Ein Plädoyer für Langzeit-Mission
„Mission“ wird heute oft als Oberbegriff für eine stetig wachsende Anzahl von Hilfsprojekten, Engagements und kirchlichen Programmen gebraucht. Die Zeiten sind schon lange vorbei, in denen das Wort Menschen beschrieb, die sich auf den Weg machten – wohl wissend, dass es wahrscheinlich eine Reise ohne Rückkehr werden würde. Ziel dieser Art von Mission waren Bekehrungen, fertiggestellte Bibelübersetzungen und Gemeinden, die Generationen überdauern sollten. Mission wurde als lebenslanges Unterfangen betrachtet und nicht als eine Aufgabe, die abgeschlossen werden kann. Natürlich liegt das zum Teil an den begrenzten technischen Möglichkeiten der vergangenen Jahrhunderte; Transatlantikreisen waren früher viel schwieriger als heute ein Langstreckenflug mit Hin- und Rückflugticket. Doch ich vermute, dass es unter uns auch eine grundlegendere Uneinigkeit darüber gibt, was das Ziel von „Mission“ eigentlich ist. Was frühere Generationen als „Mission“ bezeichneten, müssen wir heute präzisieren und in „Langzeitmission“ umbenennen.
In diesem Artikel geht es nicht darum, Kurzzeiteinsätze, Wohltätigkeitsdienste, soziale Projekte und andere gute Bemühungen zu verurteilen. Auf ihre Weise können sie alle hilfreich sein. Aber wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass kurzzeitliche Bemühungen naturgemäß nicht ausreichen, um durch die Kraft des Evangeliums Generationen überdauernde Gemeinden zu gründen.
Mein Ziel ist nicht, jemanden zu tadeln, sondern uns alle daran zu erinnern, dass langfristige Missionsarbeit kostspielig ist – und dass sie es wert ist. Es lohnt sich, ihr den Vorrang vor allem anderen einzuräumen. Echte Gemeinden zu gründen, dauert schon in der deutschsprachigen Welt Jahre. Wie viel mehr dort, wo noch kein Fundament gelegt worden ist?
Wenn es um Gottes Gemeinde geht, ist schneller nicht automatisch besser.
Der Wert von Langzeitmission
Betrachten wir einige Gründe, warum Langzeitmission Priorität haben sollte:
1. Langzeitmission ist eine Zierde für das Evangelium
Meine Frau und ich lebten dreizehn Jahre lang unter dem Volk der Yembiyembi in Papua-Neuguinea. Während dieser Zeit beobachteten wir die langsame Metamorphose von kulturübergreifenden Gemeindegründern, die langfristig unter diesem Volk lebten. Ihr Englisch begann eine Form anzunehmen, die sich an die lokale Sprache anglich. Ihre Knie und Knöchel bekamen Schwielen vom ständigen Sitzen im Schneidersitz. Ihre Essgewohnheiten veränderten sich. Ihre Körper begannen, Merkmale anzunehmen, die dem Evangelium Glaubwürdigkeit verliehen.
„Wenn Missionare nicht mehr an eigenen Zeitplänen festhalten, sondern sich auf einen langfristigen Dienst einlassen, der so aussieht, riecht und klingt wie das Volk, zu dem Gott sie gesandt hat, verkörpern sie den Kern der Botschaft, die sie verkünden wollen.“
Wenn Missionare nicht mehr an eigenen Zeitplänen festhalten, sondern sich auf einen langfristigen Dienst einlassen, der so aussieht, riecht und klingt wie das Volk, zu dem Gott sie gesandt hat, verkörpern sie den Kern der Botschaft, die sie verkünden wollen. Ein biblisches Beispiel dafür sehen wir in der Liebe des Paulus zur Gemeinde in Ephesus. Die Ältesten von Ephesus kannten ihn nicht als jemanden, der Menschen auf Armeslänge Abstand hält und anführt, sondern als einen lieben Freund:
„Ihr wisst, wie ich mich vom ersten Tag an, als ich Asia betrat, die ganze Zeit unter euch verhalten habe, dass ich dem Herrn diente mit aller Demut, unter vielen Tränen und Anfechtungen, die mir widerfuhren durch die Nachstellungen der Juden; und wie ich nichts verschwiegen habe von dem, was nützlich ist, sondern es euch verkündigt und euch gelehrt habe, öffentlich und in den Häusern.“ (Apg 20,18–20)
2. Um gesunde Gemeinden zu bauen, braucht es einen langfristigen Dienst
Kehren wir für einen Moment zu Paulus’ Abschiedsrede zurück. Als er seine Freunde zurücklässt, scheint er vor allem um die Gemeinde besorgt zu sein. Er sagt:
„So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch zu Aufsehern gesetzt hat, um die Gemeinde Gottes zu hüten, die er durch sein eigenes Blut erworben hat! Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied räuberische Wölfe zu euch hineinkommen werden, die die Herde nicht schonen.“ (Apg 20,28–29)
Um langlebige Gemeinden zu gründen, bedarf es langfristiger Mitarbeiter. Gott schenkt manchmal, dass sich schon nach kurzer Zeit Menschen bekehren. Aber Jünger zu einer Gemeinde zu versammeln, die eigenständig von Männern geleitetet wird, die gemäß 1. Timotheus 3 und Titus 1 qualifiziert sind, und in der eigenständig unterwiesen und verkündigt wird, ist immer ein langfristiges Unterfangen.
Es gibt kürzere, schnellere, „effizientere“ Methoden, die man heute oft sehen kann. Sie zelebrieren Strategien, für die es scheinbar keine Geduld braucht. Sie setzen zum Beispiel Nichtchristen als Lehrer ein, betrachten Sprachkenntnisse als zeitraubende Belastung für den Dienst und ziehen mündliche Übersetzungen dem geschriebenen Wort vor.[1] In der Tat sparen diese neuen Methoden Jahre an Zeit ein und verursachen einen bisher ungekannten Zuwachs an „Bekehrten“ und „Gemeinden“.
Aber täuschen wir uns nicht: Die Kosten für diese hohe Geschwindigkeit werden in vollem Umfang von den zurückgelassenen Gemeinden getragen.
Als in Burma die Methode von Kurzzeitmitarbeitern eingeführt wurde, vertrat Adoniram Judson einen klaren Standpunkt. Er schrieb:
„Ich fürchte, dass dies einen Bruch in unserer Mission verursachen wird. Wie können wir, die wir uns lebenslang diesem Dienst weihen, jemanden, der nur ein kurzzeitig Angestellter ist, aufrichtig in unser Herz aufnehmen? Ich habe den Anfang, die Mitte und das Ende mehrerer Missionare auf Zeit erlebt. ... Sie mögen auf einer englischen Kanzel brillant sein, für echte Missionsarbeit sind sie unfähig. Sie kommen für ein paar Jahre, um eine Art Aktienpaket zu erwerben, von dem sie den Rest ihrer Tage im angenehmen Klima ihres Heimatlandes leben können. ... Das Motto eines jeden Missionars, ob Prediger, Drucker oder Lehrer, sollte lauten: ‚Lebenslange Hingabe.‘“[2]
In unseren modernen Ohren mag Judsons Sorge übertrieben klingen. Aber tun wir ihm damit vielleicht Unrecht? Er wusste, was so viele in der Gemeindegründungsarbeit intuitiv begreifen: Wenn die hinterlassene Gemeinde gesund sein soll, dann ist ein langfristiger Ansatz erforderlich.
Der Preis der Langzeitmission
Einer der Hauptgründe dafür, dass Langzeitmission in unserer Zeit so selten ist, ist der hohe Preis, den man für sie zahlt. Die unerreichten Sprachgruppen unserer Zeit sind nicht ohne Grund die letzten, die erreicht werden. Ich leite Radius International, eine Organisation, die Missionare ausbildet. Wir rüsten Studenten aus, die ihr Leben für die Unerreichten einsetzen wollen. Die Studenten, die zu uns kommen, sind außergewöhnlich und kommen oft aus außergewöhnlichen Familien und außergewöhnlichen Gemeinden. Der Wunsch, 15, 20 oder 30 Jahre an den schwierigsten Orten der Erde zu verbringen, setzt voraus, dass alle Beteiligten wissen, was es sie kosten wird.
1. Der Preis für die Familie
Der Abschied von Söhnen, Töchtern, Enkelkindern und einer Zukunft, die nie Realität wird; der Verzicht auf Familienunternehmen und Urlaub zu Hause – dieser Preis ist hoch. Aber er ist es wert.
In seiner ausgezeichneten Biographie über das Leben von John G. Paton beschreibt Paul Schlehlein die Entscheidung Patons, eine gut laufende Dienststelle zu verlassen und in ein Land zu gehen, in dem vor Kurzem einige seiner Landsleute ihr Leben lassen mussten. Patons Eltern gehörten zu den wenigen, die sich für seine Ausreise aussprachen. Schlehlein reflektiert diese Situation mit einer hilfreichen Erkenntnis:
„Jeder sollte sich vor Augen halten, welche Bedeutung ein solch weiser Rat für das Leben seiner Kinder haben wird. Jeder Elternteil, der sich eifersüchtig an die Verwandtschaft klammert, sollte über die gottesfürchtigen Eltern von Paton nachdenken. Sie sollten sich fragen, ob es Heuchelei ist, zu singen: ‚Gib von deinen Söhnen, dass sie die Botschaft herrlich tragen‘ – aber ‚herrlich‘ ist es nur, wenn es sich um den Sohn einer anderen Familie handelt. Als es so aussah, als ob Patons gesamte christliche Umwelt seinen Plänen im Wege stünde, waren es die Worte seiner Eltern, die ihn in seinem Entschluss bestärkten. Welche Unsicherheit er auch immer gehabt haben mag, sie schmolz wie Schnee auf der glühenden Feuerstelle dessen, was er in seinem Zuhause lernte.“[3]
Wenn wir so etwas lesen, klingt das übermenschlich. Wie können „normale“ Christen mit ansehen, wie ihre Söhne und Töchter an Bord von Schiffen oder Flugzeugen gehen und für Jahrzehnte, vielleicht für immer, fort sind?
„Diese Heiligen sehen über diese Welt hinaus. Durch Gottes unermessliche Gnade messen sie die Zeit nicht in Jahren, sondern im Blick auf die Ewigkeit.“
Die einzige zufriedenstellende Antwort, die ich gefunden habe, ist folgende: Diese Heiligen sehen über diese Welt hinaus. Durch Gottes unermessliche Gnade messen sie die Zeit nicht in Jahren, sondern im Blick auf die Ewigkeit.
Gegen Ende seines Lebens verabschiedete Paton seine eigenen Söhne auf das Missionsfeld. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits seine erste Frau und sieben Kinder verloren. Und dennoch schreibt er:
„Ich freue mich zutiefst, wenn ich bete, dass es dem gesegneten Herrn gefallen möge, die Herzen all meiner Kinder dem Missionsfeld zuzuwenden; und dass er ihnen den Weg öffnen und es zu ihrem Stolz und ihrer Freude machen möge, zu leben und zu sterben, um Jesus und sein Evangelium in das Herz der heidnischen Welt zu tragen.“[4]
2. Der Preis für die Gemeinde
Seit ich 2016 in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt bin, habe ich festgestellt, dass viele Menschen aus den falschen Gründen in die Mission gehen. In vielen evangelikalen Kreisen wird in etwa so gedacht: „Er (oder sie) ist irgendwie unbeholfen, etwas seltsam und nicht sehr diszipliniert. Aber er (oder sie) ist super aufrichtig und liebt verlorene Menschen. Wir würden sie niemals zu Ältesten oder Diakonen machen. Aber wisst ihr was? Sie könnten perfekt für das Missionsfeld sein!“
Das Aufkommen einer „Jeder Christ ein Missionar“-Mentalität hat zwar mehr Menschen auf das Missionsfeld gebracht, aber „mehr ist nicht immer besser“. In der Tat gefährden mehr Missionare manchmal unser Ziel eines klaren, kompetenten und theologisch gründlichen Zeugnisses für das Evangelium.[5]
David Brainerd predigte vor Tausenden in der englischsprachigen Welt, bevor er sein Leben der Mission widmete. Er lehnte Dutzende von Stellen als leitender Pastor ab – sogar die Möglichkeit, an der Seite von Jonathan Edwards zu dienen.[6] Bevor William Chalmers Burns sein Leben dem Dienst in China widmete, wurde er von Robert Murray M’Cheyne ausgewählt, um seine Gemeinde über ein Jahr lang zu leiten – und die Mitgliederzahlen stiegen.[7] Das waren keine leichtfertigen, planlosen Männer, die nichts Besseres zu tun hatten. Sie waren ernsthaft, engagiert und begabt.
Unser Ziel sollte es sein, solche Männer und Frauen zu senden.
Manche mögen sagen: „Moment! Wenn wir unsere Besten schicken, was passiert dann mit unseren Gemeinden hier?“ Manchmal wird der Nutzen, den die Völker so erhalten, als ein Verlust für die entsendende Gemeinde angesehen. Aber das ist nicht wahr. Der Herr wird seine Gemeinden überall mit dem ausrüsten, was sie zur Reife brauchen. Epheser 4,11–16 gilt für Gemeinden in Deutschland ebenso wie für Gemeinden an Orten, an die wir nie gehen werden, und unter Völkern, die wir nie sehen werden.
Die Entsendung unserer Besten ist kostspielig, aber sie ist es wert. Und sie gefährdet die Zukunft unserer Gemeinde in keiner Weise.
Die Herrlichkeit von Langzeitmission – eine starke neutestamentliche Gemeinde
Bei Radius sprechen wir oft davon, dass man etwas gut zu Ende bringen sollte. Wie wir bereits gesehen haben, bedeutet ein guter Abschluss, dass dort eine starke neutestamentliche Gemeinde entsteht, wo vorher noch keine war. Die Heilige Schrift und die Kirchengeschichte kennen keine Christen, die sich mit einzelnen Bekehrten zufriedengeben und halbherzig an die Aufgabe herangehen, eine gesunde Ortsgemeinde zu gründen.
Aber hier ist die bedauerliche Wahrheit: Es gibt viele, die mit Gemeindegründungsarbeit anfangen, und nur wenige, die sie auch tatsächlich abschließen.
In Apostelgeschichte 20 sehen wir Paulus’ Vision eines guten Abschlusses:
„Und siehe, jetzt reise ich gebunden im Geist nach Jerusalem, ohne zu wissen, was mir dort begegnen wird, außer dass der Heilige Geist von Stadt zu Stadt Zeugnis gibt und sagt, dass Fesseln und Bedrängnisse auf mich warten. Aber auf das alles nehme ich keine Rücksicht; mein Leben ist mir auch selbst nicht teuer, wenn es gilt, meinen Lauf mit Freuden zu vollenden und den Dienst, den ich von dem Herrn Jesus empfangen habe, nämlich das Evangelium der Gnade Gottes zu bezeugen.“ (Apg 20,22–24)
Sollten wir nicht annehmen, dass Paulus von den Ältesten, die zurückblieben, die gleiche Hingabe an die Gemeinde von Ephesus erwartete?
Auf der letzten Seite der Autobiographie von John Paton finden wir seine Ermahnung an diejenigen, die nach ihm kommen würden:
„Verankert eure Kräfte im Herzen eines Stammes oder eines Volkes, in dem dieselbe Sprache gesprochen wird. Arbeitet fest von diesem Zentrum aus und baut mit geduldiger Lehre und lebenslanger Pflege eine Gemeinde, die Bestand haben wird.“[8]
Selbst die besten Missionare können dies nicht im Laufe mehrerer Sommerreisen oder gar fünf- bis zehnjähriger Einsätze erreichen. Es erfordert, wie Paton sagt, „lebenslange Pflege“.
Gott mag es einigen Missionaren gewähren, diese Aufgabe in kürzerer Zeit zu bewältigen. Aber für die große Mehrheit wird es ein langer, mühsamer Prozess sein, der einen hohen Preis hat.
Für John Paton dauerte es 42 Jahre. Bei Adoniram Judson waren es 40. Paton verlor seine erste Frau und sieben Kinder; Judson begrub zwei Frauen und neun Kinder. Beide hatten mit Krankheit, Schiffbruch, Speeren, gebrochenen Knochen und einer Unzahl anderer Prüfungen zu kämpfen. Aber letztlich wurden sie von Gott verschont, um das Werk zu vollenden, zu dem er sie berufen hatte.
Dies ist die abschließende Analyse von Paton:
„Lasst mich meine unerschütterliche Überzeugung festhalten, dass dies der edelste Dienst ist, den ein Mensch leisten kann, und dass ich, wenn Gott mir mein Leben zurückgäbe, um es noch einmal zu leben, es ohne zu Zögern auf den Altar zu Christus legen würde, damit er es wie zuvor in ähnlichen Diensten der Liebe gebrauchen könnte, besonders unter denen, die noch nie vom Namen Jesu gehört haben.“[9]
Zusammenfassung
Freunde, seit fast 2.000 Jahren zeichnet sich das Volk Gottes durch geduldiges, stilles Ausharren aus und überlässt die Ergebnisse Gott. Langfristige Mission ist unser Erbe. Mögen wir viele ermutigen, die dieses Erbe weiterführen, bis an die Enden der Erde.
1Aubrey Sequeira über dieses aktuelle Problem, „Ein Plädoyer für evangeliumszentrierte Missionsarbeit“, 29.09.2022, online unter https://www.evangelium21.net/media/3494/ein-plaedoyer-fuer-evangeliumszentrierte-missionsarbeit (Stand: 11.10.2023).
2Courtney Anderson, To the Golden Shore, Philadelphia: Judson Press, 1987, S. 409.
3Paul Schlehlein, John G Paton: Missionary to the Cannibals of the South Seas, Edinburgh: The Banner of Trust, 2017, S. 96.
4John G. Paton, Missionary to the New Hebrides, Edinburgh: Banner of Trust, 2016, S. 444.
5Steve Jennings erklärt, warum mehr Missionare nicht immer die bessere Lösung sind, „Hört auf, Missionare auszusenden!?“, 19.04.2021, online unter https://www.evangelium21.net/media/2685/hoert-auf-missionare-auszusenden (Stand: 11.10.2023).
6John Piper, 21 Servants of Sovereign Joy, Wheaton: Crossway, 2018, S. 222–223.
7Michael D. McMullen, God’s Polished Arrow, Tain: Christian Focus, 2001.
8Paton, Missionary to the New Hebrides, S. 496.
9Ebd., S. 444.