Wozu ist Bildung da?

Drei Perspektiven, die wir unseren Kindern aufzeigen sollten

Artikel von Trevor Nashleanas
28. August 2023 — 6 Min Lesedauer

Es ist Herbstanfang. Der Reiz des neuen Schuljahres ist verflogen und die Kinder zählen bereits die Tage bis zu den nächsten Ferien. Der Enthusiasmus des neuen Schuljahres weicht schnell den Beschwerden und sie stellen sich die Frage: „Warum müssen wir dieses Zeug überhaupt lernen?“

„Pragmatismus kann zwar motivieren, befriedigt aber nicht.“
 

Ich verspüre die Versuchung, ihre Beschwerden mit dem gleichen Ratschlag zu beantworten, den mir wohlmeinende Erwachsene gaben, als ich ein Kind war: Wir gehen zur Schule, damit wir einen guten Job bekommen, gutes Geld verdienen und ein schönes Leben genießen können. Aber diese Argumentation wird sie letztendlich so leer zurücklassen wie die viel zu süßen Cornflakes, die sie zum Frühstück gegessen haben. Denn Pragmatismus kann zwar motivieren, befriedigt aber nicht.

Wenn wir wollen, dass unsere Kinder eine echte Wertschätzung fürs Lernen entwickeln, dürfen wir ihnen nicht nur sagen, was Bildung bewirken kann. Wir müssen ihnen eine Vision davon vermitteln, wozu Bildung da ist. Hier sind drei Perspektiven.

1. Bildung dient der Anbetung

Frage 1 des Kürzeren Westminster Katechismus lautet: „Was ist das höchste Ziel des Menschen?“ Die Antwort, die viele von uns auswendig können, lautet: „Gott zu verherrlichen und sich für immer an ihm zu erfreuen“[1]. Oder, wenn du John Pipers Nuance bevorzugst: „Gott zu verherrlichen, indem man sich für immer an ihm erfreut“[2].

Der Mensch ist dazu bestimmt, Gott zu kennen und sich an ihm zu erfreuen. Sein Lob ist unser Preis, und in seiner Überlegenheit liegt unsere Befriedigung. Es gibt einfach keine höhere Berufung für den Menschen. Wir wurden zur Anbetung erschaffen.

Wenn Anbetung das höchste Ziel des Menschen ist, dann folgt daraus, dass Anbetung auch das Hauptziel der Bildung ist. Jedes gelesene Buch, jeder geschriebene Aufsatz, jede abgelegte Prüfung, jedes gemeisterte Fach, jeder erworbene Abschluss – wozu das alles? Ist der Zweck nicht, dass wir mehr von der Schönheit und Majestät unseres großen Gottes entdecken, sodass wir uns mehr an ihm erfreuen können?

2. Bildung dient der Entwicklung

Wenn Anbetung – der Aufruf, Gott zu verherrlichen, indem man sich an ihm erfreut – das Hauptziel des Menschen ist, dann steht die geistliche Entwicklung knapp dahinter an zweiter Stelle. Dies wird in Römer 8,28–29 ­deutlich, wo es heißt, dass Gott seinem Volk alle Dinge zum Guten dienen lässt, damit jeder von ihnen dem Ebenbild seines Sohnes gleichgestaltet wird. Das bedeutet (wie ich bereits an anderer Stelle dargelegt habe), dass deine geistliche Entwicklung eine von Gottes höchsten Prioritäten in Bezug auf dich ist.

Bildung ist mit Sicherheit eins der vielen Werkzeuge, die Gott einsetzt, um dieses Ziel zu erreichen. Natürlich führt Bildung oft zu einer besseren Lebensqualität und höheren Verdienstmöglichkeiten. Das ist jedoch nicht annähernd so wichtig wie ihr Potenzial, die Art von Mensch zu formen, die dein Kind wird. Die Lektionen und Studien, die wir durchlaufen, haben einen tiefgreifenden Einfluss darauf, wie wir in dieser Welt leben. Das betrifft nicht nur unseren Charakter, sondern auch unsere Weltanschauung. Wir sollten uns bewusst sein, dass wir diese Macht haben, und sie nutzen, um nicht nur den Verstand unserer Kinder zu schulen, sondern auch ihre Seele zu formen.

3. Bildung dient dem Allgemeinwohl

Nach der Erschaffung des Menschen erteilt Gott Adam und Eva den Auftrag, die Erde zu füllen und sie sich untertan zu machen (vgl. 1Mose 1,28). In seinem Buch Berufung argumentiert Tim Keller, dass Gott ihnen damit aufträgt, eine Gesellschaft zu schaffen, in der Menschen aufblühen können. Das geschieht, indem sie die Erde verwalten und kultivieren, damit sie nützlicher wird. Die Sorge um das Allgemeinwohl – das Wohlergehen der Welt – ist in ihre Berufung als Gottes Mitregenten eingebaut.

„Die Sorge um das Allgemeinwohl – das Wohlergehen der Welt – ist in ihre Berufung als Gottes Mitregenten eingebaut.“
 

Das Gleiche gilt für Bildung. Gott gab uns die Fähigkeit des Lernens nicht nur, um einen guten Job zu bekommen, gutes Geld zu verdienen und ein schönes Leben zu genießen. Er gab sie uns, damit wir das, was wir lernen, dazu gebrauchen, Menschen in ihrem Aufblühen zu unterstützen.

Was haben Ärzte, Therapeuten, Ingenieure und Buchhalter alle gemeinsam? Sie stellen Güter und Dienstleistungen bereit, die die menschliche Gesellschaft verbessern und stärken. Mediziner diagnostizieren und behandeln Krankheiten und Verletzungen, damit Gemeinschaften körperlich gedeihen können. Berater fördern das soziale und psychologische Wohlbefinden, damit Gemeinschaften emotional gedeihen können. Ingenieure und Architekten entwerfen die Strukturen, in denen wir leben, arbeiten und spielen, sowie die Verkehrsmittel, die uns von Ort zu Ort bringen. Buchhalter bieten Dienstleistungen an, die das wirtschaftliche Wohlergehen fördern, indem sie Einzelpersonen, Unternehmen und Organisationen dabei helfen, ihre Ressourcen und Vermögenswerte gut zu verwalten. Die Ausübung all dieser Berufe wird durch Bildung ermöglicht und dient dem Allgemeinwohl.

Bildung bereitet uns auf das Leben und die Arbeit vor und macht uns für die Allgemeinheit nützlicher. Wenn wir unseren Kindern beibringen, das Erlernte für andere zu nutzen, gedeihen unsere Nachbarschaften, Arbeitsplätze und Gemeinschaften, und jeder profitiert davon.

Ein Argument für lebenslanges Lernen

Die vorherrschende Einstellung zu Bildung betont ihre Nützlichkeit bei der Suche nach einer Arbeitsstelle und beim Geldverdienen. Wenn das jedoch alles ist, dann ist meine einzige Motivation als 36-Jähriger, weiter zu lernen, eine bessere Arbeit zu finden, um ein höheres Einkommen zu erzielen.

Wenn ich jedoch eine solide theologische Vision von Bildung habe, habe ich immer einen Grund für lebenslanges Lernen. Die Dinge, die ich lerne (ob formell oder informell), können mir nämlich helfen, mich an Gott zu erfreuen, Christus ähnlicher zu werden und meinen Nächsten zu segnen – selbst wenn ich arbeitslos bin und meine Lebensqualität nicht dem entspricht, was ich mir erhofft hatte. Wenn Bildung in erster Linie dem Eigennutz dient, kann sie nicht befriedigen. Wenn sie aber ein Mittel ist, durch das ich Gott und meinen Nächsten lieben kann, wird sie zu einem Akt der Anbetung.

Ich bete dafür, dass Eltern und christliche Pädagogen überall Kinder zu lebenslangem Lernen inspirieren, indem sie ihnen eine solide theologische Vision von Bildung vermitteln. Wenn unsere Kinder in schwierigen Phasen der Schulzeit die unvermeidliche Was soll das alles?-Frage stellen, sollten wir eine bessere Antwort haben als die Welt. Lasst uns in unseren Kindern eine Liebe zum Lernen kultivieren, weil sie sehen, wie das Lernen aus der Liebe zu Gott entspringt und sich mit ihr überschneidet.


1Der Kürzere Westminster Katechismus, MBS Texte 61, Bonn: Martin Bucer Seminar, Reformiertes Forum, 2005.

2John Piper, Sehnsucht nach Gott: Leben als „christlicher Genießer“, Waldems: 3L Verlag, 2019.