Warum betrat Ruth mitten in der Nacht Boas’ Zelt?

Artikel von Mary Willson Hannah
25. September 2023 — 14 Min Lesedauer

Zwischen der ersten Begegnung von Ruth und Boas in Rut 2 und ihrer Begegnung auf der Tenne in Rut 3 liegen wahrscheinlich einige Wochen. Ruth und Naemi kommen „am Anfang der Gerstenernte“ (Rut 1,22) in Bethlehem an, und Ruth sammelt auf Boas’ Feld, „bis die Gersten- und Weizenernte vollendet war“ (Rut 2,23). Die beiden Ernten zusammen umfassen von Anfang bis Ende wahrscheinlich etwa zwei Monate. Die Szene, um die es hier geht, spielt sich ab, als die frisch geerntete Gerste auf die Tenne gebracht und dort die Spreu von den Körnern getrennt wird. Dabei wird die Gerste mit einer Heugabel in den Abendwind geworfen, um die Halme von der Spreu und dem Stroh zu trennen, die der Wind wegbläst (vgl. Rut 3,2; Jes 41,15–16).

Naemis Plan setzt die Ereignisse der Szene in Gang, obwohl Ruth die Hauptrolle bei der Ausführung dieses Plans spielen wird. Zunächst stellt Naemi eine rhetorische Frage, in der sie ihre Absicht zum Ausdruck bringt, „Ruhe“ und Gutes für ihre „Tochter“ zu suchen. Naemi will dabei helfen, eben den Segen herbeizuführen, um den sie für ihre Schwiegertöchter gebetet hat (vgl. Rut 1,8–9). In ihrer zweiten rhetorischen Frage nennt Naemi den Weg, durch den sie Ruth Sicherheit verschaffen will: durch Boas, „unseren Verwandten“ (nicht „meinen Verwandten“; vgl. Rut 2,20), der es Ruth ermöglicht hat, zusammen mit seinen Arbeiterinnen zu sammeln. Dass Boas ein Verwandter ist, bedeutet, dass er das Lösungsrecht ausüben und Naemis Land kaufen kann. Aus nicht näher erläuterten Gründen schließt die Ausübung dieses Rechts auch die Heirat mit Ruth ein.

Naemi erklärt daraufhin ihren Plan, der für Ruth mit einer Reihe von Risiken verbunden ist. Nachdem sie sich attraktiv gemacht hat, um so zu signalisieren, dass sie für eine Heirat bereit ist[1], muss Ruth die Dunkelheit aushalten, indem sie heimlich zur Tenne hinuntergeht und sich bis zum richtigen Zeitpunkt versteckt hält. Nachdem Boas dann ein gutes Erntemahl genossen hat und bei der Bewachung des Getreides eingeschlafen ist, muss Ruth sich ihm leise nähern. Sie soll die Decke auf seinen Füßen anheben, um sie dem Abendwind auszusetzen, sich an seine Füße legen und schließlich warten, bis die kalte Luft ihn weckt.[2] Naemi erwartet, dass Boas Ruth bei seinem Erwachen Anweisungen geben wird. Diese soll sie befolgen.

In Naemis Strategie kommen mehrere Prioritäten zusammen. Im Einklang mit ihrer mütterlichen Rolle (vgl. Rut 1,8) strebt sie nach ehelicher Sicherheit und Stabilität für Ruth. Deshalb plant sie eine private Begegnung zwischen Ruth und Boas, in der Hoffnung, dass Boas Ruth heiraten wird. Auch wenn Naemis Plan voller Risiken ist, vermeidet sie doch moralische und öffentliche Schande. So sieht sie beispielsweise vor, dass Ruth mit Boas ein intimes und aufrichtiges Gespräch über die Ehe führt, ohne ihn jedoch unangemessen zu berühren (nur seine Decke) oder ein offenes und öffentliches Gespräch mit ihm zu beginnen. Da Naemi von Boas’ rechtschaffenem Charakter überzeugt ist (vgl. Rut 2,1), ist ihr Plan, obwohl er ausgesprochen riskant ist, weder leichtsinnig noch unanständig.[3]

„Da Naemi von Boas’ rechtschaffenem Charakter überzeugt ist, ist ihr Plan, obwohl er ausgesprochen riskant ist, weder leichtsinnig noch unanständig.“
 

Es besteht kein Konsens darüber, wie die Darstellung von Naemi in 3,1–4 zu deuten ist. Ist Naemis Plan ein negatives Beispiel für mütterliche Manipulation und gottlosen Pragmatismus (vgl. 1Mose 16,1–6)? Oder ist Naemis Plan ein positives Beispiel für göttliche Klugheit? Dann wäre ihre mutige Initiative ein Beweis für die Vereinbarkeit von treuer menschlicher Tatkraft und göttlicher Vorsehung. Die letztere Ansicht scheint im Kontext des gesamten Buches passender zu sein. Naemis Planen ist Ausdruck einer wachsenden Hoffnung im Blick auf die Zukunft (vgl. die Entwicklung von Rut 1,20–21 zu 2,19–20 und zu 3,1–4).

Ruth befolgt Naemis Anweisungen. Obwohl Ruth zweifellos „Ruhe“ für sich selbst wünscht, könnte sie einen anderen Mann suchen, was Boas eindeutig anerkennt (vgl. Rut 3,10). Ruths Liebe zu ihrer Schwiegermutter, die viel verloren hat, und ihr Wunsch, für sie zu sorgen, motiviert sie, Boas nachzugehen. Indem sie bereitwillig ihren eigenen Ruf und ihre Sicherheit aufs Spiel setzt, um ihm einen Heiratsantrag zu machen, verkörpert die junge Moabiterin weiterhin aufopferungsvolle Bundestreue. In ihrer Bescheidenheit erachtet sie die Interessen von Naemi höher als ihre eigenen.

Durchführung des Plans

Nachdem Ruth den Anordnungen ihrer Schwiegermutter mündlich zugestimmt hat, befolgt sie sie nun gewissenhaft. Sie geht hinunter zur Tenne und wartet dort im Verborgenen. Genau wie Naemi es vorausgesehen hat, legt sich Boas nach der Ernte zufrieden hin.[4] Anschließend kommt Ruth leise zu Boas, zieht die Decke zurück, um seine Füße der Abendbrise auszusetzen, und legt sich hin. Die Bühne ist nun für einen dramatischen Wendepunkt bereitet. Im Schutz der Dunkelheit wartet Ruth auf das Erwachen von Boas.

Dunkelheit, Verborgenheit und Abgeschiedenheit erschweren das Erkennen und steigern die dramatische Spannung. Um Mitternacht, dem dunkelsten Zeitpunkt der Nacht, wacht Boas vermutlich wegen der kalten Brise irritiert auf. Als er sich aufrichtet – wahrscheinlich um es durch das Richten seiner Decke wärmer zu haben – ist er noch verdutzter, weil er eine Frau zu seinen Füßen liegen sieht. Er fordert sie auf, ihm ihre Identität mitzuteilen.

Ruth nutzt diesen kritischen Moment der Mitteilung. Sie stellt sich nicht nur als heiratsfähig vor, sondern deutet an, dass er sie heiraten soll. Sie nennt ihren Namen („Ich bin Ruth“), ihren Rang („deine Magd“), ihre Bitte („breite deine Flügel [oder „Ecken“, d.h. seines Gewandes] über deine Magd“) und ihre Begründung („denn du bist ja Löser“). Ruth fordert Boas auf, ihr durch die Heirat Schutz und Sicherheit zu geben.[5] Indem sie auf Boas’ früheren Segen anspielt (vgl. Rut 2,12), bittet sie ihn, das menschliche Werkzeug des Herrn zu werden, um diesen früheren Segen zu erfüllen. Das heißt, nachdem sie unter den „Flügeln“ des Herrn Zuflucht gesucht hat, bittet Ruth nun Boas, seine „Flügel“ über sie auszubreiten und sie als Vertreter des Herrn zu heiraten. Zweifellos von Naemi beeinflusst (vgl. Rut 2,20; Rut 3,2), beruft sich Ruth auf die Prinzipien der Verwandtschaft, die den Institutionen des Lösungsrechts (vgl. 3Mose 25,24–55) und der Schwagerehe (vgl. 5Mose 25,5–10) zugrunde liegen.

Ein Versprechen der Erlösung

Boas erkennt Ruths Rede als Heiratsantrag und antwortet mit einem liebevollen Segen („meine Tochter“).[6] Er erkennt ihre rechtschaffene Entschlossenheit, ihrer Schwiegermutter beizustehen, und begreift, dass sie die Heirat mit ihm hauptsächlich um ihrer Schwiegermutter willen anstrebt. Nach Boas’ Einschätzung beweist Ruths jetziges „noch edleres Handeln“ (d.h. der Wunsch, einen Löser um Naemis willen zu heiraten) eine noch größere Bundestreue zu Naemi als ihre vorherige gute Tat (d.h. das Festhalten an Naemi; vgl. Rut 1,14b–18). Hinter der Formulierung des „edlen Handelns“ (Rut 3,10) steht der bedeutungsschwere Bundesbegriff, der oft mit „unerschütterliche Liebe“ übersetzt wird. In Übereinstimmung mit Boas’ starker Persönlichkeit verstärkt Ruths selbstlose Liebe nur seine Bewunderung für sie. Es braucht Persönlichkeit, um Persönlichkeit zu sehen und sie zu bewundern.

Nachdem Boas Ruth gesegnet und gelobt hat, geht er auf ihre konkrete Bitte ein (vgl. Rut 3,11). Er tröstet und erlöst sie sofort von der Spannung, indem er verspricht, ihre Bitte zu erfüllen (vgl. Rut 2,13). Boas begründet seine Entscheidung mit dem gerechten Charakter von Ruth (vgl. Rut 2,11), von dem ganz Bethlehem weiß. Vor allem weiß die ganze Stadt, dass sie eine „tugendhafte Frau“ ist. Während also die Situation auf der Tenne Ruths Verborgenheit und Heimlichkeit mit sich bringt, lobt Boas, sobald sie in sein Blickfeld tritt, die breite Anerkennung ihres edlen Charakters. Bezeichnenderweise folgt das Buch Ruth in einer wichtigen hebräischen kanonischen Tradition unmittelbar auf das Buch der Sprüche, das mit einem Akrostichon schließt (d.h. einem Gedicht, bei dem die Anfangsbuchstaben der Verszeilen in der Regel ein Wort oder einen Satz ergeben). Dieses Gedicht stellt eine mustergültige würdige Frau dar (vgl. Spr 31,10–22; Spr 12,4). Während das Buch der Sprüche eine idealisierte ehrenwerte Frau vorstellt, erzählt das Buch Ruth die Geschichte einer tatsächlichen ehrenwerten Frau. Wer ist diese Frau, die die Bundesgerechtigkeit verkörpert? Eine verarmte moabitische Witwe!

Liebe leuchtet in der Dunkelheit

Zu Beginn dieses Kapitels ist weder für Naemi noch für Ruth ein positiver Ausgang garantiert. Ebenso ist das Leben in dieser zerbrochenen und sündigen Welt eine Gleichung mit vielen Unbekannten, von denen einige eine atemberaubende Spannung beinhalten. Manchmal gehen selbst die besten Pläne nicht in Erfüllung (vgl. Spr 19,21). In einem solchen Kontext sehen wir Gläubigen uns einer Vielzahl von Prüfungen ausgesetzt, darunter auch der Versuchung, unsere Beziehungen zu anderen Menschen von unserem Eigeninteresse bestimmen zu lassen. Aber inmitten der Irrungen und Wirrungen des Lebens müssen wir uns weiterhin Gottes souveräner Fürsorge anvertrauen und uns für ein Leben entscheiden, das von Liebe geprägt ist. Eine solche rechtschaffene Entschlossenheit durchzieht diese Szene in Ruth 3. Vor dem Hintergrund von Dunkelheit und Spannung leuchten mutige Taten der Liebe auf – unter anderem auf folgende drei Arten:

Erstens versuchen Naemi und Ruth nicht in erster Linie, ihre eigenen Interessen durchzusetzen, sondern die der jeweils anderen (vgl. Rut 3,1–9). Obwohl beide Witwen von einer Heirat zwischen Ruth und Boas profitieren würden, priorisiert keine der beiden ihr eigenes Wohlergehen. Jede ergreift die Initiative zum Wohl der anderen, was in Ruths Fall ein erhebliches persönliches Risiko beinhaltet. Doch trotz ihrer prekären Lage beweist Ruth am helllichten Tag (vgl. Rut 1–2) denselben Charakter wie in der Heimlichkeit der Nacht (vgl. Rut 3). Als sie ihm einen Heiratsantrag macht, fordert sie Boas sogar mutig auf, aufopferungsvolle Liebe zu verkörpern. Dabei bedient sie sich der gnädigen Versorgung Gottes durch die gesetzlichen Institutionen des Lösungsrechts und der Schwagerehe. Auch wir Gläubigen müssen uns inmitten von Intrigen und brenzligen Umständen auf den Herrn Jesus verlassen, damit er uns hilft, durch seine Gnade und nach seinem Vorbild in aufopfernder Liebe auszuharren (vgl. Joh 13,1; 1Petr 2,21–25).

„Auch wir Gläubigen müssen uns inmitten von Intrigen und brenzligen Umständen auf den Herrn Jesus verlassen, damit er uns hilft, durch seine Gnade und nach seinem Vorbild in aufopfernder Liebe auszuharren.“
 

Zweitens: Anstatt sich vor der Verantwortung gegenüber Ruth und Naemi zu drücken oder die Verantwortung des näheren Verwandten an sich zu reißen, nimmt sich Boas der Sache dieser beiden Witwen in einer Weise an, die alle Beteiligten ehrt (vgl. Rut 3,10–13). Er versucht weder, sich selbst zu schützen (indem er sich wegen des näheren Verwandten jeglicher Verantwortung entledigt), noch handelt er autonom (indem er gegen die Gesetze oder Bräuche Israels verstößt, um Rechte einzufordern, die ihm nicht zustehen). Anstatt Unannehmlichkeiten zu vermeiden oder sich selbst zu erhöhen, nimmt sich Boas Ruths an und erhöht ihren ultimativen Wohltäter, den Herrn. Mit zärtlicher Zuneigung bringt Boas seine Bewunderung für Ruth zum Ausdruck und versichert ihr, dass er sie nach ordnungsgemäßer Vorgehensweise unterstützen wird. Er zeigt die Art von weiser Sanftmut, die im Herrn Jesus Christus ihren besten Ausdruck findet. Ihm, der sich weigert, ein geknicktes Rohr zu zerbrechen oder einen glimmenden Docht auszulöschen, solange er nicht für Gerechtigkeit gesorgt hat (vgl. Jes 42,3; Mt 12,20).

Drittens besiegelt Boas seinen Schwur der liebevollen Güte gegenüber Ruth und Naemi mit einer Garantie in Form einer Gabe von Gerste, um sie seiner Aufrichtigkeit zu versichern (vgl. Rut 3,14–18). Er scheint zu erkennen, dass die Witwen in ihrer Situation versucht sein könnten, ungerechtfertigte Skepsis zu empfinden – vielleicht aus Angst davor, sich selbst zu verteidigen. Boas ermutigt sie daher mit der Gabe von Gerste, auch um die Vertrauenswürdigkeit seines Wortes zu bestätigen. Boas’ bewährter Charakter und seine Liebe ermutigen Naemi (und Ruth), zuversichtlich und geduldig zu warten. Daher warten die Witwen nach dem Höhepunkt dieser Szene auf die Erfüllung von Boas’ Versprechen.

Ein Versprechen von unserem (Er)löser

In gewisser Hinsicht ähnelt die Situation der Witwen am Ende der Szene der Situation der Gläubigen hier und jetzt, nach dem Höhepunkt (aber nicht dem Endpunkt) der biblischen Geschichte. Das heißt, aufgrund des Lebens, des Todes und der Erhöhung des Herrn Jesus Christus genießen die Gläubigen gegenwärtig die ersten Früchte des Heils, müssen aber auf die endgültige Vollendung warten (vgl. 1Joh 3,1–3). Wir leben inmitten des „schon jetzt“ und des „noch nicht“ und blicken auf das zweite Kommen des Herrn, wenn Gott alle verbleibenden Spannungen auflösen und alle seine Verheißungen erfüllen wird. In der Zwischenzeit ermutigt uns unser Erlöser, indem er uns ein Versprechen gibt. Boas ist so gnädig, mit sechs Maß Gerste für seinen Schwur zu bürgen, aber der Herr Jesus bürgt für seinen Schwur, indem er uns den Heiligen Geist gibt (vgl. 2Kor 1,20–22). Gottes Gabe des Geistes beweist seine Vertrauenswürdigkeit und dient als Anzahlung für unser Erbe, bis wir es vollständig in Besitz nehmen (vgl. Eph 1,13–14).

Darüber hinaus gewährt Jesus seiner Kirche die Sakramente als greifbare Siegel seiner Gnade (vgl. Röm 4,11). Diese nachweislichen Bestätigungen der liebenden Güte Christi bestärken uns inmitten der trüben Unklarheiten des Lebens, uns weiterhin Gottes souveräner Fürsorge anzuvertrauen und ein Leben der Liebe zu führen. Wir können ihn beim Wort nehmen und auf den Morgen warten, an dem er alle Schwierigkeiten auflösen wird (vgl. Rut 3,18; Ps 37,7). Wie das Sprichwort sagt, das man Corrie ten Boom zuschreibt: „Hab keine Angst, eine unbekannte Zukunft einem bekannten Gott anzuvertrauen.“


1Vielleicht möchte Naemi, dass Ruth das Ende ihrer Trauer um Machlon anzeigt (vgl. Davids Kleidungswechsel und das Auftragen von Salben als Zeichen für das Ende seiner Trauer in 2. Samuel 12,20). Vgl. Block, Ruth, S. 169–170.

2Vgl. Hubbard, Book of Ruth, S. 203–204. Gelehrte diskutieren darüber, warum der Erzähler Begriffe verwendet, die auf sexuelle Aktivitäten hindeuten können, wie „wissen“ (d.h. Geschlechtsverkehr), „aufdecken“ (was in sexuell unerlaubten Kontexten verwendet werden kann), „seine Füße“ („Füße“ kann sich in manchen Kontexten auf Geschlechtsteile beziehen) und „sich hinlegen“ (d.h. Geschlechtsverkehr). Außerdem können die Erntezeit im Allgemeinen und die Tenne im Besonderen mit Fruchtbarkeit assoziiert werden. Auch wenn der Erzähler absichtlich eine anspielungsreiche Sprache verwendet, um die Spannung zu erhöhen, deutet dies keineswegs darauf hin, dass Ruth und Boas unerlaubte sexuelle Handlungen vornehmen. Das Gegenteil ist der Fall. Vielmehr zeigt diese Szene, wie sehr sich Ruth und Boas um Gerechtigkeit und Anstand bemühen – selbst in einem abgeschiedenen, romantisch aufgeladenen Kontext.

3Naemi weiß, dass Boas Ruth nicht ausnutzen wird. Ruth nachts auf die Tenne zu schicken, birgt gewisse Risiken im Blick auf andere Männer, jedoch nicht bei Boas.

4Der Erzähler schildert Boas’ Essen und Trinken nicht als exzessiv, sondern lediglich als Zufriedenheit nach dem Genießen eines Erntefests. Ein voller Magen wird ihm helfen zu schlafen, was für den Erfolg des Plans entscheidend ist.

5Dass Ruth einen Heiratsantrag macht, wird durch andere Stellen gestützt, in denen diese Art von Sprache im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Bundes verwendet wird (vgl. 2Mose 19,4; 5Mose 32,11), einschließlich eines Ehebundes (vgl. Hes 16,8). Das Bild, unter die „Flügel“ einer Person zu kommen, bedeutet, von dieser Person versorgt und beschützt zu werden (vgl. Ps 57,1; 61,4; Mt 23,37).

6Vgl. Rut 4,9–12. Ähnlich wie die in Rut 1,2 genannten Orte erwähnen die Zeugen Ephrata, Bethlehem und Juda, obwohl sich „Juda“ hier eher auf den Mann als auf das Stammesgebiet bezieht. Juda weigerte sich nach dem Tod von Tamars Ehemännern, seinen Söhnen, die Pflicht der Schwagerehe zu Tamars Gunsten anzuwenden (vgl. 1Mose 38; Mt 1,3). Doch während es Juda versäumte, mit der verwitweten Tamar gerecht umzugehen (vgl. 1Mose 38,26), gelingt es Boas, mit den Witwen Ruth und Naomi gerecht umzugehen.