Was ist rettender Glaube?

Buchauszug von R.C. Sproul
21. März 2023 — 4 Min Lesedauer

Der Glaube ist das Herzstück des Christentums. Immer wieder finden wir im Neuen Testament die Aufforderung, an den Herrn Jesus Christus zu glauben. Bestimmte Inhalte sind dabei ein unverhandelbarer Bestandteil unseres Glaubens und unserer Glaubenspraxis. In der Zeit der Reformation debattierte man unter anderem darüber, was den rettenden Glauben ausmacht. Was genau ist unter einem rettenden Glauben zu verstehen? Viele Menschen sind der Meinung, hinter der Rechtfertigung allein durch den Glauben verberge sich bloß ein schlecht getarnter Antinomismus, demzufolge man nur an die richtigen Dinge glauben müsse und dann könne man so leben, wie es einem beliebt. Jakobus jedoch schreibt in seinem Brief: „Was hilft es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann ihn denn dieser Glaube retten? … Wenn er keine Werke hat, so ist er an und für sich tot“ (Jak 2,14.17). Luther nennt den Glauben, der rechtfertigt, fides viva, „lebendigen Glauben“. Dieser Glaube wird unweigerlich und unmittelbar die Frucht der Gerechtigkeit hervorbringen. Die Rechtfertigung geschieht demnach zwar allein durch den Glauben, allerdings nicht durch einen Glauben, der für sich allein bleibt. Ein Glaube, der keine Gerechtigkeit hervorbringt, ist somit kein echter Glaube. 

„Die Rechtfertigung geschieht zwar allein durch den Glauben, allerdings nicht durch einen Glauben, der für sich allein bleibt. “
 

Für die römisch-katholische Kirche ist Glaube plus Werke gleich Rechtfertigung, während für Antinomisten Glaube minus Werke gleich Rechtfertigung ist. Für die protestantischen Reformatoren jedoch ist Glaube gleich Rechtfertigung plus Werke. Anders ausgedrückt: Werke sind notwendigerweise die Frucht wahren Glaubens. Bei der Frage, ob Gott uns als in seinen Augen gerecht erklärt, spielen sie keine Rolle; sie zählen also nicht zu den Kriterien, anhand derer Gott über unsere Rechtfertigung entscheidet.

Was aber sind die konstituierenden Elemente des rettenden Glaubens? Die protestantischen Reformatoren erkannten, dass biblischer Glaube drei wesentliche Aspekte beinhaltet: notitia, assensus und fiducia.

Notitia bezieht sich auf den Inhalt des Glaubens, also darauf, was wir glauben. Es gibt bestimmte Punkte, die wir in Bezug auf Christus glauben müssen, beispielsweise, dass er der Sohn Gottes ist, dass er unser Retter ist und dass er unsere Schuld gesühnt hat.

„Die protestantischen Reformatoren erkannten, dass biblischer Glaube drei wesentliche Aspekte beinhaltet: notitia, assensus und fiducia.“
 

Assensus ist die Überzeugung, dass der Inhalt unseres Glaubens wahr ist. Man kann einiges über den christlichen Glauben wissen und dennoch nicht glauben, dass es der Wahrheit entspricht. Natürlich mögen sich gelegentlich noch Zweifel unter unseren Glauben mischen, doch braucht es ein Mindestmaß an verstandesmäßiger Zustimmung und Überzeugung, wenn wir gerettet werden sollen. Ehe jemand Jesus Christus wahrhaftig vertrauen kann, muss er überzeugt sein, dass Jesus tatsächlich der Retter ist, dass er wirklich derjenige ist, der er zu sein beansprucht. Echter Glaube ist der Überzeugung, dass der Inhalt, die notitia, wahr ist.

Fiducia bezieht sich auf das persönliche Vertrauen – dass man sich von Herzen auf Christus verlässt. Den Inhalt der christlichen Lehre zu kennen und zu glauben, ist nicht genug. Das tun sogar die Dämonen (vgl. Jak 2,19). Der Glaube ist nur dann wirksam, wenn man persönlich auf Christus vertraut als denjenigen, der allein das Heil bringt. Einer Aussage intellektuell zuzustimmen, ist die eine Sache; eine ganz andere ist es, persönlich darauf zu vertrauen. Auch wenn wir sagen, dass wir glauben, allein durch Glauben gerechtfertigt zu werden, können wir der Meinung sein, dass wir eigentlich durch unsere Verdienste, unsere Werke oder durch unsere Bemühungen in den Himmel kommen werden. Es ist einfach, die Lehre der Rechtfertigung aus Glauben mit dem Kopf zu begreifen, aber dadurch haben wir sie lange noch nicht in der Weise verinnerlicht, dass wir uns allein an Christus klammern, um gerettet zu werden.

Neben dem Vertrauen gehört noch ein weiteres Element zu fiducia, nämlich die Zuneigung. Ein Mensch, der nicht wiedergeboren ist, wird nie zu Jesus kommen, denn er will Jesus gar nicht. Sein Herz und seine Gesinnung befinden sich in einem Zustand grundsätzlicher Feindschaft gegen Gott. Solange jemand Christus gegenüber feindselig eingestellt ist, empfindet er keine Zuneigung für ihn. Satan ist ein typisches Beispiel dafür. Satan kennt die Wahrheit, aber er hasst sie. Es ist ihm zutiefst zuwider, Gott anzubeten, weil er ihn nicht liebt. So sind auch wir von Natur aus: Wir sind tot in unserer Sünde. Wir führen unser Leben den Mächten dieser Welt gemäß und frönen den Begierden des Fleisches. So lange, bis der Heilige Geist uns verändert, haben wir ein Herz aus Stein. Ein unbekehrtes Herz ist ohne Zuneigung für Christus; es ist leblos und lieblos. Der Heilige Geist verändert unsere Herzenseinstellung, so dass wir die Lieblichkeit Christi erkennen und uns nach ihm ausstrecken. Niemand von uns liebt Christus vollkommen; wenn aber der Heilige Geist das steinerne Herz nicht in ein fleischernes Herz verwandelt, so sind wir noch nicht einmal ansatzweise fähig, Christus zu lieben.

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Dieser Auszug ist adaptiert aus Everyone's a Theologian: An Introduction to Systematic Theology von R.C. Sproul.