Die Wiederentdeckung Gottes
Wahrscheinlich hast du dir schon einmal die große Frage nach dem Woher gestellt: „Woher komme ich? Woher kommt die Welt um mich herum?“ Vielleicht bist du Christ und hast eine Antwort auf diese Frage: „Natürlich von Gott! Er ist der Ursprung allen Seins und damit die Antwort.“ Ich glaube, dass du recht hast, aber seien wir ehrlich: Kann es nicht sein, dass Christen oft mit dem Fragen aufhören, weil sie das wissen? Versperren wir uns der Wissenschaft und haben daher, wenn es um die Evolution oder die Frage nach dem Sinn des Lebens geht, ehrlicherweise keine andere Antwort als: „Du musst das glauben – es steht doch in der Bibel!“?
Vielleicht sträubst du dich aber auch, dem Gott der Bibel nur ein Wort zu glauben. Womöglich kommst du zum gleichen Schluss wie Stephen Hawking: „Die einfachste Erklärung ist, dass es keinen Gott gibt.“[1]
„Glaube und Naturwissenschaft widersprechen sich keineswegs, sondern können sich die Hände reichen.“
Genau in diesem Spannungsfeld rund um Glaube und Wissenschaft möchte Stephen Meyer, seines Zeichens Wissenschaftsphilosoph, einen hilfreichen Beitrag leisten. Nachdem einer seiner Studenten ihm wütend von einem gläubigen Kommilitonen erzählt hatte, der auf seine Fragen zum Ursprung der Welt nichts als die allzu einfache Antwort oben zu bieten hatte, entschied sich Meyer, eine Vorlesungsreihe über Gründe für den Glauben zu konzipieren. Es ist sein Anliegen, wissenschaftlich redlich zu zeigen, dass Glaube und Naturwissenschaft sich keineswegs widersprechen, sondern die Hände reichen können. Aus diesem Wunsch heraus entspringt sein Buch Die Wiederentdeckung Gottes.
Theistische Weltsicht und wissenschaftliches Verständnis
Was mich an diesem Buch am meisten fasziniert hat, ist die Akribie, mit der Meyer die großen Fragen stellt und zu beantworten versucht. Er schafft es auf bemerkenswerte Weise, seine theistische Weltsicht und seine wissenschaftliche Genauigkeit in Einklang zu bringen. Vielleicht wunderst du dich und denkst dir: „Na toll, dann ist das ja nicht ergebnisoffen.“ Ehrlicherweise sind es jedoch vielmehr Atheisten und Materialisten wie Richard Dawkins, die so vorgehen: „Das Universum, das wir beobachten, hat genau die Eigenschaften, mit denen man rechnet, wenn dahinter kein Plan, keine Absicht, kein Gut oder Böse steht, nichts außer blinder, erbarmungsloser Gleichgültigkeit.“[2] Von vornherein ist das Ergebnis der Untersuchung klar: Ein intelligenter Designer, den man dann alternativlos Gott nennen müsste, ist unerwünscht.
Stephen Meyer ist überzeugt davon, dass es einen transzendenten und zweckorientierten intelligenten Designer gibt, der heute noch in seiner Schöpfung handelt. Gleichzeitig gibt er sauber untersuchte und schlüssige Gründe, warum alle anderen Weltanschauungen und Wissenschaftstheorien (Naturalismus bzw. Materialismus, Pantheismus und Deismus) scheitern. Du kannst dir die Arbeitsweise Meyers also ungefähr so vorstellen (eigene Grafik):
Lass mich gemeinsam mit dir einen kleinen Rundflug durch ein paar der spannendsten Entdeckungen des Buches machen und dich für diese faszinierende und wichtige Arbeit begeistern.
Urknall, DNA, Feinabstimmung und Quantenkosmologie
Zunächst untersucht Meyer eine sehr grundlegende Frage: Ist das Universum immer schon da gewesen oder entstand es zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. innerhalb einer bestimmten Zeit? Der frühe Albert Einstein und der späte Stephen Hawking waren nämlich davon überzeugt, dass es keinen Anfang gibt – alles ist schon immer da gewesen. Das Buch zeigt jedoch, dass es unbedingt einen Moment gegeben haben muss, in dem alles begann. Entdeckungen wie die der kosmischen Hintergrundstrahlung liefern einen starken Beleg. Kosmische Hintergrundstrahlung deutet darauf hin, dass es einen Beginn des Universums gab. Sie stellt ein Echo dar und spiegelt so ein Ereignis wider, das zu einem fest definierten Zeitpunkt stattfand. Schließlich kann etwas, das nie stattfand, auch kein Echo erzeugt haben.
„Es muss unbedingt einen Moment gegeben haben, in dem alles begann.“
Hast du dich schon einmal gefragt, warum Naturkonstanten wie die Elektronenladung oder die Gravitationskonstante genau den Wert haben, den sie eben haben? Naturgesetze liefern Beschreibungen von Vorgängen im Universum, sind aber auf ebenjene Konstanten angewiesen. Wissenschaftlern ist klar, dass Leben nicht möglich wäre, wenn sie auch nur einen minimal abweichenden Wert hätten. Man bezeichnet das als Feinabstimmung. Die Frage ist nur: Wie geht man mit dieser Erkenntnis um? Eine Möglichkeit wäre, zu sagen, dass wir „nicht überrascht sein sollten, in einem Universum zu leben, das für das Leben geeignet ist; denn wenn das Universum anders wäre, wären wir gar nicht da, um es zu beobachten“ (S. 212). Damit begeht man jedoch einen logischen Denkfehler: Es ist nicht anders, als wenn ein Gutachter feststellen würde, dass eine Scheune wegen des Sauerstoffs in der Atmosphäre verbrannt ist. Das ist zwar richtig, verwechselt aber die notwendige Bedingung einer Tatsache mit ihrer kausalen Erklärung. Meyer bringt seine Untersuchungen mit einer Beobachtung auf den Punkt, die wir aus unserem tagtäglichen Leben kennen und die kein vernünftiger Mensch abstreiten könnte: „Intelligente Akteure können funktionale Ziele auswählen, bevor diese Ziele physikalisch erzeugt worden sind“ (S. 290). DNA nämlich ähnelt stark einem von Menschen geschriebenen Computercode. Sie ist nicht nur aus unfassbar unwahrscheinlichen Zeichenfolgen aufgebaut, sondern enthält auch funktionale Information, die ein Lebewesen lebensfähig macht. So etwas kennen wir aus eigener Erfahrung ausschließlich von intelligenten Akteuren. So schlussfolgert das Buch: Intelligentes Design ist „die beste, kausal angemessenste Erklärung für den Ursprung der … Komplexität …, die notwendig war, um die erste lebende Zelle zu erzeugen“ (S. 257).
Die Wichtigkeit einer sauberen Arbeitsweise
Natürlich kommen im Verlauf des Buches immer mal wieder komplexere Zusammenhänge oder Begriffe wie „Ribozym“, „abduktiver Schluss“ oder „Differentialgleichung“ vor. Meyer legt jedoch Wert darauf, nicht mit diesen Begriffen um sich zu werfen, um seinen Ansichten ein Gewicht zu verleihen, das sie eigentlich gar nicht haben. Vielmehr ist er in der Lage, Sachverhalte verständlich und anhand vieler gut nachvollziehbarer Illustrationen zu erläutern.
„Die Fragen, auf die wir eine Antwort finden sollten, haben nicht nur akademische, sondern metaphysische, philosophische und letztendlich religiöse Konsequenzen.“
Ein Beispiel, das mir besonders hängen geblieben ist, ist seine Veranschaulichung des wichtigen Prinzips der bayesschen Analyse. Die Idee hierbei ist, anzunehmen, dass Hypothese A eine bessere Erklärung eines Sachverhalts darstellt als Hypothese B, wenn wir viel mehr Grund haben, unter der Voraussetzung von Hypothese A einen Beleg für jenen Sachverhalt vorzufinden als unter Annahme von Hypothese B. Da das ziemlich kompliziert klingt, veranschaulicht der Autor diese Idee mit einer Berghütte, die du auf einer Wanderung vorfinden könntest. Angenommen, du gehst hinein und siehst eine dampfende Tasse Tee auf dem Tisch, aber keine Personen. Hypothese A: Hier wohnt jemand, der nur gerade nicht zugegen ist. Hypothese B: Hier wohnt schon seit 50 Jahren niemand mehr. Hypothese A liefert eine weitaus bessere Erklärung für den Tee als Hypothese B und sollte daher vernünftigerweise angenommen werden.
Dieses Prinzip ist übrigens ein sehr bedeutsames Instrument, wenn man Fragen wie jene nach dem Leben stellt, wie Meyer immer wieder betont, denn schließlich war keiner von uns beim Anfang des Universums dabei. Vielmehr gilt es deshalb, Beobachtungen und Erkenntnisse richtig einzuordnen und Hypothesen zu vergleichen, auch wenn wir sie nicht beweisen können.
Empfehlung
Die Wiederentdeckung Gottes ist ein faszinierendes Buch. Es ist herausfordernd, was wohl in der Natur der Sache liegt, aber nicht überfordernd. Es tappt nicht in die Falle der allzu einfachen Antworten, sondern kann auf höchstem wissenschaftlichen Niveau gute Argumente für intelligentes Design und eine theistische Weltsicht vorlegen. Argumente, mit denen sich nicht nur der Normalverbraucher, sondern auch international anerkannte Forscher und Gelehrte auseinandersetzen müssen.
Die Fragen, auf die wir eine Antwort finden sollten, haben nicht nur akademische, sondern metaphysische, philosophische und letztendlich religiöse Konsequenzen. Stephen Meyer ist sich dieser Verantwortung bewusst und beschreibt eindrucksvoll und persönlich, wie sein Glaube an den Gott der Bibel nicht nur seinen Hunger nach Wissenschaft vergrößert, sondern auch seinen Hunger nach Lebenssinn und Geborgenheit gestillt hat.
Buch
Stephen Meyer, Die Wiederentdeckung Gottes: Wie Kosmologie, Physik und Biologie einen Schöpfer erkennen, Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus, 2023, 784 Seiten, 49,00 EUR.
1Stephen Hawking, Kurze Antworten auf große Fragen, Stuttgart: Klett-Cotta, 2018, S. 38.
2Richard Dakwins, Und es entsprang ein Fluss in Eden: Das Uhrwerk der Evolution, München: C. Bertelsmann, 1996, S. 151.