Mehr als Unterhaltung
Dieser Artikel ist, zusammen mit den beiden Artikeln „Eltern, delegiert die geistliche Erziehung nicht“ und „Kinder im Gottesdienst“, Teil einer kurzen Reihe zum Thema Kindergottesdienst.
Ich erinnere mich noch an meine erste Schulung für Kindermitarbeiter. Der Schulungsleiter erzählte, wie er beobachtete, dass viele Kindermitarbeiter zur Vorbereitung des Kindergottesdienstes stundenlang Pappe ausschneiden, Stifte anspitzen und Klebetuben auffüllen, aber nur einen Bruchteil der Zeit über die Bibelstelle nachsinnen, die sie behandeln möchten: „Was wollen wir für eine Geschichte erzählen? Ach, die Arche Noah. Die kenne ich auswendig, muss ich nicht nachlesen. Das erzähle ich ganz schnell und dann basteln wir einen Regenbogen und kleben Tiersticker auf. Das sollte 45 Minuten füllen. Fertig!“ Alle im Raum lachten. Natürlich war das ein wenig überspitzt dargestellt, aber dennoch fühlten wir uns auch alle etwas ertappt.
Eine Kinderstunde zu leiten, kann kräftezehrend sein. Nur selten sieht man, was dabei herauskommt – außer einem Haufen halb ausgemalter Bilder, Kekskrümel auf dem Boden und vielleicht etwas Kopfweh vom Lärmpegel, je nachdem wie groß und wild die Truppe ist. Zumindest ist das meine eigene Erfahrung als Kindermitarbeiterin.
Darum kann man sich tatsächlich manchmal fragen: Wofür machen wir das Ganze? Was erhoffen wir uns dadurch eigentlich genau?
Wofür gibt es den Kindergottesdienst?
Wie würdest du diese Frage beantworten, und was ist deiner Meinung nach das wichtigste Ziel einer Kinderstunde?
A) Dass die Eltern sich auf den Gemeindegottesdienst konzentrieren können.
B) Dass die Kinder gern in die Gemeinde gehen.
C) Dass die Kinder den Gott der Bibel kennenlernen und mit ihm leben.
Wie du diese Frage beantwortest, prägt mit großer Wahrscheinlich die ganze Gestaltung und den Ablauf des Kindergottesdienstes. Deine Antwort spiegelt sich vermutlich auch in dem gedanklichen und zeitlichen Aufwand bei der Vorbereitung wider.
„Im Kindergottesdienst geht es um viel mehr als Unterhaltung. Wir dürfen die Kinder in der Kinderstunde in eine direkte und lebenslange Beziehung mit dem Schöpfer des Universums bringen. Was für ein Riesenprivileg!“
Idealerweise ist der Zweck einer Kinderstunde wahrscheinlich eine Mischung aus A, B und C. Aber so gut A und B als untergeordnete Ziele auch sind, sollten sie immer C als das höchste Ziel im Fokus haben. Im Kindergottesdienst geht es um viel mehr als Unterhaltung. Wir dürfen die Kinder in der Kinderstunde in eine direkte und lebenslange Beziehung mit dem Schöpfer des Universums bringen. Was für ein Riesenprivileg!
Was das beinhaltet, möchte ich in drei Punkten näher beleuchten.
1. Der Ruf zum Glauben
Sollen wir auch Kinder schon zum Glauben an Jesus rufen? Können Kinder überhaupt schon „richtig glauben“? Ja und ja. In Lukas 18,16–17 sagt Jesus: „Lasst die Kinder zu mir kommen und wehrt ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird gar nicht hineinkommen!“ Jesus möchte, dass auch Kinder zu ihm kommen. Er liebt kindlichen Glauben und stellt ihn sogar als Vorzeige-Modell dafür hin, wie man generell „richtig“ glaubt.
Warum? Was meint er damit? Etwa dass Kinder weniger sündigen als Erwachsene? Nein, sondern Jesus liebt das einfältige Wesen der Kinder. Kleine Kinder suchen viel schneller nach einer Vertrauensperson, die ihnen hilft, und strecken sich nach einem Arm aus, der sie trägt. Sie sind sich ihrer Bedürftigkeit und Hilflosigkeit viel mehr bewusst als Erwachsene und nehmen jede Hilfe und jede Güte mit Freuden an. Sie wissen auch, dass sie nichts dafür leisten oder zurückgeben müssen bzw. können. Kleine Kinder verstehen Gnade oft viel besser als Erwachsene. Das lobt Jesus. Im geistlichen Sinne sollen wir nämlich alle so sein, auch als Erwachsene.
Nur derjenige, der sich seiner seelischen Bedürftigkeit und Verlorenheit bewusst ist, kann zu Jesus kommen und wird gerettet. Nur derjenige, der weiß, dass er sich nicht selbst retten und sich die Rettung nicht verdienen kann, begreift Gottes Gnade und nimmt sie mit Freuden an. Kinder und Erwachsene stehen vor Jesus auf gleicher Stufe. Natürlich brauchen beide dafür den Heiligen Geist, der diese Erkenntnis in ihnen bewirkt und wachsen lässt. Weil Gottes Geist das jedoch unabhängig von unserem Alter tun kann, dürfen und sollen wir schon kleinen Kindern von Jesus und allem, was er durch sein Leben, Sterben und Auferstehen für uns getan hat, erzählen. Ja, wir dürfen sie dazu aufrufen, ihm in allem vollkommen zu vertrauen und nachzufolgen.
Aber wie genau soll das geschehen? Damit komme ich zum zweiten Punkt, den wir betrachten wollen.
2. Der Fokus auf biblische Unterweisung
Wenn der Hauptpunkt der Kinderstunde sein soll, dass Kinder zum Glauben an Jesus Christus kommen und ihm ein Leben lang nachfolgen, dann geht das nicht ohne sein Wort. So schreibt Paulus an die Gemeinde in Rom:
„Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne einen Verkündiger? Demnach kommt der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort.“ (Röm 10,14.17)
Und auch an seinen Schüler Timotheus schreibt er:
„Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Belehrung, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes ganz zubereitet sei, zu jedem guten Werk völlig ausgerüstet.“ (2Tim 3,16–17)
Diese Verse gelten für Kinder wie für Erwachsene. Darum sollte unser Augenmerk beim Kindergottesdienst vorrangig darauf liegen, dass wir Gottes Wort treu verkünden und den Heiligen Geist dadurch wirken lassen. Schließlich kommen Menschen – auch Kinder – nur durch das Hören von Gottes Wort zum Glauben bzw. wachsen dadurch im Glauben. Gottes Geist arbeitet durch sein Wort in uns und den Kindern – oftmals vielleicht im Verborgenen, aber Gottes Wort kehrt nicht leer zurück.
„Unser Augenmerk sollte beim Kindergottesdienst vorrangig darauf liegen, dass wir Gottes Wort treu verkünden und den Heiligen Geist dadurch wirken lassen.“
Konkret bedeutet das, dass wir uns als Mitarbeiter Gedanken zum Lehrplan machen: Welche Bibelbücher und Inhalte behandeln wir wann und wie lange im Kindergottesdienst? Wie können die Kinder verstehen, wie die ganze Bibel zusammenhängt und auf Jesus hinweist? Wie lernen sie, der Bibel zu vertrauen und dort Antworten auf ihre Fragen zu finden? Wie können sie Gottes Wort in ihrem Leben umsetzen?
Nachdem wir diese Dinge durchdacht haben, ist es natürlich auch wichtig, alle Inhalte möglichst nach Alter und Aufnahmefähigkeit entsprechend aufzubereiten. Dazu lohnt es sich, nach guten Materialien zu suchen, die einem dabei helfen können. Und dann ist von bunten Bildern und Basteleien bis hin zu interaktiven Spielen, Liedern und Diskussionsfragen alles erlaubt. Es soll Spaß machen und spannend sein, Gottes Wort zu entdecken. Der Kreativität sollen keine Grenzen gesetzt sein. Ultimativ gilt jedoch: Halte den Fokus auf Gottes Wort.
3. Vorbereitung auf den Gemeindegottesdienst
Unsere Kinder werden älter, und irgendwann fängt ein neuer Lebensabschnitt für sie an. Der Übergang vom Kinder- zum Erwachsenengottesdienst ist nicht zu unterschätzen, zumal ich leider auch erlebt habe, wie manche Kinder gerade in dieser Phase aufhören, in die Gemeinde zu kommen.
Die Frage ist also, wie wir unsere Kinder darauf vorbereiten können, eines Tages am normalen Gemeindegottesdienst teilzunehmen, und zwar für den Rest ihres ganzen Lebens. Wie bereitet man die Kinder darauf vor, dass sie den eher frontalen Gottesdienst mit verschiedenen Generationen von Menschen schätzen, aufsuchen und verbindlich daran teilnehmen, möglichst sogar mitarbeiten werden, egal wo Gott sie im Laufe ihres Lebens noch hinführen wird?
Ich habe keine universale Lösung dafür. Jede Gemeinde ist anders und muss mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen lernen. Vielleicht sind ein paar Dinge generell hilfreich:
Kernelemente des Gemeindegottesdienstes kennenlernen
Je früher man Kinder mit etwas in Berührung bringt, desto eher gewöhnen sie sich daran. Diese Devise gilt auch für Gemeindegottesdienste. Daher ist es gut, dass Kinder schon von klein auf mit dem Ablauf und den wichtigsten Elementen eines Gottesdienstes vertraut werden. Singen, Beten und Gottes Wort hören – das sind drei Elemente, die wir auch schon mit den Allerjüngsten in der Kinderstunde lernen können. Auch das Finden und Mitlesen einer Bibelstelle kann man schon mit Schulkindern üben.
„Der Kindergottesdienst ist mehr als nur Unterhaltung oder Beschäftigung. Es geht dabei darum, die Kinder zum Glauben an Jesus Christus zu rufen, sie in Gottes Wort zu gründen und sie langfristig auf den Gemeindegottesdienst vorzubereiten.“
Die größte Herausforderung liegt wahrscheinlich darin, die Kinder Stück für Stück daran zu gewöhnen, für eine längere Zeit ruhig zu sitzen und einem Gottesdienst aufmerksam zu folgen. In manchen Gemeinden gibt es regelmäßig Familiengottesdienste, die speziell darauf ausgerichtet sind, dass Kinder und Erwachsene zusammen einen ganzen Gottesdienst erleben können. In anderen Gemeinden sitzen die Kinder immer für die ersten Minuten bis zur Predigt mit den Erwachsenen zusammen und lernen so den Gottesdienst und einige Elemente ein wenig kennen.
Wie oft oder wie lange auch immer man zusammen ist, gilt: Wenn Kinder mit im Gottesdienst sitzen, ist es wichtig, auch die Kids von vorn anzusprechen. Wenn sie bei der Predigt dabei sind, dann sollte der Prediger auch Inhalte und Anwendungen einbringen, die in die Welt der Kinder bzw. Jugendlichen passen. Sie sollen sich als Teil der Gemeinde bzw. Gottesdienstbesucher fühlen.
Kleine Dienste übernehmen
Auch ist es sinnvoll, die älteren Kinder mit kleinen Aufgaben in und um den Gottesdienst einzubeziehen, soweit sie dazu in der Lage sind. Sie könnten mithelfen, Liederblätter und Bibeln zu verteilen oder einen Beamer zu bedienen, Klorollen aufzufüllen, Kaffeegeschirr abzutrocknen oder bei der Musik mitzuspielen. Was auch immer man versucht, das Ziel soll sein, dass sie lernen, aktiv am Geschehen teilzunehmen und hoffentlich Freude daran zu entwickeln, Gott und anderen auf diese Weise zu dienen.
Den Wert von Gemeinde verstehen
Es ist gut, wenn Kinder früh lernen und erfahren, wie wertvoll die ganze Ortsgemeinde mit ihren unterschiedlichen Generationen für uns ist. Lasst uns immer wieder mit ihnen darüber reden, dass wir als Nachfolger Jesu nicht allein unterwegs sind, sondern andere um uns brauchen, die uns im Glauben helfen und ermutigen.
„Manche Dinge lassen sich viel besser vorleben als lehren, so auch die Liebe zur Gemeinde und zum Gottesdienst.“
Herzliche Beziehungen zu anderen Gemeindemitgliedern sind in diesem Zusammenhang natürlich essentiell. Dazu sind alle Erwachsenen in der Gemeinde aufgefordert. Sehen wir die Kinder und Teenager in unserer Gemeinde? Interessieren wir uns für sie? Wer prägt sie in dieser besonders sensiblen Übergangsphase am meisten? Wer betet für sie und ihr geistliches Leben? Hierzu möchte ich auch auf einen ausgezeichneten Artikel von Jonathan de Oliveira zum Thema „Gesunde Jugendarbeit“ hinweisen.
Eltern einbeziehen
Zuletzt noch ein Appell an Mitarbeiter und Eltern zugleich: Auch mit den allerbesten Konzepten zeigt die Erfahrung, dass der Übergang viel besser geht, wenn die Eltern der Kinder mitziehen. Manche Dinge lassen sich viel besser vorleben als lehren, so auch die Liebe zur Gemeinde und zum Gottesdienst. Lasst uns daher auch die Eltern immer wieder ermutigen, mit ihren Kindern über die Inhalte der Kinderstunde zu reden und nachzufragen. Lass uns die Eltern ermutigen, regelmäßig zur Gemeinde zu kommen, sich selbst verbindlich einzubringen und ihre Kinder in den Gottesdienst mitzunehmen. Ich glaube, dieser Lebensstil prägt die Kinder mehr, als wir vielleicht denken.
Zwei letzte Ermutigungen
Der Kindergottesdienst ist mehr als nur Unterhaltung oder Beschäftigung. Es geht dabei darum, die Kinder zum Glauben an Jesus Christus zu rufen, sie in Gottes Wort zu gründen und sie langfristig auf den Gemeindegottesdienst vorzubereiten. Es ist eine große Aufgabe, die oft nicht einfach ist. Nur wenige sehen Ergebnisse, nur wenige bekommen einen Dank für ihre Mühe.
Wenn du selbst keinen Kinderdienst machst, ermutige die Kindermitarbeiter deiner Gemeinde und bete regelmäßig für sie. Und wenn du selbst im Kinderdienst aktiv bist, sei dir gewiss, dass der Herr Jesus dich sieht und sich über deinen Dienst freut, denn er selbst liebt und ruft die Kinder durch dich zu sich. Du säst seine Samen, der Herr aber schenkt das Wachstum!