Wann sind Frauen wirklich zufrieden?

Rezension von Ron Kubsch
28. September 2023 — 5 Min Lesedauer

Wer die Literatur linker oder sogenannter illiberaler Feministinnen studiert, gewinnt schnell den Eindruck, dass es Frauen selten so schlecht ging wie in unseren Tagen. Prominente Frauenrechtlerinnen verknüpfen eine gelingende Zukunft sogar damit, dass sich die Menschheit mit dem marxistischen Feminismus verbündet, um die „kapitalistischen Ursachen einer metastasierenden Barbarei anzugehen“.[1] Auch im Blick auf das Projekt „glückliche Familie“ scheint die Trauerarbeit so gut wie abgeschlossen zu sein. Die traditionelle Familie wird wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten behandelt und durch moderne Lebensmodelle ergänzt. Emilia Roig, im Jahr 2022 zur „Most Influential Woman of the Year“ gekürt, geht noch weiter: Die Ehe als Institution soll ihrer Meinung nach entsorgt werden, da sie ein patriarchales Unterdrückungsinstrument sei und es in ihrem Kern immer um Ungleichheit und Diskriminierung gehe.[2] Der Soziologe Martin Schröder beurteilt die Lage der Frauen auffallend anders, denn die empirischen Daten zeichnen seiner Auffassung nach ein entgegengesetztes Bild.

„Es sei an der Zeit, Frauen das gute Gefühl zu geben, sich für ihre Lebensentwürfe nicht schämen zu müssen.“
 

Grundsätzlich seien Frauen und Männer nämlich in Deutschland heute fast gleich zufrieden mit ihrem Leben. Sie könnten genau das ausleben, wofür sie sich entschieden haben. Es gehe ihnen sowohl beruflich als auch privat gut. Dass Frauen andere Wünsche und Ziele haben als Männer, dürfe ihnen nicht vorgeworfen werden. Es sei an der Zeit, ihnen das gute Gefühl zu geben, sich für ihre Lebensentwürfe nicht schämen zu müssen. Ein Beispiel: Mütter möchten häufig gar nicht so viel arbeiten wie Väter.

„Mütter, die weniger arbeiten, sind nicht unzufriedener. Bei Vätern ist es anders – sie sind zufriedener, wenn sie mehr arbeiten. Die Zufriedenheit der Frauen ist übrigens auch dann am höchsten, wenn ihre Partner viel arbeiten. Der Begriff Teilzeitfalle, mit dem man Frauen sagt, es sei furchtbar, wenn sie weniger arbeiten, ist insofern unpassend.“[3]

Genau das wollen die neuen Feministen jedoch nicht gelten lassen. Dass Frauen glücklich seien und sogar gern zugunsten der Familie die eigene berufliche Karriere zurückstellen, liege am falschen Bewusstsein. Schröder (S. 44):

„Man unterstellt Frauen, für ihre eigene Unterdrückung blind zu sein. Schon Simone de Beauvoir, sozusagen die Großmutter des modernen Feminismus, schrieb 1949, Frauen würden sich eher ihrem eigenen Sklavendasein blind hingeben, als ihre eigene Befreiung zu erkämpfen. Circa ein Vierteljahrhundert später argwöhnte die in Deutschland besonders bekannte Alice Schwarzer, ‚Emanzipation‘ bedeute lediglich, dass ‚aus Sklavinnen freie Sklavinnen wurden‘. Das aktuelle Handbuch der Gender- und Frauenstudien schreibt: ,Geschlecht ist ein Machtsystem, [das] auch von den Unterdrückten konstruiert und aufrechterhalten wird, [wobei] viele seiner grundlegenden Annahmen und allgegenwärtigen Prozesse unsichtbar sind.‘“

Während sich normalerweise Theorien an der Realität bewähren müssen, nehmen die Feministinnen und Gender-Theoretikerinnen die Realität vor allem durch die Brille der kritischen Theorie war. „Diese erklärt alles mit Machtkämpfen, bei denen Frauen die Unterdrückten sind“ (S. 44). Auf diese Weise wird die Realität ihrem Theoriegebäude angepasst. Schließlich müssen die Genderwissenschaften ja produzieren, um nicht überflüssig zu werden, denn die ursprünglich gesetzten Ziele wurden bereits erreicht. Und so werden allerlei Aufsätze und Bücher veröffentlicht, die den Eindruck erwecken, neue Wirklichkeiten schaffen zu wollen. In der Tat – so Martin Schröder – unterscheiden sich ernstgemeinte Publikationen in der Genderforschung teilweise kaum noch von Satire-Artikeln.

„So forderte ein 2016 erschienener Artikel eine ‚feministische Gletscherwissenschaft‘, um die Idee, dass ‚Eis Eis ist‘, als ‚dominante Sichtweise des Westens‘ zu entlarven, welche durch ‚maskuline Diskurse‘ Frauen benachteiligt. Der Artikel wurde über 100-mal zitiert. In Feministische Studien, einer deutschen Fachzeitschrift, forderte die Kulturwissenschaftlerin Rosalind Gill, die Gender Studies sollten doch auch endlich mal erforschen, wie überarbeitet Gender-Studies-Professorinnen sind. Es sei an der Zeit, sich ‚kritisch mit den zahlreichen Momenten auseinanderzusetzen, in denen Einzelne berichten, dass sie am Ende sind, vermuten ‚meine Arbeit ist Mist‘ oder ‚ich werde auffliegen‘ – sowie mit jenen Momenten grundloser Angriffe und Grausamkeiten, die so oft zu beobachten sind – zum Beispiel in anonymisierten Gutachterprozessen (die jedoch selten in Frage gestellt werden) – und diese Gefühle mit neoliberalen Praktiken der Macht an der westlichen Universität in Verbindung bringen‘.“ (S. 159)

Martin Schröder hat ein kurzweiliges Buch über Karriere, Partnerschaft, Kinder und Freizeit geschrieben. Er belegt seine steilen Thesen mit Untersuchungen; vor allem hat er dafür Zahlen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), des World Values Survey sowie der Beziehungsstudie pairfam ausgewertet. Als Soziologe, der sich eingehend mit statistischen Methoden beschäftigt hat, beherrscht er den Umgang mit Statistiken souverän und kann die Resultate allgemeinverständlich präsentieren. Wann sind Frauen wirklich zufrieden? ist ein kluges und lesenswertes Buch, auch wenn der Autor meiner Meinung nach nicht mit jeder Deutung überzeugt.

Buch

Martin Schröder, Wann sind Frauen wirklich zufrieden? Überraschende Erkenntnisse zu Partnerschaft, Karriere, Kindern, Haushalt – auf der Basis von über 700.000 Befragungen, München: C. Bertelsmann Verlag, 2023, 256 Seiten, ca. 20 Euro.


1Cinzia Arruzza et al., Feminismus für die 99%: Ein Manifest, Berlin: Matthes & Seitz, 2019, S. 13–14.

2 Vgl. Emilia Roig, Das Ende der Ehe: Für eine Revolution der Liebe, Berlin: Ullstein, 2023.

3 So Markus Schröder in dem Interview „Frauen geht es viel besser, als der Feminismus es uns glauben lässt“ mit der F.A.Z., online unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/frauen-werden-kaum-noch-benachteiligt-soziologe-martin-schroeder-im-interview-18781985.html (Stand: 01.04.23).

Ron Kubsch ist Studienleiter am Martin Bucer Seminar in München, Dozent für Apologetik und Neuere Theologiegeschichte sowie 2. Vorsitzender und Generalsekretär bei Evangelium21. Er bloggt seit über 16 Jahren unter TheoBlog.de. Ron ist mit Dorothea verheiratet. Sie haben drei erwachsene Kinder.

Die Rezension erschien zuerst in der Zeitschrift Glauben und Denken heute, 1/2023, Nr. 31, S. 68–69. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.