Zwölf Fragen an potentielle Universalisten
Keinem Menschen, der Mitgefühl hat, bereitet es Freude, wenn er Mitmenschen leiden sieht. Wie viel weniger sollte sich ein gläubiger Christ darüber freuen, wenn ein anderer Mensch ewig leiden muss! Der christliche Glaube ist nicht mit Schadenfreude vereinbar.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich heutzutage einige überzeugte Christen zum Universalismus hingezogen fühlen – zu der Sichtweise, dass letztlich alle Menschen gerettet und in die glückselige Gegenwart Gottes gelangen werden. Die Liebe Gottes, so argumentiert manch zeitgenössischer Christ, führe zwingend dazu, dass man den Universalismus als einen notwendigen Bestandteil des Glaubens betrachten müsse. Ein Christ, der kein Universalist ist, ist demzufolge eigentlich moralisch unterbelichtet.
Man könnte den Universalismus mit einem zum Verkauf stehenden Haus vergleichen: Von der Straße aus gesehen sieht das Haus durchaus attraktiv aus. Aber würde irgendjemand von uns ein Haus kaufen, das er nur von außen gesehen hat? Würden wir uns nicht auch das Innere ansehen wollen? Und würden wir nicht darauf bestehen, in den Heizungskeller hinabzusteigen, um die Rohrleitungen, die elektrischen Leitungen und die Heizungsanlage zu inspizieren? Ob das Haus tatsächlich bewohnbar ist, würde darüber entscheiden, ob wir es kaufen – oder eben nicht.
Die folgenden Ausführungen sind vor allem für diejenigen gedacht, die vom Universalismus überzeugt sind oder zumindest in diese Richtung tendieren. Die Diskussionspunkte sind ehrlich gemeint, sie sollen keine Fangfragen sein. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass das universalistische Gebäude letztlich seinen Kaufpreis nicht wert ist – und dass es auch nicht dauerhaft bewohnbar ist für jemanden, dem die biblische Lehre und ein verbindliches Leben als Christ am Herzen liegen.
1. Wie sollen wir die Worte Jesu über die „Hölle“ oder „Gehenna“, „die äußerste Finsternis“, „das unauslöschliche Feuer“, „den Wurm, der nicht stirbt“ und dergleichen auslegen?
Der christliche Glaube an die Realität der Hölle und die mögliche Trennung von Gott beruht auf Jesu eigenen Worten in den Evangelien. „Hölle“, „Gehenna“ und ähnliche Begriffe weisen auf einen Zustand der Bestrafung und des Leidens nach dem Tod hin. Wäre es jedoch so, dass ohne Ausnahme alle Menschen das gleiche Ziel bei Gott erwartet – wie die Universalisten behaupten –, warum sagt Jesus dann, dass die „Schafe“ von den „Böcken“ getrennt werden (Mt 25,31–46) und der „Weizen“ vom „Unkraut“ (Mt 13,30) bzw. von der „Spreu“ getrennt wird (Mt 3,12)? Dass die „guten Fische“ von den „faulen Fischen“ getrennt werden (Mt 13,48) und dass die „klugen Jungfrauen“ zum Hochzeitsmahl eingehen werden, während die „törichten Jungfrauen“ draußen bleiben (Mt 25,1-13)? In all diesen Passagen findet eine Trennung statt.
„Das Thema der „zwei Wege“, die jeweils zu unterschiedlichen Ausgängen führen, zieht sich durch die gesamte Bibel.“
Wenn aber der Universalismus wahr ist, kann es keine wirklich endgültige Trennung geben. Wäre in diesem Fall die Lehre Jesu nicht ausgesprochen irreführend? Denn das würde ja bedeuten, dass unser Erlöser seine Zuhörer bewusst damit erschreckte, dass er ihnen eine bleibende Trennung von Sündern vor Augen malte, die nie eintreten wird, einen zukünftigen Zustand der Bestrafung, den es nicht geben wird.
2. Wenn die Hölle ein vorübergehender Zustand, der Himmel hingegen ein ewiger Zustand ist, warum werden dann beide mit demselben Wort als „ewig“ bezeichnet?
In der alten Kirche machten Severus von Antiochien und Augustinus eine ähnliche Beobachtung: In Matthäus 25,41 und 25,46 steht dasselbe griechische Wort (aionios) für die Dauer des Himmels wie für die Dauer der Strafe nach dem Tod. Universalisten argumentieren oft, dass aionios, wenn es auf die Hölle oder Bestrafung angewendet wird, nicht „ewig“ im strengen Sinne, sondern lediglich „ein Zeitalter andauernd“ bedeutet. Mit anderen Worten: Die Hölle existiert zwar, aber sie ist befristet. Dann müsste man allerdings die Schlussfolgerung ziehen, dass auch der Himmel befristet ist und irgendwann zu einem Ende kommt. Wie sonst kann ein und dasselbe griechische Wort in ein und demselben Vers zwei verschiedene Bedeutungen haben – „Zeitalter-andauernd“, wenn es sich auf die Strafe oder Hölle bezieht, aber „für immer“, wenn es sich auf den Himmel bezieht? Das ergibt wenig Sinn.
3. Wie lässt sich der Universalismus mit den „zwei Wegen“ im Alten und Neuen Testament vereinbaren?
Die Lehre des Neuen Testaments über Himmel und Hölle taucht nicht aus dem Nichts auf. Das Thema der „zwei Wege“, die jeweils zu unterschiedlichen Ausgängen führen, zieht sich durch die gesamte Bibel. Bereits im zweiten Kapitel (1Mose 2) wird Adam vor die Wahl gestellt, entweder mit Gott zu leben (wenn er nicht vom verbotenen Baum isst) oder Gott zu trotzen und zu sterben (wenn er doch isst). In Psalm 1 unterscheidet sich das Ende des Gerechten von dem des Gottlosen, ebenso in Jesaja 1: „Seid ihr willig und gehorsam, so sollt ihr das Gute des Landes essen; wenn ihr euch aber weigert und widerspenstig seid, so sollt ihr vom Schwert gefressen werden! Ja, der Mund des HERRN hat es gesprochen“ (Jes 1,19–20). Die universalistische Vorstellung, dass es für alle nur ein einziges Endziel gibt – unabhängig von getroffenen Entscheidungen – steht nicht nur im Widerspruch zu einem einzelnen Vers hier und da, sondern widerspricht der gesamten Lehre des Alten und Neuen Testaments.
4. Warum musste Jesus einen so schrecklichen, qualvollen Tod am Kreuz für unsere Sünden sterben?
Es ist ein ergreifender Moment im Garten Gethsemane, als Jesus seinen himmlischen Vater bittet: „Nimm diesen Kelch von mir“ (Mk 14, 36). Mit welchem Ergebnis? Seine Bitte wird abgelehnt. Der sündlose Sohn Gottes betet zum Vater – doch seine Bitte wird nicht erhört. Es gibt wohl nichts, woran man besser erkennen könnte, dass Jesu Tod am Kreuz tatsächlich notwendig war. Inwiefern? – Nun, hätte Gott bloß seine Liebe zur Menschheit zeigen wollen, so hätte er dies auf zahlreiche andere Weisen tun können. Wie John Stott in Das Kreuz Christi darlegt, war die Liebe, die sich im Tod Jesu offenbarte, jedoch eine heilige Liebe: Am Kreuz zeigte sich nicht nur Gottes Liebe – es wurde auch der Gerechtigkeit Gottes Genüge getan. Der Tod am Kreuz kann also nicht isoliert als ein Akt göttlicher Liebe, losgelöst von der göttlichen Gerechtigkeit, betrachtet werden.
„Der Universalismus tut sich schwer damit zu erklären, warum der schreckliche Tod Jesu notwendig war.“
Der Universalismus tut sich schwer damit zu erklären, warum der schreckliche Tod Jesu notwendig war. Denn wenn ein Universalist zugibt, dass Gottes gerechter Widerstand gegen die Sünde etwas dermaßen Furchtbares erforderlich machte (den Tod des menschgewordenen Sohnes Gottes), dann ist es durchaus plausibel zu sagen, dass Sünder, die nicht durch den Tod Jesu gerechtfertigt werden, die Hölle oder Ähnliches verdienen. Gottes Gerechtigkeit verlangt das eine oder das andere – entweder die Hölle der Qualen Jesu, in der die Schuld des Sünders stellvertretend gesühnt wird, oder die Hölle des individuellen Leidens für denjenigen, der Jesus und sein Sühnewerk ablehnt. Die Logik der Sühne und die Logik der Hölle sind miteinander verwoben.
5. Wie sollten wir die im Buch der Offenbarung vermittelte Lehre über die Endzeit auslegen?
Universalisten verstehen Gott im Allgemeinen als ein liebendes Wesen, das weder die Sünde noch den Sünder verurteilt. Das Buch der Offenbarung vermittelt mit dem Ausgießen der Zornschalen Gottes jedoch ein Bild von Gottes gerechtem Gericht über eine sündige Welt, die sich offen gegen ihn auflehnt (vgl. Offb 16). Das Tier, der falsche Prophet und der Teufel werden später vom Herrn gepackt und in den „Feuersee“ geworfen (vgl. Offb 19). Dieses Geschehen bildet den Gegenpart zum Neuen Jerusalem, wo Gott mit Christus und den Heiligen wohnt (vgl. Offb 21).
In seinem Buch The Evangelical Universalist versucht Robin Parry die Offenbarung universalistisch zu interpretieren, indem er Gott mit dem „Feuersee“ gleichsetzt. Die Sünder fallen in den „Feuersee“, werden in Gottes feuriger Gegenwart geläutert und kommen dann ins Neue Jerusalem. Da aber die Offenbarung den „Feuersee“ mit dem „zweiten Tod“ gleichsetzt (Offb 20,14), ist Gott, wenn der „Feuersee“ Gott ist, auch der „zweite Tod“. Eine solche Exegese verdreht die Bedeutung der Heiligen Schrift und verfälscht das Wesen Gottes.
6. Zeigt das Neue Testament nicht, dass die Erlösung an den Glauben gebunden ist?
Nicht weniger als sieben Mal sagt Jesus in den Evangelien: „Dein Glaube hat dich geheilt“ oder „Dein Glaube hat dich gerettet“ (Mt 9,22; Mk 5,34; 10,52; Lk 7,50; 8,48; 17,19; 18,42). In einer Konkordanz kann man nachsehen, dass die Wörter „Glaube“ und „glauben“ mit ihren Entsprechungen über 500 Mal im Neuen Testament vorkommen. Die Texte sind zu zahlreich, um sie alle zu zitieren. Mit Hebräer 11 liegt uns ein ganzes Kapitel vor, das die Errettung mit dem Glauben verbindet. Wie aber ist diese enge Verbindung zwischen Erlösung und Glauben mit dem Universalismus vereinbar?
Der Universalist muss entweder sagen, dass (1) Menschen, die im jetzigen Leben anscheinend keine Gläubigen sind, in Wirklichkeit auf verborgene oder kryptische Weise gläubig sind, dass (2) Menschen, die als Ungläubige aus diesem Leben scheiden, nach dem Tod eine weitere Gelegenheit erhalten, gläubig zu werden (siehe Nr. 11), oder dass (3) das Heil nicht an den Glauben gebunden ist, obwohl die Bibel das Gegenteil bezeugt. Keine dieser drei Optionen stimmt mit der Heiligen Schrift überein. Es gibt sogar einige Universalisten, die glauben, dass Gott Menschen rettet, die nicht glauben und nicht gerettet werden wollen. Das klingt sehr nach einer erzwungenen Errettung.
7. Was ist die historische Lehre über die endgültige Erlösung in den Hauptströmungen des Christentums?
Sollte die universalistische Lehre richtig sein, dann wäre es bemerkenswert, dass sie nie Eingang in eines der offiziellen Dokumente oder Bekenntnisse der großen christlichen Gemeinschaften – der Katholiken, Orthodoxen oder Protestanten – gefunden hat. Mit Ausnahme der Universalistischen Kirche in den USA, deren Ursprünge in den 1800er Jahren liegen und die sich bis in die frühen 1900er hielt, sieht man bei keiner christlichen Gemeinschaft, dass dort irgendwo offiziell Universalismus gelehrt wurde. (Heutzutage glauben viele Unitarische Universalisten sogar überhaupt nicht mehr an ein Leben nach dem Tod.) Wenn man die mehrbändigen Werke von Philip Schaff oder Jaroslav Pelikan zu den Glaubensbekenntnissen und Bekenntnissen studiert, wird man dort eine universale Erlösung als historische christliche Lehre nicht finden.
In der Orthodoxen Kirche sowie im östlichen Christentum im Allgemeinen haben einzelne Personen bewusst den Universalismus vertreten (z.B. Gregor von Nyssa und Isaak von Ninive), bildeten aber eine Minderheit, deren universalistische Ansichten nicht mehr als eine lediglich tolerierte Privatmeinung waren. Der Universalismus wurde nie als offizielle Lehre anerkannt und durfte auch nicht von den Kanzeln der katholischen, orthodoxen oder protestantischen Gemeinden gepredigt werden.
„Der Universalismus wurde nie als offizielle Lehre anerkannt.“
Darüber hinaus wurde der bekannteste frühe Lehrer des Universalismus – Origenes – auf dem Zweiten Konzil von Konstantinopel im Jahre 553 namentlich verurteilt. Diese Verurteilung hat man im Laufe der Geschichte stets als Ablehnung von Origenes’ Lehre vom universalen Heil verstanden. In der alten Kirche übersteigt die Zahl der Autoren, die nicht universalistisch eingestellt waren, bei Weitem die der universalistisch gesinnten Autoren, und zwar um einen Faktor von etwa 10 oder 12 zu 1. Das gilt nicht nur für lateinisch schreibende Autoren, sondern auch für solche, die griechisch, koptisch und syrisch schrieben.
Wenn die Universalisten recht haben, dann irrten sich viele der größten christlichen Lehrer – darunter Augustinus, Chrysostomus, Aquin, Luther, Calvin, Bellarmine, Pascal, Owen, Edwards, Newman und so weiter – in einer wesentlichen theologischen Frage. Glauben wir wirklich, dass das Christentum des 21. Jahrhunderts so viel aufgeklärter ist als die vorangegangenen Jahrhunderte, dass erst wir die Wahrheit des universalen Heils entdeckt haben? Ist es nicht plausibler, dass wir in einem Zeitalter geistlicher und moralischer Laxheit leben und der Universalismus aufgrund eines weit verbreiteten Wunsches nach einem liberaleren Glaubenssystem zunimmt?
8. Was würde passieren, wenn sich christliche Gemeinden oder Konfessionen dem Universalismus verschreiben würden?
Einige Universalisten meinen, wenn die christlichen Kirchen nur ihre Lehre von der Hölle aufgeben würden, so bräche ein goldenes Zeitalter der Kirche an und Scharen neuer Mitglieder, die nun nicht mehr durch den anstößigen „Stolperstein“ der Hölle davon abgehalten werden, würden in die Gemeinden strömen. Die Geschichte legt jedoch eine gegenteilige Schlussfolgerung nahe: Der Universalismus ist eine Lehre, die Gemeinden zerstört. Mitte des 19. Jahrhunderts war die Universalistische Kirche – an die sich heute nur noch wenige erinnern – kurzzeitig die fünftgrößte Konfession in den Vereinigten Staaten. Doch was passierte dann? Nachdem man sich offiziell zum universellen Heil bekannt hatte, kam es prompt zu einer theologischen Selbstzerstörung.
Bereits in den frühen 1800er Jahren bestritten Anhänger des Universalismus, dass Jesus am Kreuz unsere Sünden trug. Gott bestrafe niemanden, argumentierten sie, und deshalb sei Jesus auch nicht bestraft worden. Schon bald darauf begannen die Universalisten, die Göttlichkeit Christi zunächst infrage zu stellen und später zu leugnen. Jesus war nun lediglich ein Morallehrer. Schließlich schlossen sich die Universalisten mit den Unitariern zusammen und wurden zu den Unitarischen Universalisten – die es heute noch gibt, wenn auch in immer geringerer Zahl. Die größte Ironie besteht darin, dass einige Menschen in der Universalistischen Kirche nicht mehr an das Leben nach dem Tod glaubten und schließlich zu säkularen Humanisten wurden. Kaum war der Himmel allumfassend geworden, wurde er sogar für die Universalisten selbst unwirklich und bedeutungslos. Was sollte uns dazu veranlassen anzunehmen, dass es einer universalistischen Kirche im 21. Jahrhundert besser ergehen würde als ihrer damaligen Version im 19. Jahrhundert?
9. Was ist das endgültige Schicksal von Satan und Dämonen?
Universalisten gehen oft von der Annahme aus, dass Gott keine intelligenten, moralischen Wesen erschaffen würde oder könnte (also Wesen, die in der Lage sind, moralische Entscheidungen zu treffen), ohne sicherzustellen, dass alle diese Wesen letztendlich gerettet werden. Neben anderen argumentiert so beispielsweise David Bentley Hart. Aber wenn dem so wäre, würde es bedeuten, dass sowohl Satan als auch die Dämonen alle gerettet werden müssten – genauso wie alle Menschen. In der Bibel gibt es jedoch nicht den geringsten Hinweis darauf, dass Satan oder die Dämonen jemals gerettet würden. Jesus spricht von dem „ewigen Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist“ (Mt 25,41). Nirgends werden Dämonen dazu aufgerufen, aufgefordert oder eingeladen, Buße zu tun.
Im Laufe der Geschichte haben Gläubige in der Hoffnung, dass diese errettet würden, für Massenmörder und andere ungeheuerliche Sünder gebetet. Für die Errettung Satans sind hingegen keine christlichen Gebete überliefert. Weder die Bibel noch die Praxis der Kirche gibt uns Grund zu der Annahme, dass Satan oder die Dämonen jemals gerettet werden könnten. Die universalistische Annahme – dass Gott niemals ein intelligentes Geschöpf erschaffen würde, das sündigt und auf ewig von ihm getrennt ist – scheint also ein irriger Ausgangspunkt zu sein. Wenn aber Satan und die Dämonen für immer verloren sind, dann muss man in Betracht ziehen, dass auch manche Menschen für immer verloren sein könnten, wie es der Wortlaut des eben zitierten Verses impliziert: „Dann wird er [Christus] auch denen zur Linken sagen: Geht hinweg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist“ (Mt 25,41).
10. Können sündige Menschen dadurch, dass sie selbst leiden, ihre eigenen Sünden sühnen?
Nach der zentralen protestantischen Lehre, die sich auf die Heilige Schrift gründet, hat der Tod Christi die Schuld der Sünder vollständig beglichen. Niemand kann etwas zu Jesu Sühnewerk hinzufügen oder davon abziehen. Die Schrift ist eindeutig: Sünder müssen das, was Christus getan hat, um die Erlösung zu ermöglichen, lediglich im Glauben annehmen. Dem widersprechen jedoch manche Universalisten. Ihrer Ansicht nach werden diejenigen, die nicht bereit sind, nach dem Tod bei Gott zu sein, für ihre Sünden durch feuriges Leiden (ähnlich dem römisch-katholischen Fegefeuer) bestraft, damit Genugtuung geschieht. Diese Vorstellung, für die eigenen Sünden durch Leiden nach dem Tod zu bezahlen, ist jedoch völlig unvereinbar mit der Rettung allein aus Gnade. Was jedoch ist die Alternative für den Universalisten? Die einzige andere Option ist, anzunehmen, dass jeder Mensch unmittelbar nach dem Tod in die himmlische Gegenwart Gottes eingeht. In den 1800er Jahren wurde diese Auffassung als „Ultra-Universalismus“ bekannt; damit ist gemeint, dass jeder Mensch bei seinem Tod sofort in den Himmel eintritt.
Diese „Ultra“-Position bedeutet aber, dass nicht nur gläubige Menschen sofort in die Gegenwart Gottes gelangen, sondern auch der Massenmörder, der plötzlich von der Kugel eines Polizisten tödlich getroffen wird, während er seine Opfer erschießt. Wenn jeder direkt in den Himmel käme, hieße das, es würde überhaupt keine Rolle spielen, welche moralischen und geistlichen Entscheidungen wir in diesem Leben getroffen haben. Unter den Universalisten herrschte Uneinigkeit darüber, ob es eine Reinigung von Sünden nach dem Tod gibt oder nicht, und diese Frage wurde nie geklärt. Die beiden Parteien konnten sich nicht einigen, weil es sich dabei offensichtlich um ein unlösbares Dilemma handelt. Wenn Universalisten behaupten, dass Menschen nach ihrem Tod durch Leiden für sich selbst sühnen können, leugnen sie die vollständige Sühne Christi am Kreuz. Wenn sie aber eine vollständige Sühne am Kreuz bejahen, müssen sie aufgrund ihres universalistischen Systems akzeptieren, dass jeder nach dem Tod sofort zu Gott kommt, unabhängig davon, wie er gelebt oder welche Entscheidungen er getroffen hat.
Das sind die einzigen beiden Optionen für den Universalisten – theologisch sinnvoll ist keine der beiden.
11. Ist es plausibel zu glauben, dass es nach dem Tod eine „zweite Chance“ auf Erlösung geben wird?
Sollte es eine solche „zweite Chance“ auf Erlösung nach dem Tod geben, dann wird sie jedenfalls in der Heiligen Schrift nie klar dargestellt oder beschrieben. Im Gegenteil – die Lehren Jesu weisen eher in die andere Richtung. So betont das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen (vgl. Mt 25,1–13) die Begrenztheit der Zeit und der Gelegenheiten, die Menschen haben, um sich zu Gott hinzuwenden. Es impliziert, dass eine Zeit kommen wird, in der die Tür zum „Hochzeitsmahl“ geschlossen und niemand mehr hineingelassen wird. Ein weiterer zentraler Text im Hinblick auf dieses Thema findet sich im Lukasevangelium: „Es sprach aber einer zu ihm: Herr, sind es wenige, die errettet werden? Er aber sprach zu ihnen: Ringt danach, durch die enge Pforte hineinzugehen! Denn viele, sage ich euch, werden hineinzugehen suchen und es nicht können“ (Lk 13,23–24).
Jesu Botschaft ist eindeutig. Einige Menschen – „viele“, um genau zu sein – werden in Gottes Reich gelangen wollen, es aber „nicht können“. Wie verträgt sich diese Passage mit der – heutzutage unter Universalisten verbreiteten – Vorstellung, dass der Herr dem Einzelnen sowohl vor als auch nach dem Tod endlose Gelegenheiten geben wird, sich Christus zuzuwenden und Erlösung zu finden? Jesus sagt ausdrücklich, dass viele „hineinzugehen suchen und es nicht können“ werden. Darum seid wachsam!
12. Ist der Universalismus mit dem christlichen Auftrag vereinbar, das Evangelium zu predigen, sich selbst zu verleugnen und für Christus und das Evangelium zu leiden?
Mancher Anhänger des Universalismus ist der Meinung, der Glaube an den Universalismus stehe nicht im Widerspruch zu dem Aufruf bzw. zu der Motivation zur christlichen Evangelisation. Einen Beleg dafür gibt es jedoch nicht. Jemand, der die universalistische Position konsequent auf Evangelisation anwendet, dürfte Menschen nicht auffordern, sich für Christus zu entscheiden, sondern müsste ihnen sagen, dass Gott sich für sie entschieden hat. Er würde den Menschen nicht sagen, dass sie sich retten lassen sollen, sondern dass sie bereits gerettet sind. Wohl kaum eine theologische Sichtweise dürfte häufiger zu Selbstzufriedenheit und Gleichgültigkeit führen.
„Jemand, der die universalistische Position konsequent auf Evangelisation anwendet, dürfte Menschen nicht auffordern, sich für Christus zu entscheiden.“
Christliche Missionare, wie Isaac Jogues in Französisch-Kanada oder Jim Elliot beim Volk der Huaorani in Ecuador, haben sich in gefährliche Situationen begeben, um Menschen das Evangelium zu verkünden, die es noch nie gehört hatten. Dabei gaben sie ihr Leben als Märtyrer hin. So ging Pater Damian beispielsweise zu den Leprakranken auf Molokai, um ihnen zu dienen und das Evangelium zu verkünden – wohl wissend, dass er am Ende selbst krank werden und sterben würde. Kann man sich vorstellen, dass ein christlicher Universalist so etwas tun würde? Gibt es auch nur einen einzigen Universalisten unter den Missionaren, die als Märtyrer starben? Christen haben beim Evangelisieren die beschwerlichsten Mühen auf sich genommen, sie haben sich selbst verleugnet und hingebungsvoll gedient, weil sie von der ewigen Realität von Himmel und Hölle überzeugt waren und glaubten, dass „unsere Bedrängnis, die schnell vorübergehend und leicht ist, … uns eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit [verschafft]“ (2Kor 4,17). Die christlichen Märtyrer sind ein Zeugnis dafür, wie der Glaube an einen endgültigen Zustand von Himmel und Hölle eine praktische Frucht der Heiligkeit hervorbringt.
Abschließende Gedanken
Vielleicht liegt einer der Gründe, warum bekennende Christen sich in der heutigen Zeit mit dem Universalismus beschäftigen oder diesen sogar annehmen, darin, dass sie in einer Welt, die dem Christentum zunehmend feindselig gegenübersteht, nicht in Schwierigkeiten geraten wollen: Sie möchten Situationen vermeiden, in denen sie einem Nichtchristen sagen müssten, dass es schlimme Konsequenzen nach sich zieht, wenn man Christus ablehnt. Die Lehre von der Hölle ist verstörend, sie ist ein absoluter Affront, eine ungeheuerliche Beleidigung. Das sogenannte 11. Gebot, „Du sollst nicht kränken“, ist für einige Menschen zum höchsten Gebot geworden. In der Version des Christentums, die der Universalismus bietet, werden genau diese Teile herausgeschnitten, die Anstoß erregen und kränken könnten.
Richard Niebuhr (1894–1962) hat das liberalisierte Christentum wie folgt beschrieben: „Ein Gott ohne Zorn hat Menschen ohne Sünde durch das Wirken eines Christus ohne Kreuz in ein Reich ohne Gericht gebracht.“ Hier haben wir vier wesentliche Lehren – Gott, Mensch, Reich Gottes und Christus –, von denen die harschen und skandalösen Aspekte Zorn, Sünde, Gericht und Kreuz entfernt wurden. Obwohl Niebuhr diese Worte bereits in den 1920er Jahren schrieb, sind sie eine treffende Beschreibung des christlichen Universalismus, wie wir ihn ein Jahrhundert später vorfinden: kein Zorn Gottes; keine Sünde, die verdammen würde; kein furchterregendes Gericht vor dem Thron; kein Kreuz des Leidens, um der Gerechtigkeit Gottes Genüge zu tun.
Doch genau diese Lehren, bringen – möglicherweise entgegen unserer Intuition –zum Ausdruck, dass Gott in moralischer Hinsicht gut ist. Dies sind die Lehren, die wir brauchen, um die Gemeinde wieder zu erwecken und ihr neue Kraft zu geben, wenn wir uns in demütiger Liebe einer zunehmend verwirrten und zerbrochenen Welt zuwenden, die ohne den Retter zugrunde geht.
Lass dich nicht von der äußerlichen Attraktivität des Universalismus täuschen! Steig aus dem Auto und prüfe die Stabilität des Hauses. Doch sei dabei vorsichtig – im Inneren besteht Einsturzgefahr.