Herr über unser ganzes Leben

Artikel von Paul Gesting
6. Oktober 2023 — 7 Min Lesedauer

Als Christen sehen wir Christus und sein Werk am Kreuz zu Recht im Zentrum unseres Glaubens. Christi vollkommenes Leben, sein Tod und seine Auferstehung bilden die zentralen Themen der Evangelien, und die Anwendung seiner Gerechtigkeit auf die Gläubigen durch den Glauben bildet das Rückgrat eines Großteils der neutestamentlichen Briefe.

„Ein zentraler Aspekt der Verbundenheit mit Christus im Glauben ist die Anerkennung, dass Christus der Herr über das ganze Leben ist.“
 

Wir sehen Christus als den Herrn unseres Heils, der Sünde und Tod besiegt und uns durch seinen Geist neues Leben schenkt. Ein zentraler Aspekt der Verbundenheit mit Christus im Glauben ist jedoch die Anerkennung, dass Christus der Herr über das ganze Leben ist. Er ist nicht nur Herr über unser geistliches Leben, sondern über das ganze Leben. Dass die Bibel Jesu Herrschaft über das ganze Leben lehrt und was dies für uns bedeutet, möchte dieser Artikel deutlich machen.

Unsere Bundesbeziehung

Im Alten Testament trat Gott durch Bündnisse in Beziehung zu seinem Volk.[1] Gott geht einen Bund mit der Schöpfung und Noah ein.[2] Er schließt einen Bund mit Abraham, dann mit Mose und Israel nach dem Exodus und verspricht, dass ein zukünftiger Messias aus dem Geschlecht Davids kommen wird. Diese Bündnisse zeigten Gottes Liebe und Barmherzigkeit gegenüber seinem Volk, aber auch, dass Gott Schöpfer und Herrscher über alles ist. Es gab keinen Aspekt im Leben von Noah oder Abraham oder Mose oder den Israeliten, der nicht unter Gottes Autorität stand.

Im mosaischen Bund gab es die Verheißung von Segnungen für Gehorsam und von Flüchen für Ungehorsam. Von Anfang an sagte Gott jedoch voraus, dass die Israeliten nicht in der Lage sein würden, den Bund zu erfüllen (vgl. 5Mose 30,1–4). Gott wusste, dass ihr Herz immer noch von der Sünde gefangen war, so wie sich auch der Mensch nach der Sintflut nicht verändert hatte (vgl. 1Mose 8,21; 6,5). Stattdessen sagte Gott ihnen, dass sie den Bund nur halten könnten, wenn ihre Herzen beschnitten würden (vgl. 5Mose 30,6).

„Es gab keinen Aspekt im Leben von Noah oder Abraham oder Mose oder den Israeliten, der nicht unter Gottes Autorität stand.“
 

Das mosaische Gesetz zeigte, dass es keinen Aspekt des Lebens der Israeliten gab, der nicht unter Gottes Autorität stand. Das betraf ihr Familienleben, ihre Beziehungen und ihr ziviles Leben. Als die Exilanten (wie im Buch Nehemia beschrieben) zurückkehrten und Esra das Gesetz verlas, veranlasste es sie, ihre Sünden zu bekennen und den Bund zu erneuern. Die Rückkehrer aus dem Exil erkannten, dass sie, obwohl sie kein Nationalstaat mehr waren, immer noch das Volk Gottes waren. Dennoch waren sie nicht in der Lage, den Bund zu halten (vgl. Neh 13).

Das war ein Ausblick auf eine Zeit, in der Gott dem Volk ein neues Herz geben würde, um endlich in der Lage zu sein, Gott zu gehorchen. Dies wurde in Jeremia und Hesekiel für das zukünftige Kommen des Neuen Bundes verheißen (vgl. 5Mose 30,6; Jer 31,31–34; Hes 36,25–27). Der Alte Bund hat sich in Christus als dem wahren Israel erfüllt (vgl. Hebr 7–10). Im Neuen Bund hat Gott das Problem der Sünde durch den vollkommenen Gehorsam Christi gelöst, der ein sündloses Leben führte und stellvertretend für uns starb, um unsere Sünden zu sühnen. Auf diese Weise sind unsere Herzen durch die Verbindung mit Christus im Glauben verändert worden. Durch das Innewohnen des Heiligen Geistes sind wir fähig, zu gehorchen und der Versuchung zur Sünde zu widerstehen. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir sündlos sind. Diesseits des Himmels werden wir niemals vollkommen sein (vgl. 1Joh 1,8). Aber wir haben jetzt die Fähigkeit, der Sünde zu widerstehen und Christus zu folgen. In diesem Neuen Bund ist Christus unser Bundeshaupt. Wir sind nicht mehr unter Adam, sondern unter Christus (vgl. 1Kor 15,42–49). Und auch im Neuen Bund gibt es keinen Aspekt unseres Lebens, der außerhalb der Autorität Gottes liegt.

Christus ist Herr über das ganze Leben

In Kolosser 1,15–18 wird die Herrschaft Christi ganz klar zum Ausdruck gebracht. In Christus ist alles geschaffen worden, im Himmel und auf Erden. Auch Johannes 1,3 ist diesbezüglich eindeutig. Alles wurde durch ihn geschaffen, und nichts ist ohne ihn geschaffen worden. Paulus fährt fort, dass Christus vor allen Dingen ist und dass er alle Dinge zusammenhält. Wir müssen daran denken, dass dies auch während seiner Inkarnation der Fall war. Christus war sowohl ganz Gott als auch ganz Mensch – Gott, der menschgewordene Sohn. Christus ist der Anfang aller Dinge, damit er in allem der Erste sei.

Hier wird deutlich, dass Christus das Haupt der Gemeinde ist, und das zu Recht. Es ist seine Kirche, und er ist das einzige Haupt. Wir dürfen jedoch nicht vernachlässigen oder vergessen, dass Christus über allem der Erste ist. Christus ist nicht nur Herr über unser geistliches Leben, sondern über unser ganzes Leben. Daher hat dies Auswirkungen darauf, wie wir über unser Leben außerhalb der Kirche denken.

Gottes vorsehender Plan

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass zu Gottes souveräner Fürsorge für sein Volk auch gehört, dass er es an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit untergebracht hat. Sogar die Grenzen unseres Wohnsitzes wurden von Gott festgelegt (vgl. Apg 17,26). Jesus sagt, dass in Gottes allumfassender Fürsorge und Vorsehung sogar die Haare auf deinem Kopf gezählt sind (vgl. Mt 10,30). Der Ort, an dem du lebst, der Ort, an dem du arbeitest, die Geschäfte, in denen du einkaufst, die Gruppen, denen du angehörst – nichts davon ist zufällig. Gott hat dich dort hingestellt, wo du bist.

Die Gläubigen, die Teil deiner Gemeinde und deines Bibelkreises sind, sind von Gott aus einem bestimmten Grund dorthin gestellt worden. Er hat der Gemeinde Gaben gegeben (vgl. 1Kor 12; 1Petr 4,10), um den Leib in Liebe aufzubauen (vgl. Eph 4,11–16). Gott hat dich absichtlich in ihr Leben gestellt.

Implikationen

Diese beiden Gedanken – dass Christus der Herr über alle Dinge ist und dass Gott dich durch Vorsehung dort hingestellt hat, wo du bist – haben zwei Implikationen für unser Leben. Die erste ist, dass wir versuchen sollten, alle Aspekte unseres Lebens unter die Herrschaft Christi zu stellen. Nicht nur unser geistliches Leben, sondern auch unser Familienleben, unsere Arbeit, sogar unsere Freizeit und unsere Hobbys. Wir müssen lernen, uns zu fragen: „Wie verändert und beeinflusst die Herrschaft Christi über diesen Bereich meines Lebens, wie ich leben soll? Wie kann ich ihn in diesem Aspekt meines Lebens verherrlichen?“

„Wenn er der Herr über unser ganzes Leben ist, dann bedeutet das, dass er der Herr darüber ist, wo wir uns jetzt in unseren Lebensumständen befinden.“
 

Die zweite Implikation besteht darin, zu erkennen, dass wir uns jetzt dort befinden, wo Gott uns in seiner Vorsehung hingestellt hat. Es gibt keinen Zeitpunkt in der Zukunft (wenn ich befördert werde, wenn die Kinder groß sind, wenn ich verheiratet bin, wenn ich meine Karriere beginne usw.), auf den Gott wartet, bevor wir ihm dienen. Dies ist jetzt unsere Arbeit, denn Gott hat uns jetzt hierher gestellt. Wenn er der Herr über unser ganzes Leben ist, dann bedeutet das, dass er der Herr darüber ist, wo wir uns jetzt in unseren Lebensumständen befinden. Gott wartet nicht auf einen Zeitpunkt in der Zukunft, wenn wir mehr Zeit haben. Er möchte, dass wir ihm an jedem Punkt unseres Lebens folgen. Das bedeutet, dass wir zu jedem Zeitpunkt unseres Lebens danach streben, ihn zu verherrlichen, wo immer wir sind.

Wir sollten uns fragen, auch wenn wir uns in einer Übergangsphase des Lebens befinden: Wie kann ich jetzt dienen? Denn das, was wir jetzt tun, gibt uns eine Grundlage und Basis dafür, wie wir später dienen können. Wie kannst du dort treu sein, wo Gott dich hingestellt hat, weil du weißt, dass Christus auch über diesen Aspekt deines Lebens Herr ist?


1Peter J. Gentry und Stephen J. Wellum, Kingdom Through Covenant: A Biblical-Theological Understanding of the Covenants, Wheaton: Crossway, 2018, S. 31–38.

2Die hebräische Grammatik verbindet den Noah-Bund mit dem Bund mit der Schöpfung (vgl. Stephen G. Dempster, Dominion and Dynasty: A Biblical Theology of the Hebrew Bible, New Studies in Biblical Theology 15, Leicester, England: Downers Grove: Apollos ; InterVarsity Press, 2003), S. 73.

3Gentry und Wellum, Kingdom, S. 729–732.