Gemeinsam beten

Kaum sichtbar, aber lebenswichtig

Artikel von Megan Hill
1. September 2023 — 7 Min Lesedauer

Ich liebe Aufgaben mit sichtbaren Ergebnissen. Zeig mir einen verschmierten Badezimmerspiegel, einen mit Papierkram überladenen Schreibtisch oder ein von Unkraut überwuchertes Blumenbeet und ich mache mich sofort an die Arbeit. In zehn Minuten kann ich den Schmutz in Glanz und das Chaos in Ordnung verwandeln. Das gibt ein tolles Gefühl.

Aufgaben wiederkehrender Art dagegen, die nahezu unsichtbare Ergebnisse haben, mag ich nicht. Ein Mittagessen kochen, das meine Söhne kommentarlos hinunterschlingen, um sich direkt wieder dem Sport zuzuwenden? Nicht unbedingt meine Lieblingsbeschäftigung. Zum vierten Mal in dieser Woche beim Arzt anrufen, um Fragen wegen unserer privaten Krankenversicherung zu klären? Nein, danke.

Wir schätzen das Sichtbare

Mit einer ähnlichen Voreingenommenheit gehen wir an unser Gemeindeleben heran. Das spiegelt sich auf vielen Gemeinde-Webseiten wider. Wir heben dort unsere verschiedenen Hauskreise, Gottesdienste, Hilfsangebote und die Arbeit unter Jugendlichen und Teenies hervor. Die Fotos zeigen Menschen, die singen und Instrumente spielen, Leute mit Kaffeetassen und aufgeschlagenen Bibeln, Menschen, die Schubkarren und Kettensägen schwingen. Auch als Gemeinden schätzen wir, was sichtbar ist.

„Die schwierige, kaum sichtbare und unserer Kultur fremde Aufgabe des gemeinsamen Gebets ist genau das, was all unsere anderen Tätigkeiten aufrechterhält.“
 

Vielleicht ist das der Grund, warum die Zeit des gemeinsamen Gebets nur selten in unserem Veranstaltungskalender auftaucht. Gemeinsames Gebet – sei es in einem Gottesdienst oder bei einem Treffen im Alltag – hat nichts besonders Ansehnliches an sich. Wir kommen zusammen, neigen unser Haupt und beten zu Gott wegen der täglichen Bedürfnisse und für die Verbreitung des Evangeliums. Und dann tun wir dasselbe wieder und wieder, Woche für Woche, Jahr um Jahr. Dieselben Menschen bringen dieselben Anliegen auf dieselbe Weise vor denselben Gott. Es führt nicht immer zu offensichtlichen Ergebnissen. Aber es ist doch eine der wichtigsten Aufgaben, die die Gemeinde übernimmt.

Beten, um sich gesund zu entwickeln

Um mich für die banalen Dinge auf meiner Aufgabenliste zu begeistern, muss ich mich daran erinnern, dass sie tatsächlich wertvoll sind. Wenn meine Kinder nicht essen, werden sie sich nicht gesund entwickeln. Wenn ich nicht wiederholt mit dem Arzt telefoniere, werde ich eine überhöhte Rechnung zahlen müssen. In ähnlicher Weise muss sich die Gemeinde daran erinnern, dass die schwierige, kaum sichtbare und unserer Kultur fremde Aufgabe des gemeinsamen Gebets genau das ist, was all unsere anderen Tätigkeiten aufrechterhält. Wenn wir nicht beten, werden wir uns nicht gesund entwickeln.

Darüber hinaus bestätigt das gemeinsame Gebet drei wesentliche Wahrheiten über die Gemeinde, die wir sonst gerne vergessen: Wir sind völlig abhängig von unserem Gott, wir brauchen jedes Glied des Leibes, und wir haben eine Aufgabe, die geistlicher Natur ist.

Eine betende Gemeinde bekennt sich zu ihrer Abhängigkeit von Gott

Bei unseren anderen Aktivitäten können wir versucht sein zu glauben, dass der Erfolg von uns abhängt. Wenn wir genug Jugendaktivitäten veranstalten, unsere Lieder aus vollem Herzen singen oder oft genug den Rasen unseres Nachbarn mähen, dann wird unsere Gemeinde sicher wachsen. Wenn wir genug Leute einladen, genug Leute ausbilden, genug Leute mobilisieren, dann werden wir sicher Ergebnisse in unserer Gemeinde sehen. Diese Dinge mögen gut sein. Aber wenn wir zusammenkommen, um zu beten, erinnert uns das daran, dass das Gedeihen der Kirche Christi nicht von uns abhängig ist. Im Gebet strecken wir demütig aus, was Thomas Manton „die leeren Hände der Seele“ nannte, „die alles von Gott erwartet“.

Wir nehmen uns ein Beispiel an den Mitgliedern der Urgemeinde, die „beständig in der Lehre der Apostel und der Gemeinschaft im Brotbrechen und in den Gebeten“ blieben (Apg 2,42). Sie beteten gemeinsam, wenn sie aßen (vgl. Apg 2,46), wenn sie fasteten (vgl. Apg 13,2–3). Sie beteten gemeinsam, als sie von Verfolgung bedroht waren (vgl. Apg 4,23–31) und als sie neue Älteste einsetzten (vgl. Apg 14,23). Sie beteten gemeinsam in offiziellen Tempelgottesdiensten (vgl. Apg 3,1) und bei Gebetstreffen am Fluss (vgl. Apg 16,13.16).

Diese ersten Christen hatten ein enormes Arbeitspensum zu bewältigen: das Evangelium zu verkünden, Jünger zu machen, Gemeinden zu gründen und Witwen zu versorgen. Indem sie jedoch dem gemeinsamen Gebet Vorrang einräumten, gaben sie ihr völliges Unvermögen zu und fanden in Gott ihre unerschütterliche Hilfe.

Eine betende Gemeinde unterstreicht den Wert eines jeden Gliedes des Leibes Christi

Leider halten wir manchmal die Menschen für die herausragendsten Persönlichkeiten der Gemeinde, deren Beiträge am meisten auffallen. Organisatoren und Projektleiter scheinen manchmal wichtiger zu sein als ältere Witwen oder Kinder mit Behinderungen. Aber beim gemeinsamen Gebet gibt es keine Berühmtheiten. Im gemeinsamen Gebet freuen wir uns über das Lob der Kinder, die dem Satan den Mund stopfen (vgl. Ps 8,2), und wir würdigen die harte Arbeit eines Mitglieds, das für die anderen betet (vgl. Kol 4,12–13). Wir versammeln uns zum Gebet in herrlicher Vollendung der uralten Prophezeiung Jesajas: „Mein Haus soll ein Bethaus für alle Völker genannt werden“ (Jes 56,7). Wir versammeln uns, um unsere Gebete den Gebeten aller Heiligen in den großen Schalen vor dem himmlischen Thron hinzuzufügen (vgl. Offb 5,8).

Wer zu einem Gebetstreffen in einer Gemeinde geht, wird eine bunt gemischte Gruppe von Menschen vorfinden. Männer und Frauen, Reiche und Arme, Alte und Junge – sie alle bekennen sich zu ihrer gemeinsamen Identität (vgl. Gal 3,28) und halten Zwiesprache mit ihrem Gott. Der ehemalige Götzendiener, der ehemalige Homosexuelle, der ehemalige Dieb, der ehemalige Lästerer (vgl. 1Kor 6,9–11) – alle, die im Blut reingewaschen sind – treten gemeinsam mutig vor Gottes Thron (vgl. Hebr 4,6; 10,19). Die Schwächeren und die Stärkeren, die weniger Angesehenen und die Angesehenen, die Unansehnlichen und die Ansehnlicheren (vgl. 1Kor 12,22–26) unterstützen sich gegenseitig im Gebet. Keiner wird ausgeschlossen, keiner wird übersehen, und keiner wird für überflüssig gehalten.

Eine betende Gemeinde konzentriert sich auf ihre zentrale Aufgabe, die geistlicher Natur ist

Es gibt einen Grund, warum gemeinsames Beten nicht nach viel aussieht und warum wir es aber dennoch immer wieder tun, obwohl wir die Ergebnisse nicht genau beziffern können. Es gibt einen Grund, warum wir mit geschlossenen Augen und gesenktem Kopf beten.

Der Grund ist einfach: Gebet ist geistlicher Natur. Es ist die geistliche Waffe der Gemeinde in einem geistlichen Krieg (vgl. Eph 6,10–20). Es ist ein geistliches Werkzeug, das unsere geistliche Aufgabe unterstützt (vgl. 2Kor 1,11), und es ist unsere geistliche Bitte an den Geist selbst (vgl. Luk 11,13).

„Auch wenn unser gemeinsames Gebet manchmal fruchtlos und unbedeutend erscheinen mag, verheißt uns die Bibel, dass die Ergebnisse eines Tages sichtbar sein werden.“
 

Das Leben und der Dienst einer Gemeinde findet nicht nur auf der sichtbaren Ebene von Fleisch und Blut, Gebäuden und Kursen, Veranstaltungen und Ausschusssitzungen statt. Die wichtigste Aufgabe der Gemeinde findet an einem unsichtbaren Ort statt – und deshalb beten wir.

Wir beten gemeinsam, dass der Name Gottes erfolgreich in der Welt verkündet wird (vgl. Joh 17,23–26), dass Arbeiter für das Evangelium ausgesandt werden (vgl. Mt 9,38), dass Menschen gerettet und der Gemeinde hinzugefügt werden (vgl. Apg 2,47) und dass seine Heiligen zu einer Einheit werden (vgl. Ps 133). Wir beten gemeinsam dafür, dass Gott seine Gemeinde baut und Satans Reich besiegt (vgl. Mt 16,18), dass er die Mitglieder in den Ortsgemeinden seinen Absichten entsprechend einsetzt (vgl. 1Kor 12,18), dass er seinem Volk Weisheit schenkt (vgl. Mt 21,15; Jak 1,5), dass er die Sicherheit seiner Heiligen gewährleistet (vgl. Joh 6,37) und dass er uns schließlich dazu bringt, mit ihm zu leben (vgl. Joh 14,3).

Auch wenn unser gemeinsames Gebet manchmal fruchtlos und unbedeutend erscheinen mag, verheißt uns die Bibel, dass die Ergebnisse eines Tages sichtbar sein werden. In Offenbarung 8 zieht Johannes den Vorhang des Himmels zurück und wir sehen, wie sich unsere gesammelten Gebete mit dem Feuer Gottes vermischen. Sie werden mit den spektakulärsten Ergebnissen auf die Erde geworfen: „Und es geschahen Stimmen und Donner und Blitze und ein Erdbeben“ (Offb 8,5). Deshalb lasst uns gemeinsam beten.