Wenn unsere Lieben dem Glauben den Rücken kehren

Artikel von Greg Morse
26. Juni 2023 — 9 Min Lesedauer

Es gibt Erinnerungen, die möchte man lieber vergessen. So kann ich an unsere wunderbaren Bibelstunden nur noch mit Bitterkeit zurückdenken. Gedanken an nächtliche Gespräche und Gebetszeiten streuen unerbittlich Salz in die Wunde. Sein Glaubensbekenntnis in der Gemeindeversammlung hallt mir immer noch im Ohr. Ich glaubte, Engel singen zu hören, als er Jesus sein Leben übergab. So lange hatten wir für seine Errettung gebetet. Und nun geht er nicht mehr mit Jesus.

Die Trauer über unechte Bekehrungen.

Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns. Denn wenn sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben“ (1Joh 2,19; Hervorh.d.Verf.). Sie. Für uns waren sie Freund, Ehepartner, Mutter, Sohn. Jeder von ihnen sang mit uns in der Gemeinde, bekannte sich zum Erlöser, sagte sich bei der Taufe von der Welt und von Satan los – aber nur für eine gewisse Zeit.

Unsere Gebete, dachten wir, wären endlich erhört worden. Ihre Seelen, dachten wir, wären endlich gerettet. Unsere Freude, dachten wir, war endlich vollkommen. Der verlorene Sohn kehrte nach Hause zurück – und ging wieder fort. Der Unterschied zwischen einer Komödie und einer Tragödie, sagen manche, liege darin, wo man den Punkt setzt. Ihr Glaube endete bestenfalls mit einem Semikolon – und dem schrecklichen Hauptsatz danach: „Sie sind von uns ausgegangen.“

Wie das Evangelium in einer Seele stirbt

In seinem Gleichnis vom Sämann erzählt Jesus die Tragödien unserer Töchter, unserer besten Freunde und unserer Eltern.

Das Gleichnis ist bekannt. Der Sämann streut die Saat auf vier unterschiedlichen Böden aus. Einiges fällt auf den Weg, wo der verhasste Vogel, Satan, das ausgesäte Wort stiehlt, bevor es verstanden werden kann. Das sind diejenigen, die das Evangelium als Torheit verwerfen und nie so tun, als würden sie glauben. Der vierte ist der gute, wahre Boden – der echte Christ, der Christus im Glauben aufnimmt und an ihm festhält. Der zweite und dritte Boden aber nimmt den Samen auf, er keimt, und Leben sprießt aus toter Erde. Halleluja! Bekenntnisse werden abgelegt, das Taufwasser gerät in Bewegung, sie brechen das Brot mit uns. Unsere Gebete, glauben wir, sind erhört worden. Aber die Saat des Evangeliums stirbt mit der Zeit. Ihr Glaube sinkt vor unseren Augen in den Schmutz zurück.

Jesus beschreibt in diesem Gleichnis zwei Arten, wie das Evangelium in der Seele stirbt.

Verbrannt in der Hitze des Lebens

Der erste unechte Boden ist felsig.

„Anderes fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte, und ging bald auf, weil es keine tiefe Erde hatte. Als aber die Sonne aufging, verwelkte es, und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es.“ (Mt 13,5–6)

Das Verwirrendste an diesem Boden ist, dass alles zunächst so wunderbar aussieht. Als die Menschen das Evangelium hören, widersprechen sie ihm nicht und stoßen sich nicht daran. Vielmehr nehmen sie es „mit Freuden“ (Mt 13,20) auf. Sie lächeln über die Botschaft Jesu und vergießen Tränen darüber, dass er an ihrer Stelle stirbt. Sie erheben ihre Hände und singen vom ewigen Leben und der wahren Freude mit Jesus.

Aber die Pflanze schießt schnell in die Höhe, weil der Boden darunter so dünn ist. Unwirtliches Gestein hindert die Wurzeln daran, in die Tiefe zu wachsen. Als die Sonne aufgeht, erleiden sie wegen ihres neuen Glaubens an Christus Bedrängnisse oder Verfolgung (vgl. Vers 21). Im Lauf der Kirchengeschichte (und auch heute noch vielerorts) ist es häufig passiert, dass Leben bedroht, Eigentum geplündert und Freunde verhaftet wurden. Im Westen heutzutage drohen die Freundinnen, mit den Gläubigen Schluss zu machen. Sie verlieren ihre Arbeit. Sie werden zum Gespött von Familie und Freunden.

Dann kommt eine Zeit der Prüfung und sie fallen ab. Sie haben das Wort mit Freude aufgenommen, aber als das Wetter umschlägt, machen sie sich auf den Heimweg, so wie Bunyans Romanfigur Gefügig. Glücklich verlässt Gefügig die Stadt des Verderbens, als Christ ihm all die Herrlichkeiten verspricht, die sie in der himmlischen Stadt erwarten. Doch schon bald geraten sie in den Sumpf der Verzagtheit.

„Ihr Hirte war es wert, dass sie ihm folgten, aber nur, wenn er sie zu grünen Weiden führte.“
 

Da wird Gefügig sehr aufgebracht und fragt seinen Reisegefährten ärgerlich: „Ist dies etwa die Glückseligkeit, von der du gesprochen hast? Wenn es schon am Anfang so schlimm ist – was haben wir dann am Ende unserer Reise zu erwarten?“ Er arbeitet sich aus dem Sumpf heraus und kehrt nach Hause zurück.

So ist es auch mit manchen geliebten Menschen. Sie explodieren wie ein Feuerwerk, um dann am Nachthimmel zu verpuffen. Ihre anfängliche Freude, wenn auch echt, erweist sich am Ende als oberflächlich. Das Evangelium hat nur flüchtige Gefühle ausgelöst, erreicht aber nicht das Herz. Ihr Gott ist es wert ihm zu dienen – aber nur bei schönem Wetter. Ihr Glaube ist es wert bekannt zu werden – aber nur, solange er sie wenig kostet. Ihr Hirte ist es wert, dass sie ihm folgen – aber nur, wenn er sie zu grünen Weiden führt. Und so geht die Sonne auf und versengt das Wort des Evangeliums, das dann in den Untiefen ihrer Seele begraben liegt.

Erdrückt von den Freuden des Lebens

„Anderes fiel unter die Dornen; und die Dornen wuchsen empor und erstickten’s.“ (Mt 13,7)

Hier zeigt sich, dass mehr als nur das Evangelium im Herzen aufwächst. Der Glaube bekommt Konkurrenz – Dornen machen sich breit.

„Der aber unter die Dornen gesät ist, das ist, der das Wort hört, und die Sorge der Welt und der trügerische Reichtum ersticken das Wort, und er bringt keine Frucht.“ (Mt 13,22)

Die Menschen sind zu beschäftigt. Sie beginnen eine neue Beziehung. Sie finden heraus, wie sie zu mehr Geld kommen können. Jesus und sein Dienst können doch noch ein wenig warten. Die Liebe zu dieser Welt und ihren Verlockungen, ihren Annehmlichkeiten, ihren dringenden Geschäften wird der unsichtbaren Welt vorgezogen. Diese starken Nebenbuhler bedrängen das Wort vom Kreuz, von der Vergebung der Sünden und vom ewigen Leben bei Gott und erdrücken es. Vielleicht wehren sie sich noch, als der Glaube immer schwächer wird – aber die Geschäftigkeit, diese Karriere, dieser Freund sind am Ende zu stark.

Wir sehen, wie diese Dornen sogar in den Herzen derjenigen wachsen, die sich am meisten für Christus und sein Werk in dieser Welt einzusetzen schienen. Das war auch die Tragödie von Demas. Paulus schreibt an die Gemeinde in Kolossä: „Es grüßt euch Lukas, der Arzt, der Geliebte, und Demas“ (Kol 4,14; Hervorh.d.Verf.). Paulus nennt ihn in seinem Brief an Philemon seinen „Mitarbeiter“ (Vers 24). Und doch erweist er sich am Ende als dorniger Boden. „Denn Demas“, schreibt Paulus am Ende seines Lebens an Timotheus, „hat mich verlassen und diese Welt lieb gewonnen und ist nach Thessalonich gezogen“ (2Tim 4,10; Hervorh.d.Verf.).

Sie haben diese Welt lieb gewonnen, und so verlassen sie uns und Christus – dorniger Boden.

Der Kern der Sache

Die Böden stehen für verschiedene Arten von Herzen. In manchen felsigen Herzen stirbt der Same des Evangeliums, weil er nur oberflächlich aufgenommen wird. In dornigen Herzen stirbt er, weil er von der Liebe zur Welt und ihren Sorgen erdrückt wird. Im Lukasevangelium erfahren wir, wie der gute Boden beschaffen ist:

„Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.“ (Lk 8,15)

Guter Boden hält die Saat des Evangeliums fest und weigert sich, sie verloren gehen zu lassen, wenn Verfolgung droht. Guter Boden weist bedrängende Nebenbuhler ab zugunsten einer reinen und schönen Hingabe an Jesus. Guter Boden trägt Früchte mit Geduld. Guter Boden steht für ein feines, gutes Herz – ein Herz, das uns vor langer Zeit verheißen wurde:

„Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun.“ (Hes 36,26–27)

Das Herz des neuen Bundes, das von seiner felsigen Natur befreit und von Nebenbuhlern gereinigt ist – dieses Herz erträgt Prüfungen und Trübsal und widersteht der Versuchung und den Gütern der Welt, unterstützt und gestärkt durch Gottes innewohnenden Geist. Der gute Boden bringt gute Frucht und trägt dreißigfach, sechzigfach und hundertfach (vgl. Mt 13,23).

Ein Gebet

Vater, uns stehen Tränen in den Augen, wenn wir an die denken, deren Glaubensabfall wir kaum ertragen können. Welche Hoffnung bleibt uns?

„Benutze uns, um sie von ihrer Irrfahrt zurückzuholen.“
 

Du allein weißt, dass es für einige zu spät ist, um sie zur Umkehr zu bewegen. Sie können nicht mehr wiederhergestellt werden, denn sie sind erleuchtet worden, haben die himmlische Gabe geschmeckt, hatten Anteil am Heiligen Geist und haben dein gutes Wort gekostet (vgl. Hebr 6,4–6). Wir lieben deinen Sohn und wollen nicht, dass er „abermals gekreuzigt“ oder der Verachtung preisgegeben wird. Und doch kannst du ihre Wiederherstellung zulassen (vgl. Hebr 6,3). Lass uns auf Besseres hoffen – dass du mit unseren Lieben noch nicht fertig bist.

Hilf uns, dass diejenigen, die von der Wahrheit abgewichen sind, zurückkehren können. Benutze uns, um sie von ihrer Irrfahrt zurückzuholen. Benutze uns, um ihre Seelen vor dem Tod zu retten und eine Vielzahl von Sünden zu bedecken (vgl. Jak 5,19–20). Lass uns ihnen diese Verheißung zusprechen: „Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zum HERRN, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung“ (Jes 55,7; Hervorh.d.Verf.). Deine Gnade ist anders als unsere Gnade. Du verzeihst uns immer noch reichlich, und darauf hoffen wir.

Und gewähre uns, dass wir aufeinander achten und füreinander beten, damit wir nicht auch fallen. Lass uns aufpassen, dass nicht in einem von uns ein böses, ungläubiges Herz ist, das uns vom lebendigen Gott abfallen lässt. Lass uns einander jeden Tag ermahnen, solange es „heute“ heißt, damit keiner von uns durch den Betrug der Sünde verstockt wird (vgl. Hebr 3,12–13). Bewahre uns in deiner Liebe. Setze gerne den Punkt – über sie und uns – nach den Worten: „Geh hinein zu deines Herrn Freude!“