C.S. Lewis: Überrascht von Gott
Keine klassische Biographie
Noch eine Lewis-Biographie? So war mein erster Gedanke, als das vorliegende Buch, verfasst vom einschlägig bewanderten Norbert Feinendegen, in mein Blickfeld geriet. Nicht, dass dieser Umstand zwingend problematisch sein muss, ist doch die Lebensgeschichte des britischen Gelehrten es wert, immer wieder erzählt zu werden. Dennoch scheint es (auch im deutschsprachigen Raum) eigentlich eine hinreichende Anzahl an Lebensbetrachtungen zu C.S. Lewis (1898-1963) zu geben; so wurde zum Beispiel erst 2021 die grundlegende Biographie von Alister McGrath ein zweites Mal aufgelegt.
Diesbezüglich sind zwei Dinge zu beachten: Zunächst legt Feinendegen keine Biographie im „klassischen“ Sinne vor, sondern widmet sich schwerpunktmäßig dem „Christ-werden“ des englisch-irischen Literaten und späteren Apologeten. Er zeichnet den weltanschaulichen Weg Lewis’ nach und nutzt die einzelnen Lebensstationen als Aufhänger, um von dort in die Tiefen des Lewis’schen Denkens einzusteigen. Dementsprechend endet die „Biographie“ bereits 1932, nachdem Lewis sich zum personalen Gott und letztlich zu Christus bekannt hat. Der Hinweis des Klappentextes vom Fontis Verlag auf eine „packende Biografie“ ist in dieser Hinsicht zumindest etwas unglücklich formuliert.
Zum Zweiten greift der Autor, neben bekannten Werken, auf zum Teil neu erschlossene Texte zurück, die, so Feinendegen, in der Forschung bislang nur wenig Beachtung gefunden haben. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einem ersten (missratenen) Versuch von Lewis aus den Jahren 1930/31, seinen Glaubensweg in poetischer Form nachzuzeichnen. Dieser Text, vom Nachlassverwalter Walter Hooper Early Prose Joy betitelt, entstand nach der Anerkennung eines personalen Gottes durch Lewis, aber vor seiner Annahme des Christentums und der damit verbundenen Anerkennung Jesu Christi als dem menschgewordenen Gott. In der Analyse geht es Feinendegen dabei aber nicht nur um eine umfassende Darstellung des Weges bis zur Bekehrung von Lewis; ihm liegt mit der vorgelegten Arbeit auch daran, am Lebensweg des Gelehrten exemplarisch zu zeigen, „was es heißt, sich [heute] als Mensch auf die Frage nach Gott einzulassen“ (S. 9).
Die Erfahrung von Joy
Der rote Faden, der sich durch die verschiedenen Lebensabschnitte von C.S. Lewis zieht, ist die Erfahrung von dem, was er später Joy (dt. Freude) nennt. Daran orientiert sich auch Feinendegen, wenn er die Momente dieser Erfahrung zum zentralen Beobachtungsobjekt des Buches macht und sie in Relation zur jeweiligen Weltanschauung setzt, der Lewis zum entsprechenden Zeitpunkt nachfolgt. Aber worum genau handelt es sich bei Joy eigentlich?
Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten, handelt es sich doch um ein komplexes, zuweilen nur schwer fassbares Phänomen. Aber am besten trifft es die Beschreibung eines „Zusammenspiels“ aus „Sehnsucht und Freude“, gemischt mit einer Art von Trauer, das Gefühl eines „Herbstes“, ein unstillbares „Verlangen“ (S. 25), welches dem Betroffenen widerfährt. Mit sechs Jahren macht Lewis diese Erfahrung das erste Mal, indem er in Erinnerung an eine zurückliegende Situation einen seltsamen und zugleich schönen Stich erlebt. Es ist die Ebene der „Imagination“ und Vorstellungskraft, die hier durch die Ewigkeit bzw. das Göttliche angesprochen wird. Bis zu seiner Hinwendung zum Christentum wird diese Seite in der Person von Lewis im stetigen Widerstreit zu seinem streng rational auf die Welt sehenden Verstand stehen.
Denn es ist ein atheistischer Materialismus, dem Lewis sich nach dem Tod seiner Mutter und dem damit einhergehenden Verlust seines Kinderglaubens verschrieben hat. Es ist das erste Stadium, in dem der damals noch junge Lewis bewusst reflektiert, wie er sein Weltbild verortet. Feinendegen greift dieses und folgende Stadien auf und strukturiert das Buch entsprechend: Dem reinen Materialismus folgt ein etwas differenzierter, aber in der Folge immer noch atheistischer Realismus. Weitere Erfahrungen von Joy, das Lesen entsprechender Bücher (v.a. George MacDonald) und Diskussionen mit den Oxforder Kommilitonen führen aber dazu, dass diese Sichtweise zunehmend bröckelt. Lewis wird schließlich Idealist, der die sinnlich wahrnehmbaren Dinge als Ausdruck eines irgendwie gearteten göttlichen Geistes erklärt. Vor allem in der freundschaftlichen, aber mit harten Bandagen geführten Auseinandersetzung zwischen Lewis und Owen Barfield wird dieser göttliche Geist, von Lewis Spirit genannt, immer konkreter (Feinendegen nennt dies den „subjektiven Idealismus“), sodass er nach hartem inneren Kampf schließlich im Sommer 1930 seine Hinwendung zum Theismus bekennt. Etwa ein Jahr später wird er, maßgeblich auf ein nächtliches Gespräch mit J.R.R. Tolkien zurückzuführen, Christ.
Zu jeder dieser Phasen bohrt Feinendegen nach, steigt tief in die einschlägigen, zum Teil sehr philosophisch gehaltenen und schwer verständlichen Texte von Lewis ein. Er hinterfragt hier und da alte Bewertungen, differenziert feiner und schafft es so, ein stimmiges, für den Leser nachvollziehbares Bild bezüglich der Entwicklung des Glaubens von C.S. Lewis entstehen zu lassen. Am stärksten wird dieses in den Kapiteln deutlich, in denen es um das Durchdringen von Lewis, weg vom idealistischen Pantheismus hin zum personalen Gott geht. Das ist sicherlich auch die Lebensphase, in der Lewis am schwersten mit seinen eigenen Erkenntnissen und den daraus folgenden praktischen Konsequenzen hadert.
Der Autor begründet dies mit dem „Einmischen Gottes“, welches für Lewis das größte Hindernis darstellt. Durch seine eigene biographische Situation, vor allem durch eine unschöne Schulzeit und einen zuweilen tyrannischen Vater geprägt, empfindet Lewis das „Einmischen“ anderer Menschen oder gar eines Gottes in sein Leben als gewaltige Störung. Dies liegt auch darin begründet, dass Lewis nicht nur folgenlose Gedankenspiele betreibt, sondern sich bewusst und ernsthaft die Frage stellt, wie seine Weltanschauung sein Leben im Handeln prägt. So ist im Grunde die Entwicklung der einzelnen Stadien auch ein immer weiteres Zulassen eines handelnden, gebenden, aber auch fordernden Gottes. In diesem Kontext ist es auch besser zu verstehen, warum Lewis sich in der Retrospektive als der „widerwilligste Bekehrte Englands“ beschreibt. Am Ende aber wird er doch zum bekennenden Christen und einige Jahre später zu dem vielleicht wichtigsten Apologeten des 20. Jahrhunderts.
Wertvoll, aber für einen eingeschränkten Adressatenkreis
Für wen eignet sich das Buch? Vorweg, es ist ein stellenweise sehr komplexes, recht philosophisches Buch, das erfordert, sich bewusst auf das Thema einzulassen. Etwas, das, wenn man ehrlich ist, sicher nicht zwangsläufig für jeden Lewis-Interessierten vonnöten ist. Aber Feinendegen verspricht nicht zu viel, wenn er zu Beginn ankündigt, den „faszinierenden Weg vom überzeugten Atheisten zum gläubigen Christen in … Genauigkeit und Tiefe nachzuzeichnen“ (S. 9). Es ist damit kein Buch für den Erstkontakt mit C.S. Lewis, aber ein mehr als hochinteressantes Werk für den philosophisch mindestens Interessierten, der die genaueren Zusammenhänge ergründen möchte. Man hat förmlich das Gefühl, in die Gedankenwelt des Gelehrten hineingezogen zu werden. Es ist aber auch gut als apologetisch-seelsorgerliche Hilfe für philosophisch geschulte Zeitgenossen geeignet, für die die Frage nach Gott möglicherweise überhaupt erst wieder relevant werden muss.
Was grundsätzlich festzuhalten ist: Feinendegen schreibt gut und flüssig und macht das Lesen immer wieder zu einem Vergnügen! Unter anderem wird das deutlich, wenn er komplexe Sachverhalte herunterbricht und mit diversen Metaphern verständlicher macht. Das gelingt nicht immer gleich gut, was sicher auch der grundlegend diffizilen Thematik geschuldet ist, dennoch wird auch der weniger geschulte Leser aus diesem Grund seine erleuchtenden Momente haben. Am Ende des Buches wünscht man sich, Feinendegen würde mit der Lebensbeschreibung fortfahren, weil die Lektüre, trotz der herausfordernden Stellen, doch immer wieder erfrischend ist und die Art und Weise des Erzählens Freude bereitet.
Buch
Norbert Feinendegen: C.S. Lewis: Überrascht von Gott. Wie der große christliche Denker zum Glauben fand, Lüdenscheid: Fontis Verlag, 2023, 304 Seiten, ca. 19,90 EUR.