Kirchengeschichte ist wichtig!
Sechs Gründe, sich damit auseinanderzusetzen
Vielleicht haben manche von uns das Gefühl, dass die Kirche zu altmodisch ist. Warum sollten wir uns noch mit Kirchengeschichte beschäftigen? Sollten wir nicht damit aufhören, ins 16. Jahrhundert zurückzublicken, und anfangen, im 21. Jahrhundert zu leben?
Der Kirche ist dagegen immer klar gewesen, dass eine zukunftsorientierte Kirche auch eine zurückschauende sein muss. Ausgewogene, fortschrittliche Christen sind daher immer auch Studenten der Kirchengeschichte.
Die Bibel stützt dies. Das Christentum, wie es in der Heiligen Schrift offenbart wird, ist unbestreitbar eine historische Religion. Die christliche Auffassung von Zeit ist linear, nicht zyklisch, und hat deshalb einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. In diesem Spektrum der Zeit sind die großen Themen der Bibel angesiedelt. Die Schöpfung, der Sündenfall, die Erlösung und die Wiederherstellung der Menschheit sind nicht nur Ideen, sondern reale Ereignisse, die uns an die Bedeutsamkeit von Geschichte erinnern.
„Eine zukunftsorientierte Kirche muss auch eine zurückschauende sein. Ausgewogene, fortschrittliche Christen sind daher immer auch Studenten der Kirchengeschichte.“
Die meisten Christen würden zustimmen, dass es wichtig ist, diese Geschichte (die biblische Heilsgeschichte) zu studieren. Aber Gottes Handeln in der Geschichte ist immer bedeutsam und wert, sich damit auseinanderzusetzen, ob es nun in der Heiligen Schrift aufgezeichnet ist oder nicht. Denken wir an die Worte des Psalmisten: „Ich gedenke an die längst vergangenen Tage, rufe mir alle deine Taten in Erinnerung und sinne nach über die Werke deiner Hände“ (Ps 143,5). Der Apostel Johannes schließt sein Evangelium auch in diesem Sinne: „Es sind aber noch viele andere Dinge, die Jesus getan hat; und wenn sie eines nach dem anderen beschrieben würden, so glaube ich, die Welt würde die Bücher gar nicht fassen, die zu schreiben wären“ (Joh 21,25). Wir kennen nicht alle diese Werke, aber sie sind ein wahrer Teil der Geschichte, wie auch alle Werke Gottes.
Das Wort „erinnern“ wird 164 Mal in der Bibel verwendet und kommt in 39 der 66 Bücher der Bibel vor. Indem Gott dieses Wort wiederholt, sagt er: „Vernachlässigt die Vergangenheit nicht.“ Oder wie C.S. Lewis es so treffend formulierte: „Sei kein chronologischer Snob“, der nur die Zeit schätzt, in der er lebt. Henry Ford war ein Beispiel für diesen Snobismus, als er sagte: „Geschichte ist Quatsch.“ Das ist sie nicht. Sie ist voller Bedeutung und Gott fordert uns auf, uns mit ihr zu beschäftigen.
In 1. Korinther 10 lässt Paulus einen Teil der Geschichte Israels Revue passieren, insbesondere den Auszug aus Ägypten und die anschließende Wanderung in der Wüste. „Alle diese Dinge aber, die jenen widerfuhren“, schreibt Paulus in Vers 11, „sind Vorbilder, und sie wurden zur Warnung für uns aufgeschrieben“.
In ähnlicher Weise ist die Predigt des Stephanus (vgl. Apg 7) eine einzige imposante Geschichtsstunde. Sie beginnt mit der Berufung Abrahams, behandelt die Knechtschaft des Volkes in Ägypten und seine Befreiung und berichtet über den Bau der Stiftshütte und des Tempels. Der Kernpunkt dieser Lektion ist, dass die jüdischen Führer nicht aus der Geschichte lernten und die Sünden ihrer Väter fortsetzten.
Wir sollen nicht nur aus der Geschichte lernen, sondern auch Lehrer der Geschichte sein. In Psalm 145,4 heißt es: „Ein Geschlecht rühme dem andern deine Werke und verkündige deine mächtigen Taten!“ Das Ergebnis dieses Gebotes, die Geschichte Gottes weiterzugeben, finden wir in Psalm 44,2: „O Gott, mit unseren eigenen Ohren haben wir es gehört, unsere Väter haben es uns erzählt, was du für Taten getan hast zu ihrer Zeit, in den Tagen der Vorzeit!“
Es gibt auch praktische Erwägungen, die uns dazu drängen, die Geschichte Gottes zu studieren. Die folgenden sechs Punkte zeigen, wie wichtig es ist, aus der Geschichte zu lernen und sie weiterzugeben.
Die Kenntnis der Geschichte hilft uns ...
1. ... die Souveränität Gottes wertzuschätzen.
Wenn man nur eine Stunde damit verbringen würde, sich einen Überblick über die Kirchengeschichte zu verschaffen, dann könnte man sich vielleicht fragen, wie die Kirche überhaupt hat überleben können. Von den römischen Verfolgungen in den ersten drei Jahrhunderten bis zu den Gräueltaten von heute hat die Kirche enorme Widerstände erlebt. Das Studium der Kirchengeschichte erinnert uns an die Worte Christi: „Ich will meine Gemeinde bauen, und die Pforten des Totenreiches sollen sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18, vgl. Niederländisches Glaubensbekenntnis, Art. 27).
2. ... umstrittene biblische Lehren anzuwenden.
Die Praktiken der frühen Gemeinde helfen uns, wichtige Themen wie Gemeindemitgliedschaft, Taufe, Gottesdienst und das Verhältnis zur Regierung zu verstehen. Woher wissen wir zum Beispiel, an welchem Tag wir von unserer Arbeit ruhen und uns mit anderen Gläubigen zum Gottesdienst versammeln sollen? Nicht jeder ist der Meinung, dass die Bibel diese Frage mit absoluter Klarheit beantwortet. Aber wenn wir bedenken, dass die ersten Christen am ersten Tag der Woche Gottesdienst feierten und dass dieser Brauch seit 2.000 Jahren fast ununterbrochen fortbesteht, dann ist das ein sehr starker Präzedenzfall, den die modernen Gemeinden berücksichtigen sollten.
3. ... sich gegen Irrlehren und Sekten zu verteidigen.
Athanasius kämpfte im 4. Jahrhundert wachsam gegen die Lehren des Arius, der leugnete, dass der Sohn und der Vater wesensgleich sind. Nach Ansicht von Arius war Christus weder ganz Gott noch ganz Mensch, sondern gehörte zu einer völlig anderen Kategorie. Athanasius vertrat die Ansicht, dass nur die Vereinigung der wahren Gottheit mit dem vollständigen Menschsein in Christus den gefallenen Menschen mit Gott versöhnen kann. Mit anderen Worten: Jesus kann nur retten, wenn er Gott ist. Angesichts der Tatsache, dass die Zeugen Jehovas moderne, selbstbewusste Anhänger von Arius sind, ist es äußerst wertvoll, die Argumente des Athanasius zu verstehen (insbesondere sein Buch Über die Inkarnation des Logos).
4. ... sich nicht von Modeerscheinungen mitreißen zu lassen.
Viele Gemeinden versuchen heute verzweifelt, ihr Image aufzupolieren, um hipper zu wirken. Sie versuchen zu beeindrucken, indem sie kulturelle Modeerscheinungen in Bezug auf Stil, Technologie, Musik, Filme und sogar schockierende Ansätze in Bezug auf die Sexualität aufgreifen. Der Historiker Bruce Shelley schrieb einmal: „Die Kirchengeschichte neigt dazu, das Vergängliche vom Dauerhaften, die Modeerscheinungen von den Grundlagen zu trennen.“
5. ... übliche kirchliche Praktiken neu zu bewerten.
Hast du dich schon einmal gefragt, warum in manchen Gemeinden, wenn ein Pfarrer zur Umkehr und zum Glauben aufruft, der Raum mit sentimentaler Musik erfüllt wird? Die von religiösen Gefühlen Ergriffenen werden ermutigt, nach vorne zu kommen und eine Entscheidung zu treffen. Warum? Wahrscheinlich ist diese Praxis ein Überbleibsel von Charles Finneys Erweckungsbemühungen des 19. Jahrhunderts, die damals als „neue Maßnahmen“ der Evangelisation galten. Natürlich gab es einen theologischen Grund für die Einführung dieser neuen Maßnahmen. Finney glaubte, dass Gott einen Menschen nicht ohne dessen eigene Hilfe erneuern könne. In diesem Zusammenhang erschien es sinnvoll, die Menschen zu ermutigen, Gott die Erlaubnis zu ihrer Errettung zu geben. Ein umfassenderer Blick auf die Geschichte würde uns helfen zu verstehen, dass wirkliche Erweckungen nicht durch neuartige Werbetechniken oder psychologische Manipulation zustande kamen, sondern durch die regelmäßige, kraftvolle Verkündigung von Gottes Wort.
6. ... heute ein mutiges christliches Leben zu führen.
Isaac Watts, ein britischer Liederdichter aus dem 18. Jahrhundert, stellt eine Reihe eindringlicher Fragen, die deutlich machen, dass das Studium der Kirchengeschichte ein Ansporn zur Treue sein kann:
„Will ich des Kreuzes Streiter sein und Christus folgen nach
und nicht für Jesus stehen ein, nicht tragen seine Schmach?
Der Weg ist rot von Zeugenblut; sollt’ ich auf Rosen geh’n?
Wo andre einst durchkreuzt die Flut, sollt’ ich am Ufer steh’n?
Gibt’s keinen Feind, der mir sich stellt? Kein Werk für meine Hand?
Trägt mich vielleicht die falsche Welt sanft ins gelobte Land?
Nein, streiten muss, wer siegen will! Drum, Heiland, gib mir Kraft,
zu kämpfen recht, zu leiden still in treuer Ritterschaft!“
Bis der Herr wiederkommt, wird die Kirche zu Recht die kämpfende Kirche genannt. Viele vor uns haben gut gekämpft. Aber der Kampf geht weiter.
„Die Kirchengeschichte neigt dazu, das Vergängliche vom Dauerhaften, die Modeerscheinungen von den Grundlagen zu trennen.“
Wenn wir uns mit der Geschichte der Kirche auseinandersetzen, werden wir mit Ernst daran erinnert, dass wir in den Reihen der Armee Gottes stehen. Wir tragen die gleiche kampferprobte Rüstung, die die Heiligen vor uns einst trugen, und nutzen dieselbe Waffe, das Evangelium von Jesus Christus. Und wir kämpfen nicht nur, um diese Tradition fortzuführen, sondern um ein dauerhaftes Vermächtnis für künftige Generationen zu hinterlassen.