Theologie in der Gemeindepraxis
Das Leben eines Christen ist gekennzeichnet durch die Spannung zwischen dem „schon jetzt“ und dem „noch nicht“. Das war die Grundthese von Thomas Schreiners Vortrag am Samstagvormittag der E21-Regionalkonferenz Mitte in Wetzlar. Der amerikanische Neutestamentler, Professor am Southern Baptist Theological Seminary in Kentucky, zeigte vor den rund 200 Konferenzteilnehmern auf, wie sich diese theologische Grundwahrheit in unserem Leben als Christen widerspiegelt. Einerseits haben wir als Christen den alten Menschen bereits abgelegt, andererseits werden wir aufgefordert, ihn fortwährend abzulegen; einerseits sind wir bereits jetzt von der Sünde erlöst, andererseits finden wir uns immer noch im Kampf mit der Sünde wieder; einerseits sind wir errettet, andererseits warten wir in unserem sterblichen Leib noch auf die endgültige Errettung. Diese Spannung müsse sich auch in unseren Predigten widerspiegeln, indem die Aufforderungen und Ermahnungen (Imperative) in die Wahrheiten und Segnungen, die uns bereits jetzt gegeben worden sind (Indikative), eingebettet werden.

Einheit im Evangelium trotz Unterschiedlichkeit
Neben Tom Schreiners Vorträgen prägten einige weitere Vorträge deutschsprachiger Theologen zum Thema „Theologie für die Gemeinde“ die Konferenz, die vom 2. bis 3. Juni stattfand. Daniel Knoll, Pastor der gastgebenden Immanuel-Gemeinde Wetzlar, ging in seinem Vortrag anhand von 1. Timotheus 1,1–17 auf die Frage ein, wie wir die Einheit in der Gemeinde trotz unterschiedlicher Meinungen bewahren können. Grundlage für die Einheit sei dabei das Evangelium. Deshalb müsse das Evangelium für jeden Leiter einer Gemeinde im Zentrum seiner Arbeit stehen. Dieses Evangelium müsse bewahrt werden, damit echte Einheit in der Gemeinde möglich ist. Dabei unterschied Knoll zwischen erstrangigen, für das Evangelium zentralen Fragen (wie der Gottheit Jesu) und weniger zentralen Punkten, bei denen man genau differenzieren müsse, ob dadurch die Einheit der Gemeinde gefährdet werden dürfe. Häufig führten dritt- oder viertrangige Fragen zu Streit innerhalb von Gemeinden. Diese seien es aber nicht wert, die Einheit einer Gemeinde aufs Spiel zu setzen. Das Evangelium sei auch hier das Heilmittel, das uns befähigt, trotz unterschiedlicher Meinungen vereint durch die Liebe zum Evangelium miteinander zu leben und zu dienen.


Impulse aus der Pastoren-Praxis
Am Freitag fand bereits eine Präkonferenz für (angehende) Pastoren und leitende Gemeindemitarbeiter statt. Dort konnten sich die Teilnehmer über zahlreiche Impulse aus der und für die Gemeindepraxis freuen. Helge Stadelmann, langjähriger Rektor der Freien Theologischen Hochschule Gießen, sprach aus der Doppelperspektive des Theologen und Pastors über die Spannung zwischen Theologie und ihrer Anwendung in der Predigt. Sein Schwerpunkt lag dabei auf der Predigtvorbereitung. Er betonte, wie wichtig es sei, als Prediger über die Woche mit dem Wort der Schrift „schwanger zu gehen“. In einem weiteren Vortrag ging Emil Grundmann, Pastor der jungen Nordstern-Kirche Frankfurt, auf sieben Gefahren für einen Gemeindeleiter ein, die er selbst aus der Gemeindegründungsarbeit kennt. Eine besondere Gefahr bestehe darin, dass wir die Gemeindearbeit zu unserer Arbeit machten. Gemeinde sei aber keine „One-Man-Show“, sondern Gottes Sache, die immer von einem Mitarbeiterteam vorangetrieben würde. Deswegen sei es essentiell, treue Mitarbeiter zuzurüsten und Beziehungen zu Pastorenfreunden zu pflegen. Die zahlreichen Impulse aus der Praxis dürften eine große Bereicherung für die anwesenden Gemeindemitarbeiter gewesen sein.
Weitere Konferenzen
Die E21-Regionalkonferenz Mitte fand in diesem Jahr zum ersten Mal in Wetzlar statt. Sie ist eine von mehreren Regionalkonferenzen, die von Evangelium21 jährlich durchgeführt werden. Im laufenden Jahr 2023 sind noch weitere Konferenzen geplant: eine im Südwesten Deutschlands, eine erste Regionalkonferenz in Österreich und eine Frauenkonferenz in München. Ein zentrales Ziel der Konferenzen ist die Vernetzung von Christen im deutschsprachigen Raum, welche ein uneingeschränktes Vertrauen in die Bibel als Wort Gottes haben und sich mit den wiederentdeckten Wahrheiten der Reformation identifizieren. Die Vorträge der Regionalkonferenz Mitte, die freundlicherweise von Mitarbeitern der Immanuel-Gemeinde aufgenommen wurden, können über die Mediathek, den E21-Podcast oder bei Youtube nachgehört werden.