Spenden – keine Kleinigkeit
In der Kurzgeschichte Ferner Donner von Ray Bradbury wird beschrieben, wie ein gewisser Eckels eine Zeitreise macht. Der Zeitreisenführer, Travis, begleitet ihn und legt ihm stark ans Herz, dass er auf dieser Reise unbedingt auf dem Metallweg bleiben muss. Schreckliche Dinge könnten passieren, wenn er sich nicht daran hält. Er könnte z.B. auf eine Maus treten – dadurch könnten womöglich sämtliche Nachkommen der Maus sterben und somit mehrere Millionen Mäuse nie auf dieser Welt leben. Das wiederum könnte zur Folge haben, dass sehr viele Tiere, welche Mäuse fressen, sterben. Das wiederum könnte bedeuten, dass viele Menschen verhungern müssten. Das wieder könnte bedeuten … man erkennt, worauf das hinausläuft, nicht wahr?
Die kleinsten Handlungen können ungewöhnlich große Auswirkungen haben, wie man sie nicht für möglich gehalten hätte. Ein böses Wort gegenüber einer geliebten Person – wie tief können infolgedessen die Verletzungen sitzen. Eine hilfreiche Tat für einen Bettler. Ein gespendeter Euro. Wir haben bei Weitem nicht im Blick, was unsere auch noch so kleinen Handlungen alles bewirken können.
Paulus möchte den Lesern seines Briefes in Philipper 4,10–20 herzlich dafür danken, dass sie ihm finanziell geholfen haben. Es ist wirklich spannend, wie er beinahe schon übertriebene Dankbarkeit gegenüber den Philippern zeigt. Eines der zentralen Themen in diesem Brief ist die Freude. Das merkt man an einigen Stellen, nicht zuletzt an der eindeutigen Aufforderung: „Freut euch im Herrn allezeit; abermals sage ich: Freut euch!“ (Phil 4,4). Philipper 4,10 hört sich schon beinahe nach einem Höhepunkt der Freude bei Paulus an, wenn er schreibt: „Ich habe mich aber sehr gefreut im Herrn …“ (Hervorh.d.Verf.). Bis zu diesem Punkt im Brief hat Paulus nie erwähnt, dass er sich sehr freut. Er hat auch die Philipper nicht dazu aufgefordert, sich sehr zu freuen. Hier schreibt er jedoch davon, dass er sich sehr gefreut hat, dass die Philipper für ihn sorgen konnten.
Gibt es für Paulus nicht wichtigere Dinge, über die er sich sehr freuen kann, als über finanzielle Unterstützung? Zumal er doch erklärt, dass er so oder so zufrieden in allen Lagen ist, ob er nun genug hat oder nicht (vgl. Phil 4,12). Paulus gibt mindestens 4 Antworten darauf, weshalb es ihm so eine große Freude bereitet, dass die Philipper ihn unterstützt haben.
1. Die Philipper waren wahre Freunde
„Doch habt ihr recht gehandelt, dass ihr Anteil nahmt an meiner Bedrängnis.“ (Phil 4,14)
Dieser Vers sagt uns, dass die Philipper Anteil nahmen an den Bedrängnissen von Paulus. Dem Begriff, der bei uns mit „Anteil nehmen“ übersetzt wird, liegt ein griechischer Ausdruck zugrunde, der stark an das Thema Freundschaft oder Partnerschaft anklingen lässt. Paulus wollte diesen Brief an die Philipper sicher aus mehreren Gründen schreiben, doch ein zentraler Grund war, die Freundschaft zu den Philippern zu stärken.
Dadurch, dass die Philipper Paulus geholfen haben, haben sie genau das ausgedrückt: Sie haben gezeigt, dass sie seine Freunde sind. Nicht die Gabe, nicht der erhöhte Kontostand ist es, was Paulus feiert, sondern das, was diese Spende repräsentiert: eine tiefe freundschaftliche Zuneigung der Philipper zu Paulus. Sie haben ihm gezeigt, dass sie für das Gleiche kämpfen (vgl. 1,27) und den gleichen „Sinn“ haben wie er (vgl. 2,2). Die Philipper bekommen zu Ohren, dass ein Diener des Evangeliums Hilfe benötigt, und sofort sind sie bereit, ihrem geliebten Freund und Bruder etwas zuzusenden. Das hat Paulus gefeiert!
„Als Christen sind wir Partner in einer großartigen Sache: die Nachricht von Christus als triumphierendem König zu verbreiten.“
Dieses Verständnis, dass wir als Christen eine Familie, Partner und Freunde sind, tut unseren Gemeinden sehr gut. Schlechtes Reden wird dadurch seltener und schlechte Gedanken über andere kommen weniger häufig vor. Diese Sicht führt auch dazu, dass wir einander weniger beneiden, weniger streiten, und uns nicht aufgrund von theologischen Uneinigkeiten abkapseln und die Zusammenarbeit aufgeben. Als Christen sind wir Partner in einer großartigen Sache: die Nachricht von Christus als triumphierendem König zu verbreiten. Positiv gesprochen führt diese Auffassung dazu, dass wir mehr Interesse füreinander aufbringen, aufeinander achtgeben, auf das Wohl der anderen bedacht sind und öfter über die Verbreitung des Evangeliums sprechen. Wir helfen und unterstützen einander – finanziell, aber auch geistlich. Die Philipper haben diesen wunderbaren Geist der Freundschaft bewiesen – und Paulus hat sich herzlich darüber gefreut.
2. Die Philipper spiegelten den Charakter Christi wider
„Und ihr Philipper wisst ja auch, dass am Anfang der Verkündigung des Evangeliums, als ich von Mazedonien aufbrach, keine Gemeinde mit mir Gemeinschaft gehabt hat im Geben und Nehmen als ihr allein; denn auch nach Thessalonich habt ihr mir einmal, und sogar zweimal, etwas zur Deckung meiner Bedürfnisse gesandt.“ (Phil 4,15–16)
Wir sind immer noch bei der Frage, warum Paulus sich so sehr darüber freut, dass die Philipper ihn finanziell unterstützt haben. In Vers 15 erinnert Paulus die Philipper an etwas, wobei er damit auch eine große Wertschätzung dafür ausdrückt. Wenn ich mit jemandem spreche und ihm dann sage: „Weißt du noch, wie du mir damals das Auto repariert hast?“, drücke ich damit doch aus: „Das war großartig! Ich werde es dir nie vergessen!“ Das macht Paulus hier: „Ihr Philipper wisst ja auch …“ Was wissen sie? Dass sie von Anfang an, als sie das Evangelium von Paulus empfangen haben, Gemeinschaft mit ihm im Geben und im Nehmen gehabt haben. Sie haben an einem sehr schönen Prozess teilgenommen, den Paulus hier als „Geben und Nehmen“ bezeichnet. Geben und Nehmen ist Evangelium in Aktion. Man wird reich beschenkt durch Jesus. Vergebung der Sünden, Erlösung durch sein Blut, kostenlos angerechnete Gerechtigkeit, eine Erbschaft etc. sind Dinge, deren Wert nicht gemessen werden kann. Man „nimmt“.
„Geben und Nehmen ist Evangelium in Aktion.“
Als reich Beschenkte ist es nur natürlich, dass man auch „gibt“. Wer an diesem Prozess teilhat, der drückt etwas zutiefst Christusähnliches aus, denn Christus hatte die Gesinnung, dass er „als er in der Gestalt Gottes war, es nicht wie einen Raub festhielt, Gott gleich zu sein; sondern er entäußerte sich selbst, nahm die Gestalt eines Knechtes an und wurde wie die Menschen; und in seiner äußeren Erscheinung als ein Mensch erfunden, erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,6–8). Jesus gab. Etwas zu spenden ist weit mehr, als jemandem finanziell zu helfen. Es ist ein Ausdruck des Charakters von Jesus Christus, der für uns arm wurde, damit wir durch seine Armut reich würden (vgl. 2Kor 8,9).
3. Die Philipper profitierten reichlich
„Nicht dass ich nach der Gabe verlange, sondern ich verlange danach, dass die Frucht reichlich ausfalle auf eurer Rechnung.“ (Vers 17)
Paulus schreibt in Vers 17, dass er sich gar nicht über die Gabe an sich freut. Nein, für die Philipper ist da ordentlich „was herausgesprungen“. Paulus sagt, dass „die Frucht reichlich ausfalle“ auf Rechnung der Philipper. Das ist wie eine Investition am Aktienmarkt, die reichlich Rendite eingebracht hat. Besser noch. Paulus nennt hier zwar nichts Explizites, aber man kann schon einen Eindruck dafür bekommen, was er meint, wenn man sich anschaut, was Paulus sich im Brief alles für die Philipper wünscht: Er wünscht ihnen, dass sie denselben Sinn wie Christus haben (vgl. 2,5), dass sie dem Ziel nachjagen, um den himmlischen Siegespreis zu erhalten (vgl. 3,14–15), und dass sie sich freuen (vgl. 4,4). Kurzum wünscht er sich Christusähnlichkeit für die Philipper.
„Etwas zu spenden ist weit mehr, als jemandem finanziell zu helfen. Es ist ein Ausdruck des Charakters von Jesus Christus, der für uns arm wurde, damit wir durch seine Armut reich würden.“
Lieber 100.000 Euro bekommen oder Christusähnlichkeit erhalten? Auf jeden Fall Christusähnlichkeit! Wer das hat, der hat keinen Mangel und möchte auch nichts anderes mehr. Paulus versichert den Philippern in Vers 19: „Mein Gott aber wird allen euren Mangel ausfüllen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus.“ Kein Milliardär besitzt so viel wie Gott. Ich lasse mir viel lieber von Gott meinen Mangel füllen als von einem reichen Chef oder einem guten Gehalt. Und wenn wir bei Gott in der Ewigkeit ankommen werden, wird er garantiert nicht sparen, wenn er uns seinen überschwänglichen Reichtum (vgl. Eph 2,7) gönnen wird. Mit diesen herrlichen Aussichten kann der Geldbeutel doch schon mit weniger innerem Widerstand gelockert werden.
Eine kleine Anekdote hierzu: Ein Prediger predigte einmal über das Spenden und forderte seine Gemeinde dazu auf, dieser Praxis nachzukommen. In seiner Leidenschaft konnte er sich den Satz nicht verkneifen: „Ihr werdet’s mir im Himmel noch danken, dass ich euch hier auf Erden die Taschen geleert habe!“ Ist das etwas dick aufgetragen oder ein wenig zu manipulativ? Vielleicht. Nichtsdestoweniger ist an dieser Aussage viel Wahres dran, dem Paulus zustimmen würde. Den Reichtum, den der geben kann, dem alle Berge, Täler, Meere, Flüsse, Tiere und letztlich alles gehört, möchte ich so viel höher schätzen als allen Besitz, den anzuhäufen ich auf dieser Erde fähig bin.
Ein letzter Grund noch:
4. Die Philipper waren ein Wohlgeruch für Gott
„Ich habe alles und habe Überfluss; ich bin völlig versorgt, seitdem ich von Epaphroditus eure Gabe empfangen habe, einen lieblichen Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, Gott wohlgefällig.“ (Vers 18)
So wird die Gabe der Philipper beschrieben: als ein Wohlgeruch. Das erinnert an zahlreiche Opfer im Alten Testament, die ein „lieblicher Geruch für den Herrn“ waren. Jesus selbst wird in Epheser 5,2 als ein solcher Wohlgeruch für Gott bezeichnet. Ein höheres Level an Wohlgefallen vor Gott kann man eigentlich nicht erreichen. Das bedeutet maximale Schönheit für so eine Gabe. Gott liebt einen fröhlichen Geber (vgl. 2Kor 9,7) und den Wohlgeruch, der von einem solchen Geber ausgeht.
Ich denke, Paulus hat uns deutlich gezeigt, wie Geben so viel mehr ist als einfach nur Spenden. Die Geschichte zu Beginn mit der Maus war nicht zu dick aufgetragen! Eine kleine Gabe kann tatsächlich so viel bewirken. Wenn auch für uns nicht sichtbar – in Gottes Augen bewirkt sie sehr viel. Durch eine einfache, bereitwillige Gabe können wir zeigen, dass wir mit anderen Christen Partner im Evangelium und ihre Freunde sind. Wir ahmen ferner den Charakter von Jesus Christus höchstpersönlich nach, der sich auch für uns gegeben hat, uns ein Vorbild hinterlassend. Zudem erhalten auch wir selber viel auf unser „Konto“ dadurch, dass wir anderen helfen. Zu guter Letzt durften wir sehen, dass Gott so ein Opfer einfach liebt.