Leid und Gottes unfehlbarer Plan

Artikel von Richard Chin
6. März 2023 — 6 Min Lesedauer

Er wurde wegen Hochverrats auf brutale Art und Weise hingerichtet. Nach seiner Verhaftung und Verurteilung zog man ihn nackt aus, zerrte ihn durch die Straßen, erhängte ihn bis kurz vor dem Tod, riss ihm ein Gliedmaß nach dem anderen aus, nahm ihm die Eingeweide heraus und köpfte ihn. Sein Körper wurde dann gevierteilt und als eindringliche Warnung in die vier Ecken Englands geschickt. So wurde William Wallace am 23. August 1305 zu einem Märtyrer im Kampf um die schottische Unabhängigkeit.

Wallace hatte verschiedene Taktiken verfolgt ­– Überfälle auf englische Außenposten, Guerilla-Kampftechniken und sogar Auftragsmorde. Aber seine Strategie war dieselbe geblieben: die Schotten in der Bereitschaft zu vereinen, für ihre Freiheit zu leiden. Er glaubte so fest an seinen Kurs, dass er im Leben und Sterben führend darin voranging.

Man sagt nicht umsonst, dass jemand nur dann etwas gefunden hat, wofür es sich zu leben lohnt, wenn er bereit ist, dafür zu sterben.

Der Apostel Paulus hatte etwas gefunden, wofür er bereit war zu leben und zu sterben. Tatsächlich ging er so weit zu sagen, dass er sich in seinem Leiden freute: „Jetzt freue ich mich in meinen Leiden, die ich um euretwillen erleide, und ich erfülle meinerseits in meinem Fleisch, was noch an Bedrängnissen des Christus aussteht, um seines Leibes willen, welcher die Gemeinde ist“ (Kol 1,24).

Hatte sein Leiden denn einen Sinn? War er einfach nur masochistisch veranlagt, oder gab es einen guten Grund, sich in seinen Leiden zu freuen?

Gottes unfehlbarer Plan

Das Herz und der Kern von Paulus’ Dienst werden in Kolosser 1,28 herrlich ausgedrückt: „Ihn verkündigen wir, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, um jeden Menschen vollkommen in Christus Jesus darzustellen.“ Paulus wiederholt dieses entscheidende Wort drei Mal: alle (bzw. jeden). Wir warnen alle. Wir lehren alle. Wir sehnen uns danach, dass alle in Christus reif werden. Dieses Evangelium ist für jeden Menschen auf dieser Welt.

„Paulus schuftet und leidet bis zur Erschöpfung, damit er das Evangelium verkündigen kann, aber er tut dies nicht aus eigener Kraft.“
 

Und das ist der Grund, weshalb Paulus das Evangelium mit unendlicher Leidenschaft, mit Entschlossenheit und mit Mut verkündet. Christus verkündigen, um einen jeden in Christus reif zu präsentieren, erfordert Kühnheit und ein extremes Maß an harter Arbeit und Energie. Wessen Energie?

Paulus schuftet und leidet bis zur Erschöpfung, damit er das Evangelium verkündigen kann, aber er tut dies nicht aus eigener Kraft. „Dafür arbeite und ringe ich auch gemäß seiner wirksamen Kraft, die in mir wirkt mit Macht“ (Kol 1,29). Der aufreibende Kampf von Paulus ist nur deshalb möglich, weil er sich auf die Kraft Christi stützt, die in ihm wirkt.

Bedeutet das also, dass wir „loslassen und Gott machen lassen“ (engl. „Let go and let God.“) sollen oder dass es nicht nötig ist, dass wir in unserem Dienst hart arbeiten? Auf keinen Fall! Paulus sagt schließlich: „Dafür arbeite und ringe ich“. Der Mann arbeitete hart und tat alles, um Jesus bekannt zu machen. Und doch wusste er, dass Gottes machtvolles Handeln seine Arbeit untermauert und ihn befähigt, im Kampf standzuhalten.

Anders ausgedrückt: Wir können Christus nur deshalb verkündigen, weil er selbst uns die Energie und Fähigkeit dazu gegeben hat. Die erfolgreiche Verkündigung des Herrn liegt nicht ultimativ an uns und unserer harten Arbeit, sondern an Christus, der selbst in unserem Dienst am Werk ist.

Und deshalb macht Paulus die Kolosser zu Beginn des zweiten Kapitels auf seine Schwierigkeiten aufmerksam: „Ich will aber, dass ihr wisst, welch großen Kampf ich habe um euch und um die in Laodizea und um alle, die mich nicht von Angesicht gesehen haben“ (Kol 2,1). Er teilt sich nicht mit, damit sie sich auf seine Bemühungen konzentrieren, sondern auf Christi Bemühungen. Er weist die Kolosser auf seine Schwierigkeiten hin, damit sie erkennen, dass Gott am Werk ist. Christus möchte, dass jeder in Christus zur Reife gelangt. Uns das erreicht er durch schwache, zerbrechliche Diener wie Paulus, wie mich, wie dich. Und er tut es sogar oder gerade in unseren Schwierigkeiten und Leiden. Außerdem geschieht es auf diesem Weg, damit Jesus allein die Ehre zukommt.

Hier sehen wir nun Gottes unfehlbaren Plan, die Nationen mit dem Evangelium zu erreichen, damit die Welt Jesus kennt: die durch das Gebet getragene Verkündigung Jesu an alle Völker durch Leiden.

Unser konkretes Vorgehen mag von Kirche zu Kirche, von Dienst zu Dienst variieren. Vielleicht nutzen wir konkrete evangelistische Programme, vielleicht gehen wir eher weniger organisiert vor. Vielleicht haben wir gut organisierte Begrüßungsteams oder eine eher informelle Methode. Vielleicht organisieren wir Bibel-Studien-Gruppen im Gemeindegebäude oder bei Einzelnen zuhause. All diese taktischen Entscheidungen können verändert werden und können in ihrem Kontext versagen.

Aber die von Gott gegebene Strategie ist unfehlbar, und zwar weil sie gottgegeben ist. Sie wird nie versagen. Und Gottes Strategie ist die durch das Gebet getragene Verkündigung Jesu an alle Völker durch Leiden.

„Die Bereitschaft zum Leiden und Sterben“

Sobald du anfängst, Christus klar zu erkennen, wird dies dich dazu anreizen, in Gottesfurcht und im Dienst des Evangeliums zu wachsen. Paulus freute sich, vom Ausharren der Kolosser zu hören: „Denn wenn ich auch leiblich abwesend bin, so bin ich doch im Geist bei euch und sehe mit Freuden eure Ordnung und die Festigkeit eures Glaubens an Christus“ (Kol 2,5). Wir sollten uns jedes Mal freuen, wenn wir hören, dass jemand zum ersten Mal sein Vertrauen auf Jesus setzt, und wir dürfen uns freuen, wenn wir vom Ausharren und den Früchten der Diener Jesu hören.

„Gottes Strategie ist die durch das Gebet getragene Verkündigung Jesu an alle Völker durch Leiden.“
 

Wenn wir von dem Ausharren der Gläubigen hören, soll dies unsere Herzen zum Singen bringen, denn wir sehen die Frucht davon, wie Gottes kraftvolle Energie in seinen leidenden, angefeindeten Dienern, die er in die Welt geschickt hat, am Werk ist. Tatsächlich sieht sich Paulus selbst so: als „Diener“ des Evangeliums (vgl. Kol 1,23) und als „Diener“ der Gemeinde (vgl. Kol 1,24–25). Ein Diener der Gemeinde zu sein bedeutet, ein Diener des Evangeliums zu sein. Und ein Diener des Evangeliums wird leiden. Lies, wie John Stott diese Ideen einfängt:

„Über die Rolle des Leidens beim Dienen und der Passion in der Mission wird heute kaum je gelehrt. Doch das größte einzelne Geheimnis der evangelistischen oder missionarischen Wirksamkeit ist die Bereitschaft zu leiden und zu sterben. Das kann ein Sterben für die Popularität sein (indem man treu das unpopuläre biblische Evangelium predigt) oder auch für den Stolz (indem man bescheidene Methoden anwendet und sich auf den Heiligen Geist verlässt), oder für rassistische und nationale Vorurteile (indem man sich mit einer anderen Kultur identifiziert), oder für materielle Behaglichkeit (indem man sich einen einfachen Lebensstil zu eigen macht). Doch der Knecht muss leiden, wenn er den Nationen das Licht bringen will, und das Samenkorn muss sterben, wenn es sich vervielfachen will.“ (Das Kreuz, S. 416)

Das ist einfach überwältigend. Sind wir wirklich bereit, für Jesus zu leiden und zu sterben? Sind wir bereit, unbeliebt zu werden, uns zu demütigen, kulturelle Grenzen zu überschreiten und unseren materiellen Komfort aufzugeben, um Christus zu verkündigen? Nur wenn wir ein klares Ja auf diese Fragen haben, haben wir Gottes Strategie wirklich übernommen: Die durch das Gebet getragene Verkündigung Jesu an alle Völker durch Leiden.