„Bekennt einander eure Sünden“
„Ich habe solche Angst.“
Er, dessen Erscheinung als Offizier sonst so einschüchternd wirkte, stand wie ein Häufchen Elend vor mir. Er hatte mir gerade eine Reihe von Affären gestanden und überlegte, wie er das alles seiner Frau mitteilen sollte.
Mit gesenktem Blick gab er zu: „Ich habe über 60 Einsätze in feindlichem Gebiet geflogen. Ich war in Feuergefechte verwickelt und wurde mit Raketen beschossen. Aber all das hat mir nicht so viel Angst gemacht wie der Gedanke daran, ihr zu gestehen, was ich getan habe.“
Die Angst, Sünden zu bekennen, kann uns lähmen und scheint uns manchmal schlimmer zu sein als der Tod.
Ich erinnere mich daran, dass ich liebend gerne alles in Kauf genommen hätte, um völlig frei zu werden – nur nicht völlige Transparenz. Mit jeder erdenklichen Ausrede kämpfte ich dagegen an. Ich dachte: „Gott, ich habe dir alles gebeichtet. Du weißt, dass ich dich liebe. Ich werde das nie wieder tun … und wenn doch, dann werde ich es auch jemand anderem beichten.“
„Wenn wir einem anderen Christen unsere Sünde bekennen, reißen wir die Maske der Heuchelei von unseren Gesichtern, damit wir endlich wieder die Luft der Aufrichtigkeit atmen können.“
Sünde will uns weismachen, dass wir uns hinter einer Lügenmaske verstecken können – aber das stimmt nicht. Wir versuchen krampfhaft, das Sündenbekenntnis gegenüber Gott von der Notwendigkeit zu trennen, die Sünde auch anderen zu beichten. Aber das macht etwas mit uns. Wir fangen an, uns etwas vorzumachen. Wir dämpfen den Geist und versuchen, seine überführende Stimme zum Schweigen zu bringen. Und allmählich gewöhnen wir uns daran, mit diesen heimlichen Lügen zu leben.
Doch wenn wir einem anderen Christen unsere Sünde bekennen, reißen wir die Maske der Heuchelei von unseren Gesichtern, damit wir endlich wieder die Luft der Aufrichtigkeit atmen können. Unser Herz wird belebt, wir fangen wieder an zu fühlen und der Schleier, der Christus verhüllte, wird heruntergerissen. Das Bekennen von Sünden demütigt uns und zieht den Stolz, der die Unmoral am Leben und für unsere Seele verlockend hält, zusammen mit seinen Wurzeln heraus. Unsere Hoffnung auf Veränderung liegt im Aufsehen auf Christus. Aber wir werden dazu niemals imstande sein, solange wir nicht ins Licht treten und anderen unsere Sünden bekennen.
„Bekennt einander eure Sünden“
Jakobus 5,16 fordert uns deutlich auf: „Bekennt einander eure Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet.“ Gott macht uns klar, dass unsere Beziehung zu ihm zwar persönlich ist, aber keine private Angelegenheit. Weil wir Glieder an einem Leib sind, wirkt sich das, was wir in unserem persönlichen Leben tun, auch auf unsere Geschwister in Christus aus. Da wir durch den Heiligen Geist miteinander verbunden sind, hat unser Leben Auswirkungen auf die anderen. Wie können wir also einander „in Liebe“ die Wahrheit sagen und „einander nicht belügen“, wenn wir nicht ehrlich über unsere Sünden sprechen (vgl. Eph 4,25; Kol 3,9)?
„Wenn niemand in deinem Leben deine Schwächen, Versuchungen und sündigen Verhaltensmuster kennt, bist du in Gefahr.“
Manche meinen, dass wir unsere Sünden anderen nicht zu bekennen brauchen, wenn wir sie bereits vor Gott bekannt haben. Das wird zwar in einigen Fällen zutreffen, aber die schwerwiegende Aussage der Heiligen Schrift ist eindeutig: „Wenn wir sagen, wir hätten Gemeinschaft mit ihm, während wir in der Finsternis wandeln, lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde“ (1Joh 1,6–7). Die Gemeinschaft mit Gott und anderen beruht darauf, dass wir mit Gott und anderen im Licht wandeln. Wandelst du im Licht? Wer kennt deine persönlichsten Anfechtungen und Sünden?
Wenn niemand in deinem Leben deine Schwächen, Versuchungen und sündigen Verhaltensmuster kennt, bist du in Gefahr. Wenn kein anderer Christ dein Bekenntnis zu hören bekommt, dann bleibst du mit deiner Sünde allein und getrennt von Gott. Das ist ein furchtbarer Zustand. Deine Geschwister in der Gemeinde sind Gottes Geschenk an dich. Sie helfen dir, die Sünde zu bekämpfen und im Glauben treu zu bleiben. Wenn du also nach einer guten Rechenschaftsbeziehung Ausschau hältst, solltest du folgende Hinweise beachten:
1. Bekenne deine Sünden einigen wenigen Vertrauten
Es ist weder weise noch notwendig, gegenüber jedermann vollkommen und gleichermaßen transparent zu sein. Wir sollten einige wenige vertraute Freunde haben, gegenüber denen wir schonungslos ehrlich sind (vgl. Spr 18,24). Wenn du dich mit diesen engen Freunden regelmäßig austauschst, gibst du ihnen einen realistischen Einblick über dein Streben nach Heiligung. Sie können dann gezielter für dich beten und dir präzisere Ratschläge erteilen. Es ist einfach und gefährlich, seine Sünden in der Masse zu verstecken. Ein enger Kreis von vertrauenswürdigen Freunden bietet Sicherheit. Die Entscheidung darüber, wer in diesen intimsten Teil deines Lebens eingeweiht werden soll, ist von grundlegender Wichtigkeit. Baue Beziehungen zu Menschen auf, die du persönlich treffen kannst. Ein alter Bekannter in einer anderen Stadt, mit dem du dich einmal im Monat nur online triffst, ist keine gute Lösung. Das Bekennen bei einem persönlichen Treffen gibt unseren Sünden ein Gesicht und konfrontiert uns mit der Tatsache, dass es sich nicht um abstraktes Fehlverhalten handelt, sondern um persönliche Sünden. Suche dir deshalb reife Christen, denen du Einzelheiten aus deinem Leben anvertrauen kannst und die im Gebet für dich kämpfen werden. Im besten Fall sollten sie in deiner Gemeinde sein.
2. Bitte deine Freunde um Gebet, wenn du in Versuchung gerätst
Versuchungen sind noch keine Sünde, aber sie sind gefährlich. Wir müssen lernen, enge Freunde um Unterstützung zu bitten, wenn wir in Versuchung geraten. Das ist ein wichtiger Bestandteil des Widerstands gegen die Sünde. Versteckspiel stärkt die Sünde, Licht beraubt sie aller Kraft. Manchmal kann es verlockend sein, seinen eigenen Kampf zu verschweigen, um noch ein wenig länger mit der Versuchung zu spielen, bevor man flieht. Aber Sünde gibt sich niemals zufrieden. Wenn du sie fütterst, wird sie nur noch stärker. Wenn du nicht von der Klippe der Sünde stürzen willst, solltest du dich nicht am Abgrund der Versuchung bewegen.
3. Bekenne deine Sünden so schnell wie möglich
Je länger du das Sündenbekenntnis hinauszögerst, desto wahrscheinlicher wirst du es nie tun. In meinen Rechenschaftsbeziehungen gebe ich das Versprechen, jede Sünde innerhalb von 24 Stunden zu bekennen, und dabei bemühe ich mich, es schon innerhalb von Minuten zu tun. Sünde ist wie ein Krebsgeschwür – sie muss so schnell wie möglich ausgerottet werden, bevor sie sich ausbreitet.
4. Bekenne deine Sünden aufrichtig
Wenn du sündigst, wirst du versucht sein, dein Versagen hinter einer Lüge zu verschleiern. Das Gebot, einander die Wahrheit zu sagen, verlangt aber, dass unsere Bekenntnisse ehrlich sind (vgl. Eph 4,15). Wir müssen lernen, spezifische Sünden konkret zu bekennen. Gib dich nicht mit allgemeinen Aussagen wie „Ich kämpfe“, „Ich hatte ein paar harte Tage“ oder „Ich bin in letzter Zeit in Versuchung geraten“ zufrieden. Solche Aussagen können eine gute Einleitung zu einem Gespräch sein, aber sie reichen nicht aus. Ein ehrliches Bekenntnis von Sünden ist konkreter: „Gestern Abend fühlte ich die Versuchung, mir sinnliche Bilder auf meinem Handy anzusehen, und ich habe ihr nicht widerstanden. Ich habe mir etwa 45 Minuten lang immer wieder leichte und schwere Pornographie angesehen. Ich habe mehrmals aufgehört, bin aber immer wieder zurückgekehrt. Am Ende habe ich auch masturbiert. Ich dachte daran, mir Hilfe zu holen, aber ich hatte Angst davor und ich wollte sündigen.“ Sei ehrlich genug, um die Sünde deines Herzens zu offenbaren, gleichzeitig aber allgemein genug, um die Phantasie deines Freundes nicht durch unnötige Details anzuregen.
Gott gebraucht unser Sündenbekenntnis
Als der oben erwähnte Offizier mir seine Ehebrüche beichtete, verlor die Sünde ein Stück weit ihre Macht über ihn. Das heißt nicht, dass das Sündenbekenntnis an sich schon Macht hatte, sondern dass Gott es benutzte, um dadurch bei ihm ein kühnes Vertrauen auf Jesus zu bewirken. Der Herr schenkte ihm Befreiung von der Scham und Lust, die ihn ergriffen hatten. Gott gebraucht unsere demütige, ehrliche und schmerzhafte Beichte, um uns zu helfen, ihn klarer zu erkennen.