Warum ich gern für meine alternden Eltern sorgte

Artikel von Deborah J. Smith
21. August 2023
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Sieben Jahre lang pflegte ich meine Eltern. Sie litten an Demenz beziehungsweise an Nierenversagen; ein Elternteil war gläubig, der andere nicht. Ich erkannte es als meine Berufung, beide jeweils bis zu ihrem Tod zu pflegen. Mich voll und ganz ihrer Pflege zu widmen, gestaltete sich allerdings – auch mit dem Herrn als Kraftquelle – an jedem einzelnen Tag und in jeglicher Hinsicht als äußerst schwierig. Dennoch würde ich, wenn ich noch einmal darüber zu entscheiden hätte, wieder genauso handeln.

Wenn du dazu berufen bist, eine Zeit lang für einen Elternteil zu sorgen, der Christ ist und zu dem du schon immer eine gute Beziehung hattest, die sich durch eine tiefe Liebe und gegenseitige Hingabe auszeichnete, dann mag die Pflegesituation zwar trotzdem noch eine Herausforderung darstellen, doch sie bereitet euch höchstwahrscheinlich auch Freude. Vielleicht ist das Verhältnis zu deinem Vater bzw. deiner Mutter jedoch schmerzhaft und angespannt, wodurch die Pflege schwieriger wird. Möglicherweise hast du wie ich einen Elternteil, der den Herrn nicht kennt und dessen Leben von Sünde und Unglauben geprägt ist, wodurch die Pflege erschwert wird.

Wenn wir uns für die Pflege unserer Eltern zur Verfügung stellen, wird ihnen die Fürsorge und Würde zuteil, die ihnen als Gottes Ebenbildern zukommt, und mit unseren guten Werken sind wir ein Zeugnis für unseren Glauben. Unsere Fürsorge könnte sogar ein Werkzeug der Gnade Gottes sein, durch das unsere ungläubigen Eltern gerettet werden. Aber die Pflege ist nicht nur segensreich für unsere Eltern – der Herr benutzt sie auch, um uns Gutes zu tun.

Warum wir uns um unsere Eltern kümmern

Während meiner Kindheit traf mein Vater manche Entscheidungen, die unserer Familie schadeten. Er fügte mir und meinen Geschwistern tiefe Verletzungen zu. Vielleicht hast du Ähnliches erlebt. Aber mach dir klar: So real unsere Gefühle gegenüber unseren Eltern auch sind, sie sind nicht ausschlaggebend dafür, ob wir unsere Eltern ehren. Vielmehr kümmern wir uns um unsere Eltern, weil wir dem Gebot des Herrn gehorchen: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“ (2Mose 20,12).

„Unsere Gefühle sind nicht ausschlaggebend dafür, ob wir unsere Eltern ehren.“
 

Es kann zwar Umstände geben, die die Pflege der Eltern unmöglich oder zu riskant werden lassen, aber das Gebot Gottes enthält keine Ausnahmeklausel in Bezug auf solche Eltern, die uns nicht im christlichen Glauben erzogen, keine guten Eltern waren oder zu denen wir keine enge Beziehung haben. Wenn Christen dazu in der Lage sind, haben sie auch die Verantwortung, sich um ihre Eltern zu kümmern.

Da mein Vater den Herrn nicht kannte, dachte und verhielt er sich so, wie es der Natur eines Nichtchristen entspricht. Ich aber kenne den Herrn und habe ein neues Herz und damit die Gesinnung Jesu bekommen. In mir hat der Heilige Geist Wohnung genommen. Dass ich meinen Vater pflegte, entsprach meiner neuen Natur, auch wenn sich das Wesen meines Vaters nicht änderte.

Einen Menschen zu pflegen, bewirkt Segen

Als ich meinen Vater pflegte, bat ich Gott stets, mich dazu zu gebrauchen, meinen Vater zu retten. Folglich erklärte ich meinem Vater oft das Evangelium und bemühte mich, seine Fragen zu beantworten. Ich versuchte, keine Kompromisse einzugehen, wenn es darum ging, Jesus zu bezeugen. Leider kam mein Vater nicht zum Glauben, doch das bedeutet nicht, dass die Zeit und Mühe, die ich in seine Pflege investiert habe, vergebens sind.

Unabhängig davon, wie unsere nichtchristlichen Eltern auf uns und das Evangelium reagieren, gebraucht der Herr unsere Fürsorge, um in ihrem Leben – und in unserem – Segen zu wirken. Insbesondere drei Aspekte scheinen mir in dieser Hinsicht wichtig zu sein:

1. Wir verherrlichen unseren himmlischen Vater

Wir sind geschaffen, um Gott zu verherrlichen. Unser Leben kann Gott auf vielerlei Weise verherrlichen – unter anderem dadurch, dass wir uns um diejenigen kümmern, die Gott zuvor dazu bestimmt hatte, für uns zu sorgen. Wer seine irdischen Eltern ehrt, ehrt damit auch seinen himmlischen Vater. Jemanden zu pflegen ist derart mühsam und anstrengend, dass die Motivation letztlich nur darin bestehen kann, Gott damit die Ehre zu geben. In unserem unmittelbaren Umfeld werden die Menschen dann unsere guten Werke sehen und darüber unseren Vater im Himmel preisen (vgl. Mt 5,16).

2. Wir lernen mehr über das Wesen der göttlichen Liebe

Pflege verlangt uns sowohl körperlich als auch geistlich viel ab. Wer pflegt, muss Opfer bringen und sich um einen Menschen, der Gottes Ebenbild ist, so kümmern und ihn so lieben, wie der andere es oft nicht in gleicher Weise zurückgeben kann. Diese Liebe erfordert Geduld und Güte. In ihr ist kein Raum für Neid und Stolz; sie ist nicht selbstsüchtig. Sie kann es sich nicht leisten, sich leicht zum Zorn reizen zu lassen, und sie entscheidet sich bewusst dafür, Ungerechtigkeiten nicht nachzutragen. Diese Liebe setzt ihr Vertrauen auf den Herrn und richtet ihre Hoffnung darauf, von ihm ein „Gut gemacht!“ zu hören. Diese Liebe erduldet alles. Eine solche Liebe haben wir von Gott, unserem Vater, empfangen, und indem wir unsere Eltern mit dieser Liebe beschenken, gewinnen wir selbst ein tieferes Verständnis von Gottes Liebe.

3. Wir gewinnen an Reife

Einen Menschen zu pflegen, ist eine ernsthafte Bewährungsprobe. Noch bevor diese Bewährungsprobe irgendetwas in uns bewirkt, offenbart sie etwas über uns, denn sie stellt unseren Glauben auf die Probe. Wir werden rasch merken, wie es tatsächlich um unseren geistlichen Zustand bestellt ist, und dies zu erkennen ist gut. Wo auch immer wir im Glauben stehen, jemanden zu pflegen gleicht einem Training, bei dem man einer Hantelstange ein zusätzliches Gewicht hinzufügt. Wenn wir mithilfe von Gottes Gnade durchhalten, wird unser geistlicher Muskel gekräftigt und gefestigt. Dadurch gelangen wir zu einer neuen Ebene der Reife. Bei Jakobus steht, dass wir, wenn wir standhaft durchhalten und das Ausharren sein vollkommenes Werk tun lassen, vollständig sein werden und es uns an nichts mangeln wird. Unser Glaube wird gestärkt; wir reifen und werden fähig, schwere Zeiten mit Freude zu ertragen (vgl. Jak 1,2–4).

Es lohnt sich

Sieben Jahre lang pflegte ich meine Eltern, und an jedem einzelnen Tag in diesen Jahren war ich auf die Hilfe des Heiligen Geistes angewiesen. Ist diese Bedürftigkeit nicht der Idealzustand für einen Christen? Ich lernte dadurch das, was auch der Apostel Paulus lernte, als Gott ihn aufforderte (2Kor 12,9): „Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft wird in der Schwachheit vollkommen!“ Paulus’ Antwort darauf lautete: „Darum will ich mich am liebsten vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft des Christus bei mir wohne.“

Wenn wir uns mit Freude der Pflege unserer Eltern widmen – unabhängig davon, ob sie ihn kennen oder nicht –, wird unsere Seele die Früchte dieses Dienstes ernten und Gott wird darüber geehrt werden.