Beten mit Psalm 51
Die Worte Davids in Psalm 51 dienen Gottes Volk schon seit Langem als Vorbild dafür, wie man beten kann, wenn man von seinen abscheulichen Verfehlungen gegen den heiligen Gott überwältigt wird. Zugegebenermaßen mag der Psalm mit seiner Sprache von „Ysop“, „Blutschuld“ und „Brandopfern“ (ganz zu schweigen von Davids offensichtlicher Behauptung, dass Gott der Einzige ist, dem Schuld zugetragen wurde) Illustrationen darstellen, die Gottes neuem Bundesvolk nicht vertraut sind. Nichtsdestotrotz ist Psalm 51 ein wunderbarer Leitfaden für Bußgebete. Der Zweck dieses Artikels ist es, zu zeigen, wie er unsere eigene Umkehr leiten kann.[1]
1. Bitte um Vergebung
„Sei mir gnädig“, „Wasche mich rein“, „Reinige mich“, „Tilge“ (vgl. Ps 51,1–11)
Unser größtes Bedürfnis ist Gott, unser größtes Problem ist unsere Sünde, und unsere einzige Lösung ist Gottes Vergebung. Wenn wir sündigen, hilft es uns nicht, die Sünde zu vertuschen, zu rationalisieren oder uns einfach besser zu fühlen – wir müssen sie loswerden. Wir brauchen Vergebung. Und Gott vergibt denen, die demütig zu ihm kommen, um ihre Sünden zu bekennen und um Vergebung zu bitten. Aber wir müssen zutiefst betroffen sein, wenn wir Barmherzigkeit suchen wollen. Johannes Calvin sagt: „Dann also ist’s uns Ernst mit der Bitte um Vergebung unsrer Sünden, wenn wir unter dem Eindruck der Größe unsrer Vergehen vor Schrecken erzittern.“[2]
„Gott vergibt denen, die demütig zu ihm kommen, um ihre Sünden zu bekennen und um Vergebung zu bitten. Aber wir müssen zutiefst betroffen sein, wenn wir Barmherzigkeit suchen wollen.“
Wir müssen unsere Sünden kennen und schnell umkehren, wenn der Geist unser Gewissen durchbohrt. Dann beten wir um Vergebung, nicht weil Gott es ablehnt, sie anzubieten, sondern weil wir uns bewusst sind, dass wir völlig von Gottes Barmherzigkeit abhängig sind. Wir leisten keine Beichte. Wir geißeln uns nicht selbst, um für unsere eigene Sünde zu büßen. Wir vertuschen auch unsere Sünde nicht. Wie David legen wir unsere Sünde offen und verlassen uns auf Gottes Verheißung, seinem Volk zu vergeben. Wenn wir traurig sind, wünschen wir uns vielleicht eine Zeitmaschine. Wenn wir doch nur in der Zeit zurückreisen könnten, um ungeschehen zu machen, was wir getan haben. Lieber Christ, uns wurde etwas Besseres gegeben. Wir haben eine sichere Verheißung, wie David von Nathan, dass der Herr „[unsere] Sünde hinweggenommen“ (2Sam 12,13) hat. Nenn also deine Sünde beim Namen, bekenne sie und bitte um Gnade.
2. Bete für Erneuerung
„Gib mir von Neuem“, „Verwirf mich nicht“, „Gib mir wieder die Freude“ (vgl. Ps 51,12–14)
Nachdem David um Vergebung gebeten hat, bittet er nun um Erneuerung. Wahre Umkehr sucht nach Vergebung und Erneuerung, Veränderung und Wiederherstellung. Unaufrichtige Heuchler bitten um Vergebung für die Sünden, in die sie zurückzugehen beabsichtigen. Bußfertige Sünder suchen Vergebung und Erneuerung, um Gott zu gefallen und weil sie sich der großen Gnade, die sein Heil begleitet, bewusst sind. David suchte die Erneuerung dessen, was er durch seine Sünde verloren hatte: ein reines Herz, einen standhaften und willigen Geist, Gottes Gegenwart und den Geist der Gnade und Freude.
„Wahre Umkehr sucht nach Vergebung und Erneuerung, Veränderung und Wiederherstellung.“
Die Sünde ist deshalb so schrecklich und traurig, weil sie Gott betrübt. Wenn wir sündigen und um Vergebung bitten, tun wir gut daran, Davids Gebete für Erneuerung und Wiederherstellung dieser Gnade zu erwägen. Bitte darum, dass Gott dich bereit macht, ihm zu gehorchen, dass er dir ein reines, rechtschaffenes Herz schenkt, dass er deine Freude am Heil Gottes erneuert und dass er dich an seine ewige Gegenwart erinnert.
3. Bete für Gehorsam und bring geistliche Opfer dar
„Ich will“, „Zerbrochener Geist“, „Zerschlagenes Herz“ (vgl. Ps 51,15–19)
Die Erneuerung dieser Gnade bewirkt eine neue Entschlossenheit und ein Streben nach neuem Gehorsam (siehe Kürzerer Westminster Katechismus 87). Uns wurde vergeben und durch die Erneuerung können wir wieder neu gehorchen. Da David die Vergebung und Erneuerung, die er suchte, gefunden hat, bringt er nun seine Dankbarkeit in Form einer Verkündigung zum Ausdruck. Er verkündet den anderen die frohe Botschaft von der Gnade Gottes, die er selbst so reichlich erfahren hat. Calvin merkt an:
„Erhört ihn Gott, so will ihm David danken. Und seine Dankbarkeit soll darin bestehen, dass er sich bemühen will, andere durch seine Erfahrungen zu ermutigen. Es ist nicht bloß ein Gebot der Liebe, dass Menschen, welchen Gott aufgeholfen hat, andern die Hand zur Hilfe reichen, sondern auch die Frömmigkeit und der Eifer für die Ehre des Herrn muss sie dazu treiben, möglichst alle zum Genuss derselben Gnade zu führen, soweit das in ihrer Macht steht.“[3]
Der König beschließt auch, den Herrn zu loben (vgl. Ps 51,16–17). Schließlich bietet er geistliche statt tierischer Opfer an. Dies mag seltsam erscheinen, da Gott das Opfersystem als Vorkehrung für die Sünde eingeführt hatte. David verstand jedoch, was viele Juden nicht verstanden. Viele unter dem Gesetz versuchten, Gottes Vergebung und Errettung zu erlangen, indem sie eine Bezahlung in Form eines Tieropfers auf dem Altar darbrachten. David war sich darüber im Klaren, dass er dem Herrn nichts bringen konnte, was ihm Vergebung verschaffen könnte, und dass er völlig auf die Barmherzigkeit und die versprochene Sühne des Herrn angewiesen blieb.[4]
„Du darfst wissen: Gott verachtet einen zerbrochenen Geist und ein zerschlagenes Herz nicht.Er freut sich darüber.“
Ein gebrochenes Herz zu besitzen, bedeutet laut John Bunyan, dass es „gelähmt und unfähig ist und weggenommen wird, wie auch Gottes Zorn wegen der Sünde weggenommen wurde“. Ein zerschlagener Geist ist bußfertig, „zutiefst bekümmert und betrübt über die Sünden, die er gegen Gott begangen hat, und zum Schaden seiner Seele“.[5] Ein gebrochener und zerschlagener Geist spiegelt also eine demütige, betrübte und erwartungsvolle Haltung wider. Du darfst wissen: Gott verachtet einen zerbrochenen Geist und ein zerschlagenes Herz nicht (vgl. Ps 51,19). Er freut sich darüber. Wenn wir diese Haltung einnehmen, erkennen wir unsere Abhängigkeit von der absoluten Vorsorge des Herrn für unsere Sünde (egal wie schwer) – das Sühnewerk des Herrn Jesus Christus – an. Erneuere deinen Gehorsam gegenüber dem Herrn und opfere ihm dein Herz.
4. Bete für Gottes Volk
„Tue wohl“, „Baue“ (vgl. Ps 51,20–21)
Bisher hat David für sich selbst gebetet – um Vergebung, Erneuerung und die Entschlossenheit, dankbar und mit einem zerschlagenen Herzen gehorsam zu leben. In Vers 18 ändert David seinen Fokus, um im Namen des Volkes Gottes zu beten. Das mag zunächst vielleicht als eine seltsame Schlussfolgerung für ein Bußgebet erscheinen. Davids Bitte für Zion ist zwar einzigartig, denn er war der königliche Statthalter Gottes in Israel. Als König war er für die Fürsorge und den Schutz des Volkes Gottes verantwortlich. Seine Sünde brachte Gericht und Ärger über das Volk Israel auf eine Weise, wie es die Sünden anderer nicht taten.[6] Dennoch trifft dies auch auf uns zu, wenn auch in geringerem Maße. Unsere Sünde bringt ebenfalls Unruhe in die Gemeinde. Wenn unsere Sünden andere verletzt haben, beten wir für diese Menschen (und bekennen ihnen manchmal unsere Schuld). Und da wir den Schmerz und die Trauer kennen, die wir empfinden, bitten wir für sie und ermutigen sie, damit sie nicht in dieselbe Falle tappen. Ferner vertrauen wir die Sorge der Gemeinde ihrem Haupt, dem Herrn Jesus Christus, an. Wir können die Gemeinde durch unsere Sünde weder zerstören, noch können wir sie in unseren eigenen Bemühungen aufbauen und wachsen lassen. Im Vertrauen auf Christus, der seine Gemeinde baut und bewahrt, sollten unsere Gebete der Buße die Gemeinde vor Augen haben. Obwohl einige Sünden privat sind, sündigen wir nie wirklich in Abschottung. Wir sind Glieder eines Leibes (vgl. Gal 3,26). Daher beten wir, dass der Herr unsere Sünde zerstört, sein Volk bewahrt, seine Gemeinde aufbaut und seine Wege gedeihen lässt.
Davids Kummer über seine Sünde ging mit seinem Vertrauen einher, dass der Herr Freude daran hat, seinem gebrochenen und zerschlagenen Volk Barmherzigkeit zu erweisen. Wenn du von deiner Sünde überwältigt bist, bitte um Vergebung und Erneuerung, entscheide dich, in neuem Gehorsam zu wandeln, und bete für andere, damit sie nicht sündigen. Am wichtigsten ist es, unsere Augen auf den König zu richten, der gekommen ist, um uns weißer als Schnee zu machen, wie David es tat, als er sich auf das vollständige und endgültige Sühneopfer freute, das der Herr bereitstellen würde. Und so erheben wir uns von unseren bußfertigen Knien und gehen als diejenigen voran, denen versichert ist, dass der Herr unsere „Sünden hinweggenommen“ (2Sam 12,13) hat „so fern der Osten ist vom Westen“ (Ps 103,12).
1Natürlich gibt es zahlreiche andere Psalmen, die als Vorbilder für Bußgebete dienen können. Zur Bedeutung des Psalmengebets und für eine gründliche Anleitung zum Beten der Psalmen innerhalb ihrer kanonischen Struktur siehe Gordon Wenham, The Psalter Reclaimed: Praying and Praising with the Psalms, Wheaton: Crossway, 2013).
2 Immanuel Menges, Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift in deutscher Übersetzung. 4. Band. Die Psalmen. 1. Hälfte, Neukirchen: Verlag der Buchhandlung des Erziehungsvereins, Kommentar zu V.3.
3 Menges, Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift, Kommentar zu V.13.
4 R.C. Sproul, Following Christ, Wheaton: Tyndale House, 1996.
„Hier enthüllen die tiefen Gedanken Davids sein Verständnis von dem, was viele Menschen im Alten Testament nicht begriffen haben – dass die Opfergabe im Tempel für den Sünder keinen Verdienst hatte. Opfer wiesen über sich hinaus auf das vollkommene Opfer hin. Die vollkommene Sühne bot das vollkommene, makellose Lamm. Das Blut von Stieren und Ziegen nimmt die Sünde nicht weg. Das Blut von Jesus schon. Um vom Sühneopfer Christi Gebrauch zu machen und die Hinwegnahme unserer Sünde zu erlangen, müssen wir in Zerbrochenheit und Reue vor Gott kommen. Die wahren Opfer Gottes sind ein zerbrochener Geist und ein zerschlagenes Herz.“
5 John Bunyan, The Acceptable Sacrifice, Bellingham: Logos, 2006, 1:69.
6 Menges, Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift, Kommentar zu V.20.
Calvin bemerkt die Einzigartigkeit von Davids empfundener Pflicht: „Denn der König hatte Kraft seiner Salbung den Auftrag, Gottes Gemeinde zu sammeln. David hatte aber durch seinen schändlichen Fall dieser Gemeinde Ärgernis bereitet, so dass sie der Vernichtung verfallen schien. Obwohl er also durch seine Schuld Gottes Gemeinde verstört hatte, so bittet er doch, dass Gottes Erbarmen sie wieder aufbauen möge.“