„Nehmt Anteil an den Nöten der Heiligen“
„Warum dauert das so lange?“, jammerte mein fünfjähriges Kind, ging ins Wohnzimmer und ließ sich in einen Sessel sinken. Meine Frau antwortete vom Herd: „Wenn du möchtest, dass das Abendessen schneller fertig ist, dann kannst du helfen: Du kannst den Tisch decken, die Gläser mit Wasser füllen oder deinen kleinen Schwestern dabei helfen, sich die Hände zu waschen.“ Jüngere Kinder erwarten oft, dass die Dinge gemäß ihrem Zeitplan und ihren Wünschen gemacht werden. Wenn sie nicht so bedient werden, wie sie es sich wünschen, werden sie wütend.
Traurigerweise benehmen sich Christen manchmal wie kleine Kinder. Sie erwarten, dass Dinge für sie getan werden, anstatt nach Möglichkeiten zu suchen, ihrer Gemeindefamilie zu dienen. Wenn die Lieder nicht ihrem Musikgeschmack entsprechen, die Predigt sie nicht aufbaut oder die Gemeinschaft sie nicht ermutigt, werden sie ausgesprochen kritisch und gehen irgendwann weg.
Versteh mich bitte nicht falsch: Eine Gemeinde sollte ihre Mitglieder aufbauen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie dafür da ist, um dem Königreich des Egos zu dienen. Anstatt wie „geistliche Konsumenten“ zu denken, sollten Gemeindemitglieder wie „geistliche Mitarbeiter“ denken. Ich vermute, dass es, wenn sich jeder Christ eher als Mitarbeiter und nicht als Konsument sehen würde, weniger geistliche Wutanfälle und mehr ermutigende Familienzusammenkünfte geben würde.
Gottes Wort sagt uns: „Nehmt Anteil an den Nöten der Heiligen“ (Röm 12,13).
„Anteil nehmen“ bedeutet mehr als geben, aber nicht weniger als geben
Das Wort „Anteil nehmen“ bedeutet mehr, als einfach Geld zu geben. In seinem Kommentar zu Römer 12,13 erklärt Martyn Lloyd-Jones:
„Paulus sagt, dass man nicht nur für die Notwendigkeiten der Heiligen sorgt, sondern dass man in Gemeinschaft mit ihnen tritt. Man wird zu ihrem Partner. Man teilt etwas mit ihnen. Anders ausgedrückt: Man muss spüren, dass ihre Last die eigene Last ist, dass man mit ihnen in Not ist und dass man es wirklich selbst fühlt. Man ist in ihrer Notlage in eine Art Partnerschaft mit ihnen getreten.“[1]
Weil wir Christen zueinander gehören (vgl. Röm 12,4–5), helfen wir einander, denn „wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit“ (1Kor 12,26). Paulus plädiert nicht für allgemeine Menschenliebe, sondern ermahnt Christen dazu, etwas mit den Heiligen zu teilen. Die „Heiligen“ sind jene, die von Gott abgesondert und durch seine wunderbare, verwandelnde Gnade in Christus gerettet worden sind (vgl. Röm 12,1–2).
„Weil wir Gott und einander gehören, zeigen wir unsere Liebe und Zugehörigkeit, indem wir Anteil nehmen an unseren Glaubensgeschwistern, wenn sie in Not sind.“
Paulus ermutigt die Gläubigen, sie sollen „an allen Gutes tun, besonders aber an den Hausgenossen des Glaubens“ (Gal 6,10). Ein spürbarer Ausdruck unserer Liebe zu Christus ist unsere Liebe zu Mitgläubigen, die in Not sind (vgl. 1Joh 3,16–17). Amy Carmichael, die berühmte christliche Missionarin in Indien, sagte einmal: „Man kann geben, ohne zu lieben. Aber man kann nicht lieben, ohne zu geben.“ Weil wir Gott und einander gehören, zeigen wir unsere Liebe und Zugehörigkeit, indem wir Anteil nehmen an unseren Glaubensgeschwistern, wenn sie in Not sind.
Das Beispiel der frühen Gemeinde
Die frühe Gemeinde in Jerusalem war ein Vorbild in dieser Tugend. Im ersten Jahrhundert wurden viele Christen wegen ihres Glaubens aus ihren Familien ausgeschlossen und von religiösen und säkularen Autoritäten verfolgt. Oft fehlte ihnen das Lebensnotwendige wie Nahrung, Kleidung und ein Dach über dem Kopf. Die Gemeinde wurde also zu ihrer neuen Familie und stillte ihre Grundbedürfnisse.
Die Christen verkauften damals nicht nur ihre Besitztümer, sondern verteilten die Erlöse an alle, so wie jemand bedürftig war (vgl. Apg 2,45). Sie „hatten alles gemeinsam“ und teilten ihre persönlichen Besitztümer, weil sie „ein besseres und bleibendes Gut in den Himmeln“ besaßen (Hebr 10,34). Lukas teilt uns mit: „Es litt auch niemand unter ihnen Mangel; denn die, welche Besitzer von Äckern oder Häusern waren, verkauften sie und brachten den Erlös des Verkauften und legten ihn den Aposteln zu Füßen; und man teilte jedem aus, so wie jemand bedürftig war“ (Apg 4,34–35).
Diese frühen Gemeindemitglieder hatten Mitgefühl mit ihren Glaubensgeschwistern. Sie „waren angesehen bei dem ganzen Volk“ und Gott tat „täglich hinzu, die gerettet wurden“ (Apg 2,47). Die Großzügigkeit der Gemeinde wurde zu einem kraftvollen evangelistischen Zeugnis.
Die Bedürfnisse der Glaubensfamilie stillen
Anteilnahme an den Bedürfnissen der Heiligen bedeutet mehr, als einfach sporadisch am Sonntag oder monatlich etwas zu spenden. Was sind also einige praktische Möglichkeiten, wie man an den Bedürfnissen der Heiligen Anteil nehmen kann?
1. Schließe dich einer Ortsgemeinde an
Anteilnahme an den Bedürfnissen der Heiligen ist sehr viel schwerer, wenn du ein anonymer Christ bist. Du musst dich einer gesunden Ortsgemeinde anschließen, in der das Evangelium gepredigt und die Sakramente ordnungsgemäß ausgeteilt werden. Indem du Teil einer Ortsgemeinde bist, verpflichtest du dich selbst, echte Menschen zu lieben, die nicht so sind wie du und die du andernfalls niemals kennengelernt hättest.
2. Verpflichte dich, regelmäßig zum Gottesdienst zu gehen
Anteilnahme an den Bedürfnissen der Heiligen, die du nicht kennst und nie siehst, ist unmöglich. Ein Grund unter vielen dafür, um sich regelmäßig als Gemeinde zu versammeln: Man wird zu konkreten Möglichkeiten angespornt, andere durch gute Werke zu lieben (vgl. Hebr 10,24–25).
„Je mehr du involviert bist, desto mehr Gelegenheiten wirst du entdecken, dein Leben zu teilen und echte Bedürfnisse zu stillen.“
Verpflichte dich also, die Versammlungen deiner Gemeinde am Sonntag zu besuchen. Verpflichte dich zum Besuch von Mitgliederversammlungen, Gebetstreffen, Bibelstunden und Hauskreistreffen. Je mehr du involviert bist, desto mehr Gelegenheiten wirst du entdecken, dein Leben zu teilen und echte Bedürfnisse zu stillen.
3. Bete für die Mitglieder deiner Gemeinde
Wenn du treu die Versammlungen deiner Gemeinde besuchst, dann wird dir der Herr Gelegenheiten zeigen, für Menschen zu beten. Du wirst von ihren Lasten und Gebetsanliegen erfahren. Wenn eine Gemeinde eine Mitgliederliste hat, dann bete regelmäßig und systematisch für deine Geschwister.
4. Sei treu in deinem Beruf
In Epheser 4,28 steht: „Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern bemühe sich vielmehr, mit den Händen etwas Gutes zu erarbeiten, damit er dem Bedürftigen etwas zu geben habe.“ Wir haben eine Arbeitsstelle und arbeiten hart, damit wir den anderen nicht zur Last fallen, sondern sie mit unseren Mitteln segnen können.
5. Teile deine Bedürfnisse mit
Es wird Zeiten geben, in denen du in Not bist. Deine Glaubensgeschwister können dir nicht helfen, wenn sie deine Bedürfnisse nicht kennen. Gott hat sich die Gemeinde ausgedacht, damit ihre Mitglieder einander die Lasten tragen (vgl. Gal 6,2).
6. Mache es dir zur Priorität, deiner Gemeinde zu spenden
Lege freiwillig etwas von deinem Einkommen zur Seite für deine Gemeinde. Gib treu, verhältnismäßig, fröhlich, großzügig und opferbereit (vgl. 1Kor 16,2; 2Kor 8,1–5.12; 9,6–7).
Die Deckung des Bedarfs der anderen
Was geschieht, wenn Gemeindemitglieder den Anweisungen des Paulus gehorchen, an den Bedürfnissen der Heiligen Anteil zu nehmen? Paulus sagt: „Denn die Besorgung dieses Dienstes füllt nicht nur den Mangel der Heiligen aus, sondern ist auch überreich durch die vielen Dankgebete zu Gott, indem sie durch den Beweis dieses Dienstes zum Lob Gottes veranlasst werden für den Gehorsam eures Bekenntnisses zum Evangelium von Christus und für die Freigebigkeit der Unterstützung für sie und für alle“ (2Kor 9,12–13).
„Wenn Bedürfnisse gestillt werden, wächst die Dankbarkeit, Gehorsam wird sichtbar, die Gemeinde wird erbaut und Gott wird verherrlicht!“
Anders ausgedrückt: Wenn Bedürfnisse gestillt werden, wächst die Dankbarkeit, Gehorsam wird sichtbar, die Gemeinde wird erbaut und Gott wird verherrlicht!
Wenn du an den Bedürfnissen der Heiligen Anteil nimmst, dann sammelst du dir selbst eine gute Grundlage für die Zukunft, damit du das ewige Leben ergreifst (vgl. 1Tim 6,17–19). Wir alle sehnen uns nach diesem künftigen Tag, wenn unser König uns sagen wird: „Recht so, du guter und treuer Knecht!“ (Mt 25,23).
[1] D.M. Lloyd Jones, Romans: An Exposition of Chapter 12: Christian Conduct, Carlisle: Banner of Truth Trust, 2000, S. 409.