vgl. Apg 4,12). Paulus verkündete die gleiche Botschaft: Der Glaube an Christus ist notwendig, um gerettet zu werden (vgl. Röm 10,9–17).

    7. Der Dialog mit Angehörigen anderer Religionen hat durchaus seine Berechtigung und kann dazu dienen, Beziehungen aufzubauen, Freundschaft auszudrücken, Respekt zu zeigen, die unterschiedlichen theologischen Positionen zu klären, einander besser zu verstehen, Schwächen in unserem eigenen Glauben und unserer Praxis aufzudecken, die Heiligkeit des menschlichen Lebens zu fördern und den zivilen Frieden zu sichern.

    8. Da man an Christus glauben muss, um errettet zu werden, wünschen sich Christen die Erlösung aller Menschen (einschließlich der Angehörigen anderer Religionen), beten und arbeiten dafür. Diese Mission und ein entsprechendes Zeugnis sind nicht „arrogant“ oder „Hassrede“, wie manche in unserer pluralistischen Gesellschaft behaupten, sondern liebevoll und notwendig. Schnabel bringt es auf den Punkt:
    „Auch wenn der Apostel Paulus Ungerechtigkeit und Konflikte weder rechtfertigen noch fördern wollte, und auch wenn er sicher nicht glaubte, selbst die Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes ‚ausgeschöpft‘ zu haben (vgl. Röm 11,33–35; Phil 3,12): Dennoch war er von der Wahrheit seiner theologischen Aussagen, von der Täuschung durch die säkularen Religionen, von der Tatsache, dass Gott nur aufgrund des Todes und der Auferstehung Jesu Christi das Heil schenkt, und von der Realität des göttlichen Gerichtes überzeugt. Paulus war ein Missionar – kein Religionswissenschaftler, der sich auf einen Dialog einließ unter der Prämisse, dass Gott in allen Religionen gegenwärtig sei, dass Erlösung durch alle Religionen und Ideologien möglich sei und dass Gottes Geist in allen Religionen, Glaubensrichtungen und Ideologien am Werk sei. Paulus erweckte nicht den Eindruck, die Athener, die Zeus oder Isis oder den Kaiser verehrten, seien mit ihm ‚gemeinsam‘ zur ‚Fülle der Wahrheit‘ unterwegs. Vielmehr war er überzeugt, dass heidnische Religiosität und Spiritualität eine bewusste Rebellion gegen Gott darstellen. Paulus zögerte nicht, die Götzenanbeter als Narren zu bezeichnen, deren vergebliche religiöse Aktivitäten von Unwissenheit zeugen und nicht zur Erlösung führen. Er gab nie seine Überzeugung auf, dass das einzige Kriterium für echte religiöse Erkenntnis und für wirkliche geistliche Wahrheit die Offenbarung Gottes in Jesus, dem gekreuzigten und auferstandenen Messias, ist (vgl. Röm 3,21–26; 1Kor 23–24; 2,2).“[4]

1 Harold Netland, Encountering Religious Pluralism, Downers Grove, Ill.: InterVarsity, 2001, S. 328.

2John R.W. Stott, Christian Mission in the Modern World, London: Falcon, 1975, S. 69.

3Eckhard J. Schnabel, „Other Religions: Saving or Secular?“ in Faith Comes by Hearing: A Response to Inclusivism, Downers Grove, Ill.: InterVarsity, 2008, S. 98–99.

4Ebd., S. 117.