100 Jahre Christentum und Liberalismus
100 Jahre ist es her, seit Christentum und Liberalismus erschien. Dass die einflussreiche Zeitschrift Christianity Today das Werk in die Liste der besten hundert christlichen Bücher des zwanzigsten Jahrhunderts aufnahm, deutet etwas von seiner bleibenden Relevanz an. Sein Autor, John Gresham Machen, war eine der führenden konservativen Stimmen in der fundamentalistisch-modernistischen Debatte der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, wobei der Begriff „fundamentalistisch“ heute einen negativen Klang hat, damals aber einfach für die traditionelle Sicht auf Bibel und Bekenntnis stand.
Machens Hintergrund
John Gresham Machen, geboren 1881 in Baltimore als Sohn gut situierter Eltern, war seit seiner Jugend Mitglied in der presbyterianischen Kirche. Zu einem Studium der Theologie entschied er sich allerdings verhältnismäßig spät. In Princeton studierte er seit 1902 unter anderem bei Benjamin Warfield, Caspar Hodge, Francis Patton und William Armstrong. In besonderer Weise prägend für Machens Haltung in den religiösen Kämpfen seiner Zeit wirkte jedoch sein Studienaufenthalt in Deutschland. Im Wintersemester 1905 war er in Marburg eingeschrieben, wo er unter anderem Jülicher, Weiß und Bauer hörte. Geradezu überwältigt war Machen jedoch von den Vorlesungen bei Wilhelm Herrmann, deren Besuch er „beinahe“ als den Beginn einer „neuen Epoche“ in seinem Leben beschrieb. Auch wenn er dessen Lehren als „unlogisch und einseitig“ ablehnte, musste er Herrmanns Glaubensleben fast widerwillig als „lebendig“ bezeichnen. Das Sommersemester 1906 verbrachte er in Göttingen, wo er unter Schürer, Heitmüller und Bousset studierte. Bereits zu dieser Zeit erkannte Machen, dass die liberalen Konzepte, die hier gelehrt wurden, nicht nur in einigen Punkten vom christlichen Glauben abwichen, sondern im Ergebnis eine völlig andere Religion ergaben. Derart geschärft kehrte er in die Vereinigten Staaten zurück, wo er alsbald einen Lehrauftrag in Princeton annahm. 1914 wurde er in der presbyterianischen Kirche ordiniert.
Die Modernismus-Debatte
Den liberalen Lehren begegnete Machen sowohl in seiner Lehrtätigkeit in Princeton als auch in seiner Pastorentätigkeit in der presbyterianischen Kirche. In diese Zeit (1910–1915) fiel auch die Veröffentlichung der von Torrey herausgegebenen, ursprünglich zwölfbändigen Ausgabe der Fundamentals, die der konservativen Partei in der Modernismusdebatte die Bezeichnung „Fundamentalisten“ einbrachte – eine Bewegung, mit der sich Machen nur zögerlich in Verbindung bringen ließ, da er zwar ihre Überzeugungen teilte, aber ihre Methodik bisweilen missbilligte. Auch wenn Machen in der Folge – und insbesondere nach dem Tod Benjamin Warfields 1921 – durch verschiedene Aufsätze und Vorträge seinen Standpunkt in dieser Auseinandersetzung darlegte, bedurfte es eines besonderen Auslösers, bevor er diesen auch in Buchform herausgab. Dieser unmittelbare Anlass für die Abfassung von Christentum und Liberalismus war die Predigt des Baptistenpredigers Harry Emerson Fosdick an der First Presbyterian Church in New York, der am 21. Mai 1922 über das Thema „Sollen die Fundamentalisten gewinnen?“ sprach, eine Predigt, die landesweite Verbreitung fand und als „Schlachtruf für den Liberalismus“ gilt.
Sollen die Fundamentalisten gewinnen?
In dieser Predigt identifiziert Fosdick die Fundamentalisten als intolerante Konservative, die das Ziel haben, Mitglieder mit liberalen Auffassungen aus den evangelikalen Gemeinden zu vertreiben. Dabei unterstellt er den konservativen Vertretern, die neueren Erkenntnisse der Wissenschaft zu ignorieren: „Die Menschheit hat eine ganze Menge neues Wissen gesammelt – neues Wissen über das Universum, seine Herkunft, die in ihm wirkenden Kräfte und seine Gesetze, über die menschliche Geschichte und insbesondere auch darüber, wie die Menschen des Altertums über Religion dachten und ihre spirituellen Erfahrungen ausdrückten … Und nun gibt es viele ernsthafte Christen, die nicht mehr in der Lage waren, dieses Wissen in einem Teil ihrer Gedanken zu behalten und den Glauben in einem anderen Teil.“ Die Konservativen dagegen weigern sich, den Fortschritt zur Kenntnis zu nehmen und beharren auf überlieferten Dogmen: „Sie verlangen, dass wir alle an die Historizität bestimmter Wunder glauben, vor allem an die tatsächliche Jungfrauengeburt unseres Herrn. Wir müssen an eine bestimmte Theorie der Inspiration glauben … und an eine spezielle Theorie der Erlösung, nach der das Blut unseres Herrn im Wege der stellvertretenden Sühne eine feindliche Gottheit beschwichtigt hat, die nun erst den umkehrenden Sünder wieder willkommen heißen kann.“ Der Liberale, so Fosdick, protestiert nun nicht primär gegen diese Lehren, sondern dagegen, dass man sie für die Fundamente des Christentums hält. „Die Frage ist: Hat jemand das Recht, jemandem den Namen ‚Christ‘ zu verweigern, nur weil er diese Lehren ablehnt?“
Fosdick stellt nun verschiedene Interpretationen der genannten christlichen Lehren vor. „Es gibt zum Beispiel den Standpunkt, dass die Jungfrauengeburt als historisches Ereignis akzeptiert werden sollte … Es gibt aber eine Gruppe von genauso loyalen und frommen Christen in evangelikalen Gemeinden, die dieser These widersprechen würden.“ Einige Christen halten die Bibel in wissenschaftlicher, medizinischer, historischer und spiritueller Hinsicht für unfehlbar, andere nicht. Manche Christen denken bei dem Ruf „Christus kommt!“ an eine wörtlich verstandene Wiederkunft auf den Wolken des Himmels, während andere diesen Ruf so verstehen, dass die Prinzipien Jesu langsam, aber sicher immer mehr auf der Erde sichtbar werden. Fosdick wirbt nun für ein Miteinander dieser Gruppen: „Meinungen können falsch sein, Liebe nie.“ Benötigt wird seiner Meinung nach „ein Gefühl der Scham dafür, dass die christliche Gemeinde sich wegen Kleinigkeiten zankt, während die Welt zugrunde geht“.
Machens Antwort
Christentum und Liberalismus geht genau auf diese Fragen ein, die sich auch heute in neuer Dringlichkeit stellen. Was gehört zu den Fundamenten des Glaubens und was nicht? Was darf sich „Christentum“ nennen, und was nicht? Ist Einheit und Harmonie wirklich das höchste Ziel, dem sich alles andere unterzuordnen hat? Ist es wirklich wichtig, ob Jesus im biologischen Sinn durch eine Jungfrau empfangen wurde? Ist es wichtig, ob er leiblich auferstand und auf den Wolken des Himmels wiederkommen wird? Ist es eine „Kleinigkeit“, ob man das Sterben Christi als stellvertretenden Tod für die Menschheit deutet oder nicht? Auch im heutigen Protestantismus werden diese Fragen gestellt, und die Partei der „Fundamentalisten“ sieht sich einmal mehr dem Vorwurf der Intoleranz ausgesetzt. Wer auch immer Interesse an dieser Debatte hat, wird an Machen nicht vorbeikommen. Dabei ist sein eigener Anspruch nicht, den Streit zu entscheiden, sondern das klare Benennen der streitentscheidenden Punkte.
Machens Verteidigung der orthodoxen christlichen Lehre steht dabei auf zwei Pfeilern. Zum einen legt er dar, wo und wie zahlreiche liberale Thesen von den Lehren der Schrift abweichen. Zum anderen nimmt er das Christentum aber auch als historische Bewegung ernst. Selbst wenn der Liberalismus sich also auf die Bibel berufen könnte, so diese zweite Verteidigungslinie, hätte er kein Recht, die dann entstehende Religion „Christentum“ zu nennen. Was das in der Konsequenz bedeutet, war für Machen klar: Ist der Liberalismus eine dem Christentum feindlich gegenüberstehende Religion, kann es mit seinen Vertretern keine christliche Einheit geben. Schauen wir uns seine Gedanken im Einzelnen an.
Die Lehre
Grundlegend beschäftigt sich Machen mit dem Thema „Lehre“. Seine Problembeschreibung erinnert an heutige Zustände: In Universitäten und Kirchen geben sich die Lehrenden und Amtsträger nicht einmal mehr die Mühe, so zu tun, als würden sie traditionelle Glaubensaussagen ernst nehmen. Machen begrüßt das als einen Schritt in Richtung Ehrlichkeit. Viel schädlicher nämlich als die offene Ablehnung biblischer Lehre ist der Versuch, den Schein durch doppeldeutige und schwammige Aussagen aufrechtzuerhalten. Machen wendet sich dabei auch gegen heute als „postmodern“ zu qualifizierende Ansichten, nach denen es auf Lehre oder Dogmen ohnehin nicht ankommen soll. Schließlich sei das Christentum eher ein Lebensstil und es ginge mehr um Erfahrung als um Wahrheit. Machen zeigt auf, dass das historisch unzutreffend ist. Das Christentum gründet vielmehr auf dem Evangelium, also einer „guten Botschaft“, die inhaltlich aus einer Reihe von Fakten besteht, die von Jesus und den Aposteln interpretiert werden. Dass Jesus unter Pontius Pilatus gelitten hat, gekreuzigt wurde, gestorben und auferstanden ist – das sind historische Fakten. Dass Menschen durch sein Sterben und Auferstehen mit Gott versöhnt werden können – das ist die Bedeutung dieser Fakten. Mit anderen Worten: Der Glaube ruht auf Lehrsätzen. Das bedeutet nicht, dass er sich nicht auch im Leben auswirkt, aber der logische Vorrang gebührt der Lehre. Ein Mensch findet zuerst zum Glauben an Christus und vertraut auf sein Erlösungswerk, wird durch diesen Glauben gerechtfertigt und beginnt dann, das neue Leben, das Gott ihm geschenkt hat, in die Praxis umzusetzen.
Auch der heute gerne wiederholte Versuch, die Person Jesu gegen seine Botschaft und seine Taten auszuspielen, wird thematisiert. Wir setzen doch unser Vertrauen in eine Person und nicht in eine Botschaft, oder? Machen bezeichnet diese Argumentation zu Recht als „mitleiderregend“. Was hilft es uns, wenn Jesus den Bewohnern Galiläas im ersten Jahrhundert half, wenn er nicht auch heute lebt, um uns zu helfen? Wie begegnen wir seiner „Person“, wenn nicht in der Schrift? Wer ist Jesus, wenn nicht der auferstandene Gottessohn, als den ihn die Bibel beschreibt? Wie können wir in seine Gegenwart treten, wenn er nicht wirklich auferstanden ist? „Es ist daher nutzlos, von einem Vertrauen in die Person zu sprechen, ohne an die Botschaft zu glauben“ (S. 59).
Gott und Mensch
Ein weiteres Kapitel vergleicht die biblische und die theologisch liberale Sicht auf Gott und Mensch. Während das biblische Christentum von der wahrhaftigen Existenz eines persönlichen Gottes ausgeht, reden liberale Theologen von einer „universellen Vaterschaft“, die mehr an polytheistische Naturreligionen erinnert. Dieses Konzept hebt die Trennung zwischen Schöpfung und Schöpfer, die Transzendenz auf, die für das biblische Gottesbild grundlegend ist. „Gott“ steht dann mehr für einen evolutionären Prozess, an dem Menschen selbst teilhaben können. „So wird in der liberalen Lesart aus den Berichten der Evangelien über die Menschwerdung Gottes das Symbol der generellen Wahrheit, dass der Mensch im günstigsten Fall ‚eins mit Gott‘ ist“ (S. 80). Ähnlich verkürzt ist auch das liberale Menschenbild. Zentral ist insoweit der Verlust des Bewusstseins für Sünde. In seinem Inneren ist jeder Mensch „gut“ und im Grunde selbst in der Lage, das Böse in der Welt zu überwinden. Ohne Erkenntnis von Schuld ist das Evangelium aber eine nutzlose Fabel: „Der fundamentale Fehler der modernen Kirche ist, dass sie eifrig mit einer völlig unmöglichen Aufgabe beschäftigt ist: Gerechte zur Buße zu rufen“ (S. 85). Nicht einmal Jesus hat das versucht.
Die Bibel
Dass sich die liberale Theologie von der christlichen Lehre so weit entfernt hat, liegt daran, dass sie die Quelle dieser Theologie, die Heilige Schrift, missachtet. Die Bibel ist ihrem Selberverständnis nach eine Offenbarung Gottes an den Menschen. Diese Sicht haben auch Jesus und seine Apostel vertreten. Es sei einer der „elementarste Irrtümer“ des Liberalismus, „Erfahrung“ zum alleinigen Glaubensträger zu erheben. Wer auf diese Weise „Jesus erfährt“, für den soll es nicht mehr wichtig sein, ob die biblischen Berichte zutreffen, ob die Erzählungen zuverlässig und die Autorenangaben korrekt sind. Solange wir ein wohliges Gefühl in der Seele spüren, soll es irrelevant sein, ob Jesus wirklich gestorben und auferstanden ist und was das bedeutet.
„Dass sich die liberale Theologie von der christlichen Lehre so weit entfernt hat, liegt daran, dass sie die Quelle dieser Theologie, die Heilige Schrift, missachtet.“
Christliche Erfahrung aber kann biblische Lehre zwar bestätigen (und das tut sie), aber niemals ersetzen. Die Autorität der Bibel folgt dabei aus ihrem göttlichen Ursprung, der „Inspiration“, die die Fehlerlosigkeit der Offenbarung sicherstellt. Die Inspirationslehre verleugnet dabei nicht die Individualität der einzelnen Schreiber. Sie besagt aber, dass das, was die Autoren übermitteln, tatsächlich wahr ist. Liberale Theologie dagegen lehnt nicht nur die Inspiration ab, sondern lässt „auch den Respekt gegenüber der Bibel vermissen, der jedem anderen halbwegs glaubwürdigen Buch gegenüber angebracht wäre“ (S. 94). Oft geschieht das unter dem Deckmantel, sich doch mehr an Jesus halten zu wollen als an die Bibel, die man nicht „vergöttern“ wolle. Tatsächlich verwirft die liberale Theologie aber gerade die Bibelhaltung Jesu, der die Schrift als unfehlbares Gotteswort ansah, das nicht gebrochen werden kann. Zudem sortiert sie Jesusworte, die ihr nicht gefallen, als „unhistorisch“ aus. Wer die Bibel ablehnt oder für fehlerhaft hält, kann sich dabei nicht auf Jesus berufen.
Christus
Das nächste Kapitel geht dann genauer darauf ein, was der „liberale“ Christus noch mit dem biblischen gemein hat. Das Neue Testament stellt uns Jesus nicht als Lehrer der Gerechtigkeit oder als sozialen Erneuerer vor, sondern als Erlöser. Er ist Objekt des Glaubens, also derjenige, in den der Gläubige seine ganze Hoffnung setzt. Liberale Theologie sieht Jesus nicht als das Ziel des Glaubens, sondern als Vorbild. Das messianische Selbstverständnis, das Jesus den Evangelisten nach unzweifelhaft besaß, ist für sie entweder zweitrangig oder ein Missverständnis.
Machen zeigt auf, dass die Sündlosigkeit Jesu für moderne Theologen ein Dilemma darstellt. Wird sie nämlich verneint, löst sich seine Einzigartigkeit in Luft auf. Jesus wäre dann wie jeder andere Mensch. Wird sie aber bejaht, tritt die Sünde als Übertretung eines geltenden Gesetzes in den Vordergrund – und deutet auf das Konzept des „Guten“, das die moderne evolutionäre Weltsicht gerade vermeiden möchte. Ein sündloser Jesus wäre dann die übernatürliche Person, die die liberale Theologie durch ein bloßes „Vorbild“ ersetzt hat. Tatsächlich sind die übernatürlichen Aspekte Jesu von seiner Person nicht zu trennen. Er besitzt souveräne Macht über die Naturgewalten, über die bösen Geister und selbst über den Tod. „Das Zeugnis des Neuen Testaments ist überall dasselbe. Überall präsentiert es den Einen, der Gott und Mensch zugleich war. Und es ist interessant zu sehen, wie erfolglos alle Versuche waren, nur eine Hälfte dieses Zeugnisses zu bewahren und die andere zu verwerfen“ (S. 135).
Die Erlösung
Es verwundert nicht, dass der Liberalismus sich auch in Bezug auf die Erlösung von der biblischen Lehre unterscheidet. Wenn er überhaupt über sie redet, sucht er sie im Menschen. Der christliche Glaube findet sie in einem Werk Gottes. Jesus rettet uns nicht dadurch, dass er uns ein Vorbild gegeben hat, um uns zu inspirieren, seine Prinzipien nachzuahmen. Er rettet uns, weil er unsere Schuld an unserer Statt ans Kreuz getragen hat. Diese Lehre wird heute meist lächerlich gemacht, unter anderem als „kosmischer Kindesmissbrauch“. Schuld sei doch etwas Persönliches. Eine Person könne daher nicht für eine andere leiden. Zudem werde Gott als kaltherziger Tyrann dargestellt, der erst Blut sehen will, bevor er Erlösung gewährt.
„‚Das Zeugnis des Neuen Testaments ist überall dasselbe. Überall präsentiert es den Einen, der Gott und Mensch zugleich war. Und es ist interessant zu sehen, wie erfolglos alle Versuche waren, nur eine Hälfte dieses Zeugnisses zu bewahren und die andere zu verwerfen.‘“
Dem liberalen Konzept nach ändert der Tod Jesu überhaupt nichts an unserem Verhältnis zu Gott. Er kann lediglich die Menschen motivieren, ihn als großes Zeichen der Selbstaufopferung zu bewundern, dem man nacheifern soll. Nun ist der Tod Jesu selbstredend ein Zeichen der Selbstaufopferung. Er ist auch ein Zeichen der Liebe Gottes und demonstriert seinen Hass auf die Sünde. Wenn das aber alles ist, hilft es uns nicht weiter. Machen erklärt, dass sich Gottes Liebe gerade darin zeigt, dass nicht ein anderer, sondern er selbst – in Jesus – den Preis für die Vergebung bezahlt. Durch Jesu Auferstehung wird deutlich, dass Jesus uns nicht nur von der Schuld, sondern auch von der Macht der Sünde befreit und den Gläubigen an seinem neuen Leben Anteil gibt. Die Aufforderung, „von neuem geboren zu werden“, wird aber in der modernen Theologie ebenso verachtet wie der Sühnetod, weil sie ein übernatürliches Element beinhaltet, das sich menschlicher Machbarkeit entzieht.
Die Auseinandersetzung geht weiter
Die von Machen adressierten Probleme sind, wie durch die kurze Zusammenfassung klar geworden sein sollte, nach wie vor aktuell. Liberale und postmoderne Theologen verwerfen christliche Dogmen, die Zuverlässigkeit der Bibel und Kerninhalte des Glaubensbekenntnisses im Eiltempo. Ein bleibendes Verdienst von Christentum und Liberalismus ist es, die entscheidenden Probleme zu benennen und aufzuzeigen, weshalb die liberale Theologie nicht nur ein „anderes“ Christentum vertritt, sondern den Boden des historisch auf den Lehren der Bibel gewachsenen christlichen Bekenntnisses verlassen hat. Wie überzeugend Machens Argumente sind, kann jeder heute noch im Original nachlesen. Der kirchenkritische Journalist Henry Mencken kommentierte jedenfalls in seinem Nachruf: „Machen ist gescheitert – aber er hatte unzweifelhaft recht“.